Veröffentlicht auf International Campaign for Human Rights in Iran am 8. Februar 2010
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2010/02/valian-student-sentenced-to-death/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Spitzenanwalt hält die Anklage für unvereinbar mit dem Gesetz der Scharia
8. Februar 2010 – Die Organisation International Campaign for Human Rights in Iran (ICHRI) hat heute die strafrechtliche Verfolgung des jungen studentischen Aktivisten Mohammad Amin Valian scharf verurteilt und die Anklagen als „völlig unverhältnismäßig“ bezeichnet. Valian wird als „Mohareb“, als „Feind Gottes“ angeklagt. Auf „Moharebeh“ steht die Todesstrafe.
Mindestens neun weitere Protestteilnehmer sind in ähnlich unfairen Prozessen zum Tode verurteilt worden, ihre Hinrichtung steht bevor. Fünf andere Demonstranten, darunter Valian, standen letzte Woche vor Gericht und werden im Falle einer Verurteilung hingerichtet werden. Die Hauptbeweisstücke gegen den 20jährigen Studenten bestehen aus Fotos, auf denen er zu sehen ist, wie er während der Proteste an Ashura Steine wirft.
Valian, ein Student der Damaghan Science University, war von regierungstreuen Basijis in einer Studentenzeitung denunziert und daraufhin verhaftet worden. Valian werden außerdem der Tatbestand des „Verderbens der Welt“ [„mofsed fi’l ardh“] sowie „Versammlung und Aufruhr mit dem Zweck des Verbrechens gegen die nationale Sicherheit“, „Propagandaaktivitäten gegen das islamische Regime“ und „Beleidigung hoher Offizieller des Regimes“ zur Last gelegt.
„Die Justiz hat mit diesem vollkommen unverhältnismäßigen Urteil das Leben eines vielversprechenden jungen Studenten wertlos gemacht“, erklärt Aaron Rhodes, Sprecher der Kampagne.
„Und mehr noch – das Urteil setzt die Standards des Systems herab, das wie jedes Rechtssystem Leben schützen, nicht Leben entwerten soll“, fügte er hinzu.
Valian ist einer von 16 Protestteilnehmern, die sich in einem „Schauprozess“ für ihren friedlichen politischen Protest verantworten mussten, und einer von fünf Angeklagten, die für Verbrechen verurteilt wurden, die mit dem Tode bestraft werden.
Während seines Prozesses gab Valian offen zu, während der Demonstration drei Mal Steine geworfen zu haben. Er habe jedoch nichts getroffen. Er bat das Gericht, die Gründe zu berücksichtigen, warum er seine Gefühle und seine Frustration auf diese Weise ausgedrückt habe. Er gab außerdem offen zu, „Tod dem Diktator“ gerufen zu haben.
Der bekannte Teheraner Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani sagte ICHRI gegenüber, die wichtigste Bedingung zur Erfüllung des Tatbestandes der „Moharebeh“ sei, dass mit Sicherheit bewiesen sein müsse, dass der Angeklagte bewaffnete Aktionen durchgeführt habe.
„Dies geht aus allen Texten der religiösen Rechtsprechung (Fiqh) eindeutig hervor. In Artikel 86 und 89 des Strafgesetzbuches sind verschiedene Bedingungen ausgearbeitet, und insbesondere diese beiden Artikel legen eindeutig fest, dass es als Moharebeh angesehen wird, wenn eine Person, die Mitglied einer solchen Gruppe ist oder Verbindungen zu ihr unterhält, ihre Ziele mittels bewaffneter Aktionen verfolgt. Daher ist die Voraussetzung der bewaffneten Aktion für eine Anklage wegen Moharebeh essentiell wichtig. Die betreffende Person muss zudem konkrete Aktionen durchgeführt haben. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, kann keine Anklage wegen Moharebeh erhoben werden“, erklärt er.
Auf die Frage, ob das Werfen von Steinen auf der Straße rechtmäßig zu einer Anklage wegen Moharebeh führen könne, antwortet Soltani: „Ganz und gar nicht. Wenn jemand verhaftet wird, weil er mit einer bewaffneten Gruppe assoziiert ist, kann der Tatbestand der Moharebeh greifen. Wenn jedoch ein normaler Bürger aus welchen Gründen auch immer – aus Wut, oder weil er die Fassung verloren hat – einen Stein wirft, um etwas zu zerstören oder jemanden zu verletzen, kommen andere Anklagen zur Anwendung. Solche Handlungen fallen nicht unter den Tatbestand der Moharebeh“.
Altersgenossen von Valian sagten der Kampagne gegenüber, er sei eines der aktivsten Mitglieder des Zentralrats der Islamischen Studentenvereinigung gewesen. Er habe mehrere politische Debatten organisiert, die ebenfalls als Beweise für die ihm zur Last gelegten Straftaten angeführt worden seien. Valian hatte den Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Moussavi aktiv unterstützt.
ICHRI forderte den Chef der iranischen Justiz auf, sich in den Fall einzuschalten und drängte auf eine sofortige Freilassung Valians und eine Untersuchung seines Falls durch eine unabhängige juristische Expertenkommission, die die Fälle aller auf Grund ihrer politischen Proteste angeklagten Personen untersuchen müsse.