Nachrichten aus der iranischen Zivilgesellschaft – 22. Oktober 2012

csw-oct21Arseh Sevom, 22. Oktober 2012 – Themen dieser Ausgabe: Steigende Armut, sinkende Kaufkraft – kommt das Coupon-System? | Sanktionen, besondere Krankheiten und nötige Medikamente | Engagement für Kinder erhält internationale Aufmerksamkeit | 26 Studentinnen sterben bei Busunfall | Operation Geschlechtertrennung | Nasrin Sotodeh im Hungerstreik | 10 Menschen hingerichtet

Steigende Armut, sinkende Kaufkraft – kommt das Coupon-System?
Trotz anhaltender Bemühungen der iranischen Regierung, die Auswirkungen der Sanktionen zu mildern, wird Iran von wirtschaftlicher Not und Instabilität geplagt. Donyay-e-eqtesad [persisch] berichtet von einem Vorschlag des Parlamentariers Ahmad Tavakoli, das Coupon- und Rationierungssystem wiederzubeleben, um so aus der Krise herauszukommen. Preisanstiege in Verbindung mit begrenzter Kaufkraft haben das tägliche Leben für Normalbürger in Iran bedeutend schwieriger gemacht. Nach Berichten der iranischen Nachrichtenagentur ILNA [persisch] gab die Zentralbank die jährliche Inflationsrate in Iran im September mit 24 Prozent an. Experten erwarten für die zweite Hälfte des im März beginnenden iranischen Jahres einen drastischen Anstieg dieser Rate. Ein weiterer Bericht setzt die absolute Armutsquote bei 25% – 32% an. In den vergangenen drei Jahren sind jedes Jahr zusätzlich 2% der iranischen Bevölkerung unter die Armutsgrenze gefallen.

Noch schockierender sind Zahlen eines Berichts der Deutschen Welle [persisch], nach denen 5% der Iraner nachgewiesenermaßen Hunger leiden und 7,5% sich keine medizinische Behandlung leisten können. Die Nachrichtenagentur ISNA [persisch] berichtet, dass die Kosten der von der öffentlichen Gesundheitsversorgung angebotenen Behandlungen sich vervierfacht hätten.

Sanktionen, besondere Krankheiten und nötige Medikamente
In einem Interview mit Tabnak [persisch] sagte Fatemeh Hashemi, Leiterin der Stiftung für besondere Erkrankungen, etwa sechs Millionen Patienten in Iran seien von Restriktionen für importierte Medikamente betroffen. Besonders großer Mangel herrsche bei Medikamenten gegen Krebs und Multiple Sklerose, doch auch Thalassämie- und Dialysepatienten hätten mit schwierigen Situationen zu kämpfen. Durch die [gegen Iran verhängten internationalen] seien Banktransaktionen erheblich verkompliziert worden, wodurch sie Preissprünge und in einigen Sektoren sogar „Mängel“ ergäben. Dabei zielten die Sanktionen nicht einmal auf den Verkauf von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung an Iran, so Hashemi.

Am 15. Oktober hatte sich die EU auf neue Sanktionen gegen Iran geeinigt, die den Import von Erdgas aus Iran unter Verbot stellen. Die Maßnahme sei Teil einer Doppelstrategie, die sowohl auf Verhandlungen als auch auf Druckmittel setzt.  Der vollständige Text über die Maßnahmen befindet sich hier.

Engagement für Kinder erhält internationale Aufmerksamkeit
Fünf iranische Aktivisten sowie das Institut für Kinderforschung Donya sind für den Astrid Lindgren Memorial Award (ALMA) 2013 nominiert worden. Bei dem Preis handelt es sich um die weltweit größte Auszeichnung für Kinderliteratur. Laut Press TV [englisch] wurden 207 Kandidaten aus 67 Ländern nominiert, darunter 61 Erstnominierungen.

26 Schülerinnen sterben bei Busunfall
In einem tödlichen Verkehrsunfall in Südiran haben am Freitag 26 Schülerinnen ihr Leben verloren; 19 wurden verletzt. Die Los Angeles Times berichtet, dass der stellvertretende Bildungsminister inmitten der öffentlichen Empörung über den tödlichen Unfall während eines Schulausfluges versucht habe, den Vorfall mit den Worten herunterzuspielen, Unfälle passierten nun einmal – „manchmal werden Menschen beim Rolltreppefahren verletzt, und natürlich will niemand, dass so etwas passiert.“

Arseh Sevom drückt den Angehörigen der Opfer aufrichtiges Beileid aus.

Operation Geschlechtertrennung
Studenten der Universität Shiraz haben gegen die Einführung der Geschlechtertrennung auf dem Campus protestiert. In einigen Gebäuden der Universität gibt es seit einiger Zeit getrennte Eingänge für männliche und weibliche Studenten. Viele sehen darin den Beginn eines größeren Plans zur vollständigen Trennung der Geschlechter, so die Webseite Bamdad Khabar [persisch]. Kalemeh [persisch] berichtet, dass der Chef der Freien Universität ein besonderes Augenmerk auf die Geschlechtertrennung legt.

Nasrin Sotoudeh

Hungerstreik
Die zu 11 Jahren Haft verurteilte inhaftierte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh hat aus Protest gegen die ihrer Familie auferlegten Repressalien einen Hungerstreik begonnen. Die Gefängnisleitung hatte den Tag für ihre Familienbesuche von Sonntags auf Mittwochs verlegt, was Besuche für ihre Familie extrem schwierig macht. „Die Haftbedingungen, die Nasrin Sotoudeh auferlegt werden, sind inakzeptabel und zielen eindeutig darauf ab, sie für ihre Menschenrechtsaktivitäten zusätzlich zu bestrafen“, erklärte FIDH President Souhayr Belhassen.

Saeed Sedighi

10 Menschen hingerichtet
Zehn wegen Drogendelikten verurteilte Personen sind am Montag, 22. Oktober hingerichtet worden. Zuvor hatte es internationale Appelle gegeben, die Anwendung der Todesstrafe in Iran auszusetzen. Unter den am Montag Hingerichteten befand sich auch Saeed Sedighi, dessen Familie aktiv gegen seine Verurteilung protestiert hatte. Sein Bruder war Anfang des Monats verhaftet worden, weil er in einem Interview mit BBC Persian über den Fall gesprochen hatte. Seine Mutter hatte vor dem Haus Ayatollah Khameneis protestiert. Ihr Flehen um das Leben ihres Sohnes hatte Menschen auf der ganzen Welt tief berührt. Sie schrieb:

„Seit sein Vater starb, war Saeed die einzige Hoffnung der Familie. Nach 10 Monaten schwerer Folter im Gefängnis, von denen er zwei Monate in Einzelhaft verbrachte, wartet mein Sohn nun auf seine Hinrichtung. Ich bitte die Weltgemeinschaft, das Leben meines Sohnes zu retten.“

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Arseh Sevom

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