Bei diesem Kampf geht es um zwei Vorstellungen von Führerschaft

Veröffentlicht auf Rooz Online am 14. Januar 2010
Quelle (Englisch): http://www.roozonline.com/english/news/newsitem/article/2010/january/14//the-fight-is-over-2-views-on-leadership.html
Deutsche Übersetzung: Julia


Von Artin Saffari

Nachdem viele Befehlshaber der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und der ihnen unterstehenden paramilitärischen Basij-Milizen monatelang den in ganz Iran gegen den Wahlputsch vom 12.Juni 2009 protestierenden Demonstranten anklagend gegenübergestanden hatten und der Oberbefehlshaber sogar gesagt hatte, die Proteste richteten sich gegen die „republikanische“ Natur des Regimes, hat der momentane Oberbefehlshaber Mohammad Ali Jaafari am Dienstag eine neue Erklärung geliefert. Er sagte: „Was im Land unter dem Vorwand einer Wahlfälschung stattgefunden hat, ist ein Versuch, die Autorität der Position des Führers zu schwächen und sie auf eine zeremonielle Funktion zu beschränken. Dadurch wird sie ihrer islamischen Natur beraubt.“

In einer Rede bei einem Basij-Seminar in der Provinz Chahar Mahal und der Provinz Bakhtiari sagte Jaafari: „Mit ihren Plänen für einen samtenen Staatsstreich haben die Feinde des Islam die Heiligkeit des Islam ins Visier genommen, die Revolution, die religiöse Führerschaft (Velayat) und die religiöse Herrschaft, insbesondere den momentanen religiösen Führer, mit der Absicht, das Regime und das Land zu zerstören.“

“Es ist nichts neues, dass einige Eliten sich von den Prinzipien und Tugenden der Revolution entfernen“, sagte Jaafari. „Doch in dieser Situation verfolgen die Feinde von heute ihre Ziele durch das Säen von Zweifeln in politischen Diskussionen, Wahlen, durch eine Samtene Revolution, Herumspielen mit Wählerstimmen und Beteiligung an verschiedensten wirtschaftlichen Komplotten durch in- und ausländische Agenten.“

In Anspielung auf die Führer der Reformbewegung, die früher in der Islamischen Republik führende Positionen wie Premierminister, Präsident und Parlamentssprecher innehatten, sagte Jaafari: „Einige dieser Politiker sind vom revolutionären, göttlichen Weg der Führerschaft abgekommen. Der jetzige Konflikt dreht sich um zwei Ansichten: Einerseits die islamische, revolutionäre, korangemäße Ansicht der Alavi (Nachfolger Alis), und andererseits der materielle Weg, der westlich und amerikanisch ist, was sich beides in diesen Ereignissen zeigt.“ Ohne die Prinziplisten und die Reformer zu nennen, die einander gegenüberstehen, fuhr er fort: „Diese beiden Ansichten stehen einander heute gegenüber, und tatsächlich geht es in dem Konflikt darum, welcher der beiden Wege sich durchsetzen soll.“

In seiner Rede vor den Basijis sagte Jaafari, es sei unter den heutigen Gegebenheiten nicht einfach, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden und die wahre Natur der Menschen zu erkennen. Manche trügen zwar das Gewand der Geistlichkeit, akzeptierten jedoch nicht die Führerschaft des obersten Geistlichen (Velayat-e Faghih) und glauben, eine religiöse Regierung gehöre allein dem Verborgenen Imam.

“Natürlich haben sie nicht den Mut, dies offen zu sagen, und darum versuchen sie, die religiöse Natur der Regimes zu schwächen. Sie sehen in der Schwächung der Velayat-e Faghih den einzigen Weg zur Erreichung ihres Ziels“, sagte er.

Neue Töne bei den Anschuldigungen
Diese Äußerungen Jaafaris – dass die Protestbewegung letztlich auf die Velayat-e Faghih und die islamische Natur des Staates abziele – erfolgten, nachdem er zuvor der Zeitung Jam-e Jam gegenüber gesagt hatte: „Das Komplott nach den Wahlen zielte auf die republikanische Natur des Regimes. Sie wollten die Islamische Republik als verlogenes Regime darstellen, dass die Wählerstimmen seines Volkes nicht respektiert, und dann die Schlussfolgerung daraus ziehen, dass ein solches Regime nicht islamisch sein kann.“

Mit seinen neuesten Äußerungen bezog sich der IRGC-Kommandant auf Geistliche, die „die Velayat-e Faghih und einen Gottesstaat nicht akzeptieren“. In früheren Äußerungen hatte er behauptet, dass „Mohammad Khatami und Ayatollah Moussavi Khoeniha den Sturz des Führers“ planten. Damit bezog er sich auf Äußerungen von Khoeniha aus dem Jahre 2008, in denen dieser gesagt hatte, die Gegner des Regimes müssten alles in ihrer Macht stehende tun, um den gegenwärtigen Führer um jeden Preis zu demontieren (?, „to pull down“), damit dieser begreife, dass er mit dem Land nicht alles machen könne, was er wolle, denn Khatami und seine Verbündeten hätten viel Erfahrung (Rooz online berichtete darüber).

In diesen früheren Äußerungen hatte Jaafari auch behauptet, der frühere Präsident Mohammad Khatami habe gesagt, wenn Ahmadinejad die Wahl im Juni 2009 verliere, würde dies den Führer zu Fall bringen, und er würde beseitigt werden. Er hatte hinzugefügt, wenn die Reformer wieder an die Macht kämen, gäbe es keinen autoritären Führer mehr in der Gesellschaft; das Ende der Prinziplisten (Hardliner und Ideologen, die den jetzigen Präsidenten unterstützen) würde das Ende der Herrschaft der Hardliner bedeuten und somit die Eindämmung der Autorität des Führers.

Jaafari gab nicht an, woher er die Informationen über Khatami und Khoeniha hatte. An anderer Stelle seiner Rede zitierte er jedoch aus den erzwungenen Geständnissen, die inhaftierte politische Gefangene abgelegt hatten.

Ähnliche Anschuldigungen hatte Jaafari auch gegen anderer Reformer wie Behzad Nabavi und Mostafa Tajzadeh erhoben, beides führende Offizielle in früheren islamischen Regierungen. „Dieses Komplott ist sehr verzweigt, und wenn wir wollen, dass die Islamische Republik fortbesteht, müssen wir vorsichtiger sein und danach streben, Freund und Feind zu unterscheiden“, hatte Jaafari gesagt und dabei dieselben Worte benutzt wie Ayatollah Khamenei, als er über die Demonstranten auf den Straßen sprach.

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