Shirin Alam Hooli: Ein Brief aus der Todeszelle

Veröffentlicht auf Persian2English am 1. Februar 2010
Quelle (Persisch): Committee of Human Rights Reporters
Referenziert von Freedom Messenger
Übersetzung Persisch-Englisch: Sayeh Hassan
Quelle (Englisch): http://persian2english.com/?p=5548
Übersetzung Englisch-Deutsch: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben


Kürzlich ist die politische Gefangene Shirin Alam Hooli in Iran zum Tode verurteilt worden, weil sie angeblich Mitglied der kurdischen oppositionellen Organisation PJAK ist. Es folgt die Übersetzung eines Briefes, den sie am 18. Januar 2010 aus dem Gefängnis schrieb. In dem Brief beschreibt sie die Folter und die Verhöre, die sie vor ihrem Todesurteil erdulden musste.

Der Brief
Ich wurde im April 2007 [s. dazu Leserkommentar unten, d. Übers.] von mehreren uniformierten und nichtuniformierten Sicherheitskräften in Teheran verhaftet. Ich wurde direkt in die Haftanstalt der Sepah gebracht, wo ich 25 Tage lang festgehalten wurde. In dem Moment, in dem ich die Haftanstalt betrat, fingen sie an, mich zu schlagen, ohne mir Fragen zu stellen oder irgendwelche Antworten abzuwarten.

Ich trat für 22 Tage in einen Hungerstreik. Während dieser Zeit wurde ich sowohl körperlich als auch psychologisch gefoltert.

All meine Befrager waren Männer. Ich wurde auf ein Bett gefesselt. Sie schlugen mich mit elektrischen Schlagstöcken und Kabeln, und boxten und traten mich so lange, bis ich das Bewusstsein verlor. Damals habe ich noch nicht gut Persisch verstanden und gesprochen. Wenn ich ihre Fragen nicht beantworten konnte, schlugen sie mich weiter, bis ich bewusstlos wurde.

Wenn es Zeit zum Gebet war, gingen sie beten. Während dieser Zeiten sollte ich nachdenken, damit ich die Fragen beantworten konnte. Wenn sie zurückkamen, schlugen sie mich weiter, bis ich bewusstlos wurde. Dann übergossen sie mich mit kaltem Wasser.

Als sie merkten, dass sie mich nicht dazu bringen konnten, meinen Hungerstreik zu brechen, versuchten sie, mich künstlich zu ernähren. Ich widersetzte mich und riss mir die Schläuche aus der Nase. Das tat sehr weh, und es blutete. Jetzt, zwei Jahre später, leide ich noch immer an diesen Schmerzen.

Einmal traten sie mich während des Verhörs so heftig in den Unterleib, dass ich schwere innere Blutungen bekam. Ein anderes Mal fing der Befrager (der einzige, den ich jemals zu Gesicht bekam, da mir in allen anderen Fällen immer die Augen verbunden waren) an, mir unwichtige Fragen zu stellen. Als ich mich weigerte, ihm zu antworten, ohrfeigte er mich, zog eine Waffe und hielt sie mir an den Kopf. Er sagte: „Beantworte die Fragen. Ich weiß, dass du ein PJAK-Mitglied bist, du bist eine Terroristin. Hör auf mich, Mädchen, es spielt keine Rolle, ob du redest oder nicht. Wir sind so oder so froh, ein PJAK-Mitglied in die Finger bekommen zu haben.“

Einmal kam ein Arzt, um sich meine Wunden anzusehen. Ich war in einem Zustand zwischen Schlafen und Wachen. Der Arzt bat darum, mich ins Krankenhaus verlegen zu lassen. Der Befrager wollte wissen: „Warum muss sie ins Krankenhaus? Kann sie nicht hier behandelt werden?“ Der Arzt antwortete: „Es geht nicht darum, sie zu behandeln. Im Krankenhaus kann ich etwas mit ihr machen, damit sie redet.“

Am nächsten Tag wurde ich mit verbundenen Augen und in Handschellen ins Krankenhaus gebracht. Der Arzt gab mir eine Spritze [? „gave me a needle“], und ich verlor jede Kontrolle. Ich muss wohl angefangen haben zu reden und all ihre Fragen genau so beantwortet haben, wie sie es wollten. Sie nahmen alles auf Video auf. Als ich wieder zu mir kam, fragte ich sie, wo ich sei, und ich bemerkte, dass ich immer noch im Krankenhaus lag. Dann wurde ich in meine Zelle zurückgebracht.

Auch das schien den Befragern noch nicht zu reichen, sie wollten, dass ich noch mehr leide. Sie zwangen mich, auf meinen Füßen zu stehen, nachdem sie sie so geschlagen hatten, dass sie völlig geschwollen waren. Dann gaben sie mir Eis. Ich hörte Tag und Nacht die Schreie anderer Gefangener, und das belastete mich wirklich und regte mich auf. Später erfuhr ich, dass die Schreie aufgenommen worden waren, um mich psychologisch zu foltern. Manchmal saß ich stundenlang im Verhörraum, während mir stundenlang kalte Wassertropfen auf den Kopf fielen.

Ein anderes Mal wurde ich mit verbundenen Augen verhört. Der Befrager verbrannte meine Hand mit seiner Zigarette. Einmal stand der Befrager so lange mit seinen Schuhen auf meinen Füßen, dass meine Fußnägel schwarz wurden und irgendwann abfielen. Manchmal haben sie mich auch nur gezwungen, den ganzen Tag im Verhörraum zu stehen, ohne dass sie mir Fragen stellten, während die Befrager Kreuzworträtsel lösten. Sie taten alles, um sicherzustellen, dass ich leide.

Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen war, verlegten sie mich in Trakt 209 von Evin. Wegen meiner Verletzungen konnte ich nicht zu Fuß dorthin gehen, und sie weigerten sich, mich aufzunehmen. Sie ließen mich einen ganzen Tag vor Trakt 209 warten, bis sie schließlich gezwungen waren, mich in die Gefängnisklinik zu bringen.

Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren und wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Ich weiß nicht, wie lange ich in der Gefängnisklinik blieb. Sobald ich mich etwas besser fühlte, wurde ich in Trakt 209 verlegt, und die Verhöre begannen von Neuem.

In Abteilung 209 hatten sie ihre eigenen, speziellen Verhörtechniken. Sie spielten immer „good cop/bad cop“.

Zuerst kam ein „böser“ Befrager herein, folterte mich und erzählte mir, er sei an kein Gesetz gebunden und könne mit mir tun, was er wolle. Dann kam ein „guter“ Befrager, sagte dem „Bösen“, er solle aufhören, mich zu foltern, und bot mir eine Zigarette an. Dann fing der ganze Kreislauf von vorn an.

In Trakt 209 haben mir, wenn ich mich wegen der Folter oder der inneren Blutungen nicht gut fühlte, lediglich Schmerzmittel gespritzt, dann schlief ich tagelang. Sie haben mich nie zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht.

Shirin Alam Hooli, Evin, 18. Januar 2010

3 Antworten zu “Shirin Alam Hooli: Ein Brief aus der Todeszelle

  1. Bitte an Womens Rights senden !

  2. Vielen Dank für den Hinweis – das war ein Tippfehler!

  3. In der englischen Übersetzung des Briefes ist am Anfang geschrieben, dass sie April 2007 verhaftet wurde. In dem persischen Orginal steht Ordibehesht 1387 nach islamischer Zeitrechnung, d.h. in der Zeit von Ende April bis Ende Mai 2008. So erst werden auch die anderen Zeitangaben in dem Brief sinnvoll.

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