Bericht: Geldmangel und Bankproteste in Iran

Veröffentlicht auf Persian2English am 28. Januar 2010
Quelle (Persisch): http://persian2english.com/?p=5244
Übersetzung Persisch-Englisch: Tour Irani, Persian2English
Quelle (Englisch): http://persian2english.com/?p=5244
Übersetzung Englisch-Deutsch: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben


Anmerkung des Herausgebers: Der folgende Text ist ein Zeugenbericht aus erster Hand, den wir per E-Mail erhalten haben.

* Die Regierung teilt den Banken mit, sie habe kein Geld, das sie in die Banken pumpen könnte
* Unruhen in iranischen Banken
* „Moussavi, Moussavi“-Parolen im Basar

Zwei Banken (Melli und Mellat) planen, Einlagen von Kunden einzubehalten, um die Anleihen zurückzahlen zu können, die sie von Investoren erhalten haben. Sie rechtfertigen diesen Schritt damit, dass sie für die Erstellung der Jahresabschlüsse (zum März 2010) Konten vorübergehend sperren müssen.

Es folgt ein Auszug aus Berichten aus Teheran. Diese Berichte entstanden bereits bevor sich die Informationen über Mund-zu-Mund-Propaganda verbreiteten.

Gestern versammelte sich in der Nähe des Basars in Teheran eine große Menschenmenge. Mit jeder Minute wuchs die Zahl der Menschen, die ihr Geld forderten.

Gegen 11:30 Uhr gaben die Schalter bekannt, dass sie kein Bargeld mehr hätten und nur noch Interbank-Anleihen [? „interbank notes“] ausstellen könnten, wogegen die Mehrheit der Kunden Einspruch erhob. Der Filialleiter dementierte die Berichte (dass kein Geld mehr da sei) und erklärte, es sei nicht nötig, die Bankkonten zu leeren, da alles nur ein Gerücht sei. Er sah sich mit Kunden konfrontiert, die ihr Geld haben wollten. Die verbalen Auseinandersetzungen wurden lauter, bis irgendwann die Sicherheitsmitarbeiter der Bank auf den Plan traten, was die Situation noch verschärfte.

Wenige Minuten später betraten Spezialeinheiten die Filiale und verprügelten die Menschen mit Schlagstöcken aufs Übelste. Sie verschlossen außerdem die Türen (damit keine Menschen hereinkommen konnten). Die angegriffenen Kunden begannen, „Moussavi, Moussavi“ vor der Bank zu skandieren.

Einige Ladenbesitzer, die ihre Geschäfte in der Nähe haben, hörten die Parolen und schlossen ihre Läden. Der Teppichbasar verwandelte sich in eine Sicherheitszone. Dazu kamen noch Anti-Aufruhr-Einheiten, die die Bank umstellten.

Seit Samstag sickern Nachrichten durch, dass die Regierung in geheimen Treffen über einen möglichen Bankrott der Banken berät. Bei diesen Treffen sollen Ahmadinejad (der Chef der Zentralbank) und einige Chefs von Regierungsbanken einen geheimen Bericht über die Bankenkrise verteilt haben. (Dem geheimen Bericht zufolge) haben die Banken Melli und Mellat ihren Bankrott erklärt und die Regierung dringend um Hilfe ersucht.

Die Nachricht über dieses Treffen verbreitete sich schnell bis in die obersten Etagen des Teheraner Basars. Daraufhin beschlossen Inhaber größerer kommerzieller Firmen, ihr Bargeld von den beiden Banken abzuziehen. Die Banken ließen jedoch keine Abhebungen über 15.000$ zu. Um diese Regelung zu umgehen, stellten Großinvestoren ungedeckte Schecks aus (Anmerkung: ungedeckte Schecks müssen dem Gesetz nach bezahlt werden).

Seit dem vergangenen Freitag schicken sich die Menschen SMS über den Bankrott der Banken Melli und Mellat.

Isfahan:
Auch die Melli-Filialen in Isfahan sahen sich mit einem Ansturm von Kunden konfrontiert, die ihr Geld abheben wollten. In den Filialen Chahar Bagh und Si-o-se Pol gab es lange Schlagen, und das Aufgebot an Sicherheitskräften im Innern der Filialen ließen erahnen, wie viel Angst das Regime vor möglichen Unruhen in den Banken hatte. Gegen 12 Uhr ging der Chahar Bagh-Filiale das Bargeld aus, und die Menschen, die seit Stunden angestanden hatten, wurden nach Hause geschickt, die Bank schloss ihre Türen. Die vor der Bank wartenden Menschen begannen daraufhin, Parolen zu rufen.


Marand, Iran

Den Menschen in Marand wurde von Bankangestellten gesagt:
– Wir haben kein Geld zum Auszahlen
– Wir müssen warten, bis ein Kunde Bargeld einzahlt
– Kommen Sie um 14 Uhr wieder

Die Menschen warteten in langen Schlangen bis 14 Uhr, nur um festzustellen, dass 500.000$ für eine bestimmte Person zurückgelegt worden waren. Die Proteste begannen, und es gab Zusammenstöße mit dem Sicherheitspersonal der Bank. Es kam zu körperlichen Auseinandersetzungen. Darüberhinaus bedienten sich einige Menschen selbst mit Bargeld, und die Alarmanlagen wurden ausgelöst.


Sadeghieh, Tehran:

An einer Melli-Filiale kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen ein Bankkunde verletzt wurde. Die Bank wurde daraufhin geschlossen. Die Menschen waren bereits am frühen Morgen in die Bank gekommen, um Geld abzuheben, sahen aber nur noch leere Tresore. Sie wurden laut und forderten ihr Geld, sie versuchten, ihre Schecks einzulösen, aber die Angestellten konnten wegen Geldmangels schon am frühen Morgen nichts mehr tun.

Die Bankangestellten gaben den Kunden die Schuld, die am vergangenen Samstag hunderttausende Dollar abgehoben hatten. In den meisten Filialen hatten Bankangestellte die Kunden gebeten, entweder auf Interbank-Anleihen zurückzugreifen oder zu warten, bis Geld aus der Zentrale eintrifft. Was nach einer halben Stunde eintraf, war allerdings kein Geld, sondern Sicherheitskräfte, die in den Filialgebäuden mit den Kunden zusammenstießen.

Die Anti-Aufruhr-Polizei forderte die Menschen auf, die Banken zu verlassen, die Menschen weigerten sich jedoch. In der Filiale Sadeghieh warf ein Bankangestellter seinen Stifthalter nach einer Kundin, einer Dame mittleren Alters. Umstehende brachten die Dame anschließend wegen ihrer Verletzungen ins Krankenhaus. Aus Angst vor Vergeltung durch die aufgebrachte Menge begann der Angestellte, laut über das Regime zu fluchen. Auf seinem Namensschild stand der Name Ebrahim Ghorani.

Irgendwann gelang es, die Menschen aus der Bank hinauszuwerfen und die Türen zu schließen. Es gab so wenig Bargeld, dass der Chef einer der Filialen die Angestellten anwies, die Geldzählmaschinen zu leeren.

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