Karroubis Partei macht Vorschläge zur “Versöhnung”

Veröffentlicht auf Enduring America am 6. Februar 2010
Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2010/02/06/iran-the-reconciliation-proposals-of-karroubis-etemade-melli-party/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Nur Stunden nachdem Mehdi Karroubi seine neueste viel beachtete Erklärung abgegeben hatte, in der er Proteste am 22. Bahman/11. Februar befürwortet und unterstützt und die Regierung kritisiert, hat seine Partei Etemaad-e Melli die Initiative mit der Veröffentlichung ihrer Vorschläge für eine Versöhnung untermauert:

1. Sofortige und bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen;

2. Schaffung einer offenen Atmosphäre für Medien und Presse, Anerkennung von Kritik, Gerechtigkeit bezüglich der Nutzung staatlicher Medien (Fernsehen und Radio) für alle Schichten des Volkes und politischen Gruppen;

3. Beseitigung der Hemmnisse für Aktivitäten verschiedener politischer Organisatinen, Gruppen und Parteien;

4. Aufhebung der sicherheitslastigen Atmosphäre, des Polizeistaats und der Atmosphäre der Angst;

5. Beseitigung der festgelegten Aufsicht über die Wahlen (Wächterrat), Abhaltung freier Wahlen, Vorbeugung gegen Wahlbetrug;

6. Vorkehrungen gegen (die Einmischung der) bewaffnenten Streitkräfte in wirtschaftliche und politische Angelegenheiten des Landes;

7. Beendigung der von einigen Medien und Behörden betriebenen schändlichen Gleichsetzung der wahren Eigentümern der Revolution – ehrenwerte Veteranen des Iran-Irak-Krieges und Anhänger des Imam Khomeini (die grünen Führer und führenden Reformer) – mit Terroristen, die ihre Heimat und ihre Nation verraten; mit diesen Vergleichen dürfe der Unterdrückung nicht länger der Weg geebnet werden. Diese Strömungen zeigten nicht einmal Respekt vor Imam Khomeini, und die Äußerungen Imam Khomeinis würden von ihnen verzerrt und aus dem Zusammenhang gerissen, so dass auch die Familie Imam Khomeinis dagegen protestiert habe.

8. Die Justiz müsse begründeten Methoden folgen und im Falle von politischen Anklagen offene Prozesse mit Geschworenen abhalten, die allen Grundsätzen der Verfassung Rechnung tragen; es;

9. Abhaltung eines Referendums zur Ermittlung der klaren und gesetzmäßigen Meinung der Nation über einige der wichtigsten Probleme des Landes.

Die Partei Etemad-e Melli fordert die Großayatollahs, religiösen Persönlichkeiten, Gelehrten und Intellektuellen, Akademiker, Studenten sowie alle Klassen der Gesellschaft dringend dazu auf, sich in alle Aspekte (des Lebens in Iran) klug einzubringen, die fundamentalen Ziele der Islamischen Revolution einzuhalten, geeignete Bedingungen für eine Lösung der gegenwärtigen Krise zu schaffen und zu verhindern, dass die Revolution doppelzüngigen und nicht vertrauenswürdigen Personen in die Hände fällt.

Eine Antwort zu “Karroubis Partei macht Vorschläge zur “Versöhnung”

  1. Als Teil der Diskussionen der iranischen Zivilgesellschaft im Vorfeld zu den Feierlichkeiten anlässlich des 31. Jahrestages der iranischen Revolution, des 22. Bahman, sind sicherlich Karoubis hier übersichtlich präsentierten Vorschläge zu einer umgehenden Entspannung der Situation sowie das ebenfalls auf diesem Blog publizierte vielbeachtete Interview Mousavis zu werten.

    Der Versuch einer analytisch motivierten Zusammenfassung des recht komplexen und umfangreichen Mousavi-Interviews ist sicherlich sinnvoll:

    Das Mousavi-interview (Kalehmeh.org) ist eine eher längerfristig gedachte Bestandsaufnahme der derzeitigen politischen Konzepte der „grünen“ demokratischen und sozialen Bewegung, die außerdem die Beurteilung einiger bedeutsamer Ereignisse, Vorfälle und Mechanismen der Vergangenheit einschließt (die der Deutung gegenwärtig zu lösender Probleme dieser Bewegung sowie möglichen Lösungsansätzen dienen) :

    1) die iranische Revolution unter Khomeini, ihre Inhalte, Methoden und Ergebnisse müssen auf den Prüfstand und sind gegebenenfalls neu zu bewerten;

    2) militärische und bewaffnete Kräfte können nicht mit militärischen oder terroristischen Mitteln bekämpft werden, sondern sind irgendwie im politisch-sozialen Meinungskampf zu gewinnen (als Beispiel wird die sich friedlich ergebende ideologische Zersetzung der Schah-Polizei/Armee zitiert);

    3) die vorhandene politische Szene kann und muss politisch-ideologisch durch die breite soziale und politische „grüne“ Bewegung gewonnen werden;

    4) die „grüne“ Bewegung verkörpert einen ganz neuen Typus einer Bewegung: sie ist eine nicht für sich getrennt existierende politische Partei, die als solche zu identifizieren ist und deren typischen Züge trägt, sondern eine breite, umfassende politische und soziale Bewegung, die sich unabhängig von allen denkbaren Führerfiguren entwickelt via Diskussionen, Ideen und Entscheidungen auf einer breiten, allgemeinen Massenbasis;

    5) die Adressaten bzw. Klientel dieser demokratischen und sozialen Bewegung sind alle iranischen Bürger, insbesondere jedoch die benachteiligten untereren Gesellschaftsklassen, die durch das intellektuell und kreativ aktive Spektrum der Bevölkerung unterstützt werden;

    6) die „grüne“ Bewegung hat eine konstitutionelle, also verfassungsmäßige Orientierung und eine ihrer politisch stärksten Waffen ist ihr Insistieren auf die Befolgung der verfassungsmäßigen Rechte, Richtlinien und Regelungen, mit anderen Worten und insbesondere:

    • die Pressefreiheit
    • „habeas corpus“,
    • Gerichtverfahren, die diesen Namen verdienen
    • Infragestellung der Todesstrafe
    • Freiheit, Gerechtigkeit und ein (islamisches) republikanisches System
    • soziale Gerechtigkeit als integrierter Bestandtiel der politischen Freiheit
    • die strenge Befolgung der Montesquieuschen Gewaltenteilung der Legislative, der Exekutive und der Judikative
    • kein (Miss)Brauch bzw. keine Instrumentalisierung der Religion durch die Exekutive (eine vorsichtige Annäherung in Richtung Trennung Staat und Kirche/Religion)
    • Zurückdrängung des verfassungsmäßig nicht zulässigen Übergreifens der verfassungsmäßig nicht vorgesehenen Einschränkung der Legislative und Judikative durch die der Exekutiven zuzurechnenden Kräfte der Sicherheit und des Militärs
    • Stärkung der Verlässlichkeit und Stabilität der verschiedenen administrativen Institutionen innerhalb ihrer konstitutionell festgelegten Funktionen
    • die strikte Beachtung der Verfassung schließt selbstredend konsensuelle Verfassungsänderungen für die Zukunft mit ein

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