Vergesst Sanktionen, vergesst Bomben. Teherans größte Angst sind Menschenrechtskampagnen
Von Anne Applebaum
Veröffentlicht am Montag, 28. September 2009, 20:00 Uhr
Das Merkwürdige an Iran ist, dass ich manchmal schwören könnte, dass es zwei davon gibt. Einerseits der Nuklear-Iran, der Iran, der von Sicherheitsexperten analysiert wird, der Iran, von dem die Presseleute des Weißen Hauses berichten. Dieser Iran kam letzte Woche in die Nachrichten, als Präsident Barack Obama die Existenz eines weiteren versteckten Nuklearreaktors im Iran enthüllte, über diesen Iran wird am kommenden Donnerstag vom UN-Sicherheitsrat entschieden werden.
Gleichzeitig ist da noch ein Iran – ein sozusagen vollkommen anderes Land. Das ist der Iran der Demokratiebewegung, der Iran, der von Menschenrechtsaktivisten analysiert wird, der Iran, über den von Journalisten berichtet wird, die mit dem Mobiltelefon heimlich Fotos machen. Dieser Iran kam letzte Woche in die Nachrichten, als Demonstranten einen von der Regierung kontrollierten Anti-Israel-Marsch in eine spontane Anti-Regierungs-Demonstration verwandelten.
Diejenigen, die am zweiten Iran interessiert sind, haben in der Regel nicht viel Interesse am ersten Iran – und umgekehrt. Die beiden Gruppen erscheinen zuweilen fast antagonistisch. Als sich nach den Wahlen
Bei diesem Angebot kam natürlich nichts heraus, denn der Iran ist nicht zwei Länder, sondern ein Land. Und die Menschen, die Entscheidungen über das iranische Atomprogramm treffen sind dieselben, die Verhaftung, Folter und Mord an Dissidenten anordnen. In der Tat kann man eine Menge darüber lernen, wie diese iranischen Entscheidungsträger sich im Ausland verhalten werden, wenn man ihr Verhalten zu Hause betrachtet. Beispielsweise ist es unwahrscheinlich, dass ein Regime, dass öffentlich und wiederholt seine Gegner als amerikanische Handlanger und britische Spione bezeichnet, seinen Tonfall ändert und mit Amerika oder Großbritannien kooperiert. Gleichzeitig befindet sich ein Regime, das unter immensem politischem Druck steht, seine Legitimität zu verlieren, in keiner günstigen Position, um neue diplomatische Bahnen zu betreten und wird daher auch sehr wahrscheinlich sein Atomprogramm nicht in nächster Zeit beenden.
Sehr wenige Sicherheitsexperten weisen darauf hin, dass es noch eine weitere Option gibt. Was fürchtet die iranische Führung letztlich wirklich? Ich wette, es sind keine Sanktionen, und möglicherweise auch kein Bombenangiff. Ein wirtschaftlicher Boykott kann immerhin mit Hilfe Venezuelas oder der russischen Mafia umgangen werden, und ein Angriff auf iranischem Boden könnte dem Regime wieder einmal zu einer Konsolidierung seiner Macht verhelfen.
Im Gegensatz dazu muss eine anhaltende und finanziell gut ausgestattete Menschenrechtskampagne eine wahrhaft schreckliche Aussicht sein. Was, wenn wir dem iranischen Regime daher sagen würden, dass sein Insistieren auf der Entwicklung nuklearer Waffen uns keine andere Wahl lässt, als die finanzielle Unterstützung für Dissidentengruppen im Exil zu erhöhen, Geld ins Land zu schmuggeln, den Äther mit Anti-Regime-Programmen zu bombardieren und vor allem die Myriaden von Verbrechen der Islamischen Republik Iran großflächig zu veröffentlichen? Was, wenn Präsident Obama bei seiner nächsten Pressekonferenz ein Foto von Neda, dem jungen Mädchen, das von iranischen Behörden ermordet wurde, hochhielte? Was, wenn er das bei jeder Pressekonferenz tun würde? Ich wette, dies würde Präsident Mahmoud Ahmadinejad und selbst den Obersten Führer mehr aus der Fassung bringen als der Verlust von ein paar Werkzeugmaschinen-Importen aus Deutschland oder holländischen Tomaten.
Mir ist klar, dass viele bei diesen Vorschlägen die Augen verdrehen und argumentieren werden, wie es die Regierung Obama diesen Sommer tat, dass ein aggressiver Fokus auf die massenhaften Menschenrechtsverletzungen im Iran diesem erlauben würden „ausländische Einmischung“ zu schreien und seine Gegner als ausländische Spione zu attackieren. Ja und? Der Iran tut das bereits. Angesichts des Katastrophenpotentials, das hinter nahezu jeder anderen politischen Option lauert, haben wir bei einem Versuch mit Sicherheit nichts zu verlieren.