Veröffentlicht auf Persian2English am 20. Februar 2010
Quelle (Persisch): Iran Emrooz, von Soheila Vahdati
zusammenfassende Übersetzung Persisch-Englisch: Persian2English
Quelle (Englisch): http://persian2english.com/?p=7304
Übersetzung Englisch-Deutsch: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Menschenrechtsanwalt Mohammad Oliyaifard. Er wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Das iranische Revolutionsgericht hat den Menschenrechtsanwalt Mohammad Oliyaifard wegen „Propaganda gegen das Regime“ zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er gegen die Hinrichtung zweier junger Straftäter Einspruch erhoben hatte. Oliyaifard ist bekannt dafür, sich unentgeltlich für Fälle einzusetzen, in denen Minderjährige von Hinrichtung bedroht sind. Er ist zudem einer der Anwälte, die mit dem Fall des hingerichteten minderjährigen Straftäters Behnoud Shojaee betraut waren (der zweite Anwalt in dem Fall war Mohammad Mostafaei).
Oliyaifards Fall wurde in drei Treffen in der Abteilung 26 des Revolutionsgerichts besprochen. Beim ersten Treffen legte Oliyaifard Berufung ein, die vom Gericht nicht akzeptiert wurde.
Danach traf Mohammad Oliyaifard auch mit der Justiz zusammen. Ihm wurde erklärt, dass man nicht „hinrichte“ sondern „Vergeltung übe“. (Der Ausdruck „Vergeltung“ wird sehr wahrscheinlich in dem Kontext verwendet, dass das Regime die Leben der zum Tode Verurteilten als gerechte „Bezahlung“ für unter Strafe stehende Verbrechen ansieht).
Bei der Versammlung der Vereinten Nationen in Genf am 15. Februar 2010 hatten die Delegierten der Islamischen Republik den Vertretern anderer Länder gegenüber wiederholt hervorgehoben, dass in Iran niemand ins Gefängnis muss, weil er sich für Menschenrechte einsetzt. Mahmoud Abbaszadeh Meshkini, Generaldirektor für politische Angelegenheiten im Innenministerium, betonte: „Wir erklären ausdrücklich, dass in Iran