Mehdi Karroubis erstes Interview nach dem 22. Bahman

Veröffentlicht auf Enduring America am 13. Februar 2010
Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2010/02/13/iran-mehdi-karroubis-1st-interview-after-22-bahman-13-february/

Mehdi Karroubi hat dem Sunday Telegraph aus London in einigen Fragen Rede und Antwort gestanden. Viele seiner Punkte sind bekannt, allerdings könnte sein Hinweis auf die Strategie der Opposition wichtig sein: „Wir werden, in Übereinstimmung mit Artikel 27 der Verfassung, darum bitten, eine friedliche Demonstration abhalten zu können, um das Ausmaß der Unterstützung für unsere Bewegung in der Bevölkerung zu zeigen.“

Sunday Telegraph: Im vergangenen Monat wurde auf sie geschossen, letzte Woche wurden Sie überfallen. Sind Sie noch immer in Gefahr?

Mehdi Karroubi: Ja. Ich bin 73 Jahre alt. Als Geistlicher und enger Freund des verstorbenen Ayatollah Khomeini habe ich die gesetzliche, nationale und religiöse Pflicht, etwas für unser Volk zu tun.
Als ich 25 war, habe ich an der Seite Ayatollah Khomeinis an der Revolution teilgenommen. Seither habe ich immer getan, was notwendig war, ungeachtet des Preises, den ich zahlen musste.

Sunday Telegraph: Letzte Woche haben Sicherheitskräfte Ihren Protest erstickt. Wie wird die neue Strategie der Opposition aussehen?

Mehdi Karroubi: Im Moment gibt es keine offizielle Demonstration, zu der wir die Menschen einladen. Wir werden aber in Übereinstimmung mit Artikel 27 der Verfassung darum bitten, eine friedliche Demonstration abhalten zu dürfen, um zu zeigen, wie groß die Unterstützung des Volkes für unsere Bewegung ist.

Wenn sie uns das nicht erlauben, werden wir andere Methoden finden müssen, um die Bevölkerung über die Friedensbewegung aufzuklären und diese im ganzen Land zu verbreiten.

Wir möchten unsere friedlichen Forderungen gemäß der Verfassung äußern. Aber wir möchten nicht, dass die Menschen einen hohen Preis zahlen müssen.

Momentan zeigt sich der Staat wenig tolerant und versucht, mit Gewalt gegen die Bevölkerung vorzugehen. Viele junge Leute sind im Gefängnis und haben inakzeptable Strafen erhalten. Es führt kein Weg um die Rechte der Menschen herum. Aber wir müssen einen geeigneten Weg finden, wie wir diese Rechte einfordern und die Revolution wieder auf den richtigen Weg bringen können, ohne dass sie es schaffen, die Islamische Republik dabei unter großen Kosten für die Bevölkerung von ihren Hauptzielen zu entfernen.

Wir werden in naher Zukunft auch mit der Bevölkerung über unser Programm sprechen. Herr Moussavi und ich werden in Kürze ein Treffen haben und die Menschen über unsere Strategie und unsere Arbeit informieren. Das Treffen wird wahrscheinlich noch diese Woche stattfinden.

Unsere Prioritäten sind die bedingungslose Freilassung der vielen Gefangenen, sowie Neuwahlen, die nicht unter Aufsicht des Wächterrats (eines nicht gewählten Gremiums, dass Kandidaten ablehnen kann) stattfinden. Als letztes wollen wir eine gute Atmosphäre für eine freie Presse schaffen, deren Recht auf Kritik anerkannt wird. Die momentane Atmosphäre, die beherrscht ist von Furcht und Polizeikontrolle, muss beseitigt werden. Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der alle Menschen zusammen kommen und ihre Ideen zur Zukunft des Landes vorstellen können. Das Volk hat ein Recht darauf, zu wählen. Nach Ansicht von Khomeini war die [Wahl-]Stimme des Volkes das Allerwichtigste.

Sunday Telegraph: Wann sind Sie das letzte Mal mit dem obersten Führer zusammengetroffen, und worüber haben Sie mit ihm gesprochen?

Mehdi Karroubi: Mein letztes Treffen mit dem Führer fand vor den Wahlen statt. Wir sprachen über die Probleme innerhalb der Regierung und über Außenpolitik. Ich äußerte mich kritisch über die Außenpolitik von Präsident Ahmadinejad und ihre Auswirkungen auf unsere nationale Sicherheit und Interessen. Ich fragte ihn nach seiner Meinung über die Wahlen, und er sagte: „Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen den Kandidaten“.

Sunday Telegraph: Glauben Sie, dass Mahmoud Ahmadinejad der gesetzmäßige Präsident Irans ist?

