Veröffentlicht auf RAHANA am 20. Februar 2010
Artikel auf Persisch: http://www.rhairan.net/archives/4398
Quelle (Englisch): http://www.rhairan.net/en/?p=904
Deutsche Übersetzung aus dem Englischen. Bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Wir machen uns Sorgen. Wir machen uns Sorgen um seine Gesundheit, sein psychisches Wohlergehen, aber vor allem machen wir uns Sorgen um sein Leben in einem Gefängnis, das für gewalttätige Häftlinge vorgesehen ist.
RAHANA – Mohammad Pour-Abdollahs Familie hat sich an Ban Ki Moon und alle Menschenrechtsorganisationen gewandt und um Hilfe gebeten, um den inhaftierten Studenten aus den gefährlichen Bedingungen des Gefängnisses Ghezel-Hesar herauszuholen, wo er eine sechsjährige Haftstrafe absitzt.
Das Gefängnis Ghezel-Hesar ist für gefährliche Häftlinge reserviert, die wegen Drogenschmuggels und Mordes einsitzen. Irans eigene Gesetze fordern die getrennte Unterbringung von Häftlingen je nach Schwere und Art ihrer Verbrechen.
Es folgt [die deutsche Übersetzung des] englischen Wortlauts des Briefes von Pour-Abdollahs Familie:
An den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Herrn Ban Ki-Moon, sowie an alle internationalen Menschenrechtsorganisationen,
Grüße,
wir möchten Ihnen zur Aufmerksamkeit bringen, dass unser Sohn Mohammad Pour-Abdollah, ein Student der technischen Chemie an der Teheran-Universität, am 14. Januar 2008 zu Hause verhaftet wurde, weil er an den Demonstrationen zum Studententag teilgenommen hatte, die wenige Monate zuvor stattgefunden hatten. Er wurde ins Evin-Gefängnis gebracht und nach 41 Tagen im Gefängnis am 24. Februar gegen eine Kaution von 80.000 Dollar freigelassen. Für unsere Familie jedoch war Mohammads Entlassung gegen Kaution der Beginn einer langen Zeit voller Angst und Unruhe. Er wurde ständig verhört und am telefon bedroht; nach einiger Zeit wurden die Drohanrufe immer bedrohlicher und richteten sich schließlich auch gegen andere Mitglieder unserer Familie.
Mohammads Mutter bekam Angstzustände, noch jetzt ist sie in Behandlung. Im Winter 2009 nahmen die telefonischen Verhöre zu, und Mohammad wurde bedroht, weil er in von ihm verfassten Artikeln seine eigene Wahrnehmung sozialer Probleme wiedergegeben hatte.
Schließlich, am 12. Februar 2009 um 19 Uhr, kamen Geheimdienstagenten in sein Haus, die vorgaben, Postboten zu sein. Sie durchsuchten sein Haus und nahmen dann ihn, seinen Computer, Bücher und andere Gegenstände mit.
Als wir davon erfuhren, machten wir uns sofort von Rasht, wo wir wohnen, nach Teheran auf den Weg. Der Zustand, in dem sein Zimmer sich befand, wies für uns darauf hin, dass er verhaftet worden war. Die nächsten Tage verbrachten wir in absoluter Unkenntnis über seine Situation. Die albtraumhafte Möglichkeit, dass sie ihre telefonischen Drohungen wahr machen könnten, quälten uns pausenlos. Endlich rief Mohammad an, um uns zu berichten, dass er in Evin in Einzelhaft sei.
Die nächsten 30 Tage verbrachte er in Einzelhaft und wurde langen Verhörsitzungen unterzogen, die mit Folter einhergingen. Während dieser Zeit durfte Mohammads Mutter ihn nur ein Mal in Anwesenheit seines Befragers sehen. Der Anblick von Mohammads rasiertem Schädel verstörte Mohammads Mutter völlig, und wir machten uns wegen seiner Behandlung im Gefängnis daraufhin mehr Sorgen als je zuvor.