Mehdi Karroubi: Es gibt einen Unterschied zwischen Gesetzmäßigkeit und Realität. In der Realität ist er das Oberhaupt der Exekutive. Eine legitime Regierung muss meiner Ansicht nach jedoch vom Volk ernannt werden, und zwar in fairen und auf einer breiten Basis ruhenden Wahlen. Auch unsere Verfassung hebt diesen Punkt hervor. Wir erkennen ihn [Ahmadinejad] als Chef der Regierung an, der vom Haushalt bis zur Kommunal- und Außenpolitik alles kontrolliert. Er muss angemessene Antworten geben.

Mit seiner Legitimität haben wir allerdings nach wie vor Probleme. Wenn wir eine friedliche Demonstration veranstalten möchten, müssen wir die Regierung um Erlaubnis bitten. Wir erkennen sie als die herrschende Macht an, nicht aber als die legitime Regierung.

Sunday Telegraph: Haben Sie und der andere Oppositionsführer, Mir Hossein Moussavi, die Möglichkeit in Betracht gezogen, eine Einigung mit Herrn Ahmadinejad auszuhandeln?

Mehdi Karroubi: Wir arbeiten zur Zeit daran. Allerdings haben mangelnder Respekt und fehlende Anerkennung der Rechte des Volkes innerhalb Irans zu vielen Problemen geführt. Wir haben niemanden für Verhandlungen mit Herrn Ahmadinejad vorgesehen, doch das Wichtigste ist Respekt und Verständnis für die Bedürfnisse und Rechte des Volkes.

Sunday Telegraph: Warum haben Elemente der Sicherheitskräfte friedliche Demonstranten angegriffen?

Mehdi Karroubi: Das politische Leben mancher Menschen, darunter auch einiger Militärs, ist abhängig von Krisen. Sie sprechen den Menschen ihre Rechte ab und versuchen, alle Bereiche des Lebens in Iran zu beherrschen – wirtschaftlich wie politisch. Sie versuchen sogar, unsere Rechte unter unserer Verfassung zu beschneiden. In dieser Situation versuchen sie, Krisen zu schaffen und Krisen im Land zu erhalten. Darum wollen sie nicht, dass die Menschen auf friedliche Weise und in einer friedlichen Atmosphäre für ihre Rechte eintreten.

Sunday Telegraph: Wissen Sie etwas über die führenden Reformpolitiker, die zur Zeit im Gefängnis sind?

Mehdi Karroubi: Viele Reformpolitiker und frühere Parlamentarier sind noch im Gefängnis. Wir hoffen, dass sie bald freikommen werden. Viele Reformpolitiker schweigen lieber, denn wenn sie sprechen würden, müssten sie ins Gefängnis.

Sunday Telegraph: Sie haben gesagt, dass viele wichtige Geistliche angesichts der Situation besorgt sind. Was werden sie dagegen tun?

Mehdi Karroubi: Das stimmt, viele führende Geistliche sind besorgt über die Situation. Sie machen sich Sorgen um den Staat und um die Zukunft der Islamischen Republik Iran. Iran ist ein islamischer Staat, der sowohl auf republikanischen als auch auf islamischen Idealen fußt. Sie wollen nicht, dass der Glaube der Menschen an den Islam Schaden nimmt. Für uns und die führende Geistlichkeit in Qom bedeutet ein Schaden am islamischen Staat eine direkte Beschädigung des Islam. Der verstorbene Ayatollah Khomeini sagte, wenn der Staat Schaden nimmt, bedeutet dies eine direkte Beschädigung der Wahrnehmung des Islam durch die Menschen.

Die Menschen in Qom sind besorgt um die Zukunft des Staates, seine Stabilität, aber auch um die spirituelle Gesundheit des Islam in der jungen Generation. In den Augen vieler Gelehrter gibt es keinen Widerspruch zwischen Islam und Menschenrechten. Angesichts dessen, wie der Staat sich verhält, haben viele Menschen daran jedoch Zweifel entwickelt, und sie denken, dass unter islamischen Gesetzen beides nicht miteinander vereinbar ist.

3 Antworten zu “Mehdi Karroubis erstes Interview nach dem 22. Bahman

  1. Pingback: Iran: Oppositionsführer überdenken Strategien « Julias Blog

  2. anonymer Stammleser

    „Ja. Ich bin 73 Jahre alt. […]
    Als ich 25 war, habe ich an der Seite Ayatollah Khomeinis an der Revolution teilgenommen.“

    Nachdem vor wenigen Tagen der 31. Jahretag der Revolution war, kann da irgendwas nicht stimmen

    25 + 31 = 56 != 73!!

    *kopfkratz*

    Im englischen Original bereits falsch.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s