Am 18. März 2009, zwei Tage vor dem persischen Neujahrsfest, nur wenige Tage nach Beendigung seiner Verhöre und seiner Verlegung in den öffentlichen Trakt, als wir alles nur Mögliche unternahmen, damit er vor Norooz [dem persischen Neujahrsfest, d. Ü.] freigelassen wird, klingelte das Telefon, und Mohammad informierte uns über seine Verlegung nach Ghezel-Hesar. An diesem Tag hatte der Befrager, ohne ihm seinen Namen auf der Entlassungsliste zu zeigen, ihn aufgefordert, sich anzuziehen und für die Freilassung bereit zu machen. Als Mohammad fertig war und glücklich auf seine Freilassung wartete, wurde er von Gefängniswärtern angegriffen, die ihm die Augen verbanden, ihn schlugen und verletzten, und ihn dann nach Ghezel-Hesar brachten.
Mohammad verbrachte die nächsten 48 Stunden zusammen mit 150 anderen Gefangenen in der Quarantäne-Station (Aufnahmestation) von Ghezel-Hesar, während die Sonnenwende vorüberging.
Am 12. April 2009, nachdem er auf der Grundlage eines temporären Haftbefehls zwei Monate lang festgehalten worden war, wurde Mohammad zur Staatsanwaltschaft des Revolutionsgerichts [? „Revolutionary Prosecutor’s office“] gebracht, wo er aufgefordert wurde, eine Anklageschrift zu unterschreiben, die unbegründete Anklagen enthielt.
Als er sich weigerte, wurde seine Inhaftierung verlängert. Daraufhin wurde Mohammad in eine Einzelzelle in Evin gebracht, wo man noch mehr Druck auf ihn ausübte, damit der die Anklageschrift unterschreibt. Nachdem er zehn Tage lang Widerstand geleistet und sich geweigert hatte, wurde er nach Ghezel-Hesar zurückgebracht, wo er im Ungewissen [?“in limbo“] gelassen wurde. Trotz der Bemühungen seines Anwalts weigerte sich der Richter, ihn gegen Kaution freizulassen und verlegte sogar den Termin der gerichtlichen Anhörung, die für den 1. Juni angesetzt worden war, ohne einen neuen Termin festzusetzen.
Schließlich, nach 8 Monaten der Ungewissheit in Ghezel Hesar, am 12. Oktober 2009, wurde Mohammad unter Richter Salavati in der 15. Abteilung des Revolutionsgerichts in Teheran der Prozess gemacht. Zwei endlose Monate später, zwei Tage nach dem Studententag 2009, wurde er am 9. Dezember 2009 vom Revolutionsgericht zu 6 Jahren Haft *) verurteilt – der zulässigen Höchststrafe nach Artikel 500 und 610 des Strafgesetzbuches – weil er im Jahre 2007 an den Demonstrationen zum Studententag teilgenommen hatte. Wir wissen immer noch nicht, warum er (während er auf Kaution frei war) ein zweites Mal verhaftet wurde.
Fast ein Jahr nach seiner zweiten Verhaftung verbringt Mohammad seine Tage in Ghezel Hesar und wartet auf die Entscheidung des Berufungsgerichts, von der abhängt, wie er die besten Jahre seines Lebens verbringen wird.
Wir machen uns Sorgen. Wir machen uns Sorgen um seine Gesundheit, sein psychisches Wohlergehen, und vor allem um sein Leben in einem Gefängnis, das für gewalttätige Häftlinge vorgesehen ist.
Wir bitten Eure Exzellenz als den Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie alle Menschenrechtsorganisationen weltweit dringend um Hilfe, um unsen Sohn aus dieser gefährlichen Situation zu befreien und ihn vor der sechsjährigen Haftstrafe, die die besten Jahre seines Lebens zerstören wird, zu bewahren.
(Grußformel)
die Eltern von Mohammad Pour-Abdollah, Lotfollah Pour-Abdollah und Sima Salno
*) Anm. d. Ü.: Im persischen Text ist hier offenbar von einer „Bewährungsstrafe“ oder einer „ausgesetzten Strafe“ von 6 Jahren die Rede. Allerdings ist auch der persischen Quelle eindeutig zu enthnehmen, dass Mohammad Pour-Abdollah immer noch inhaftiert ist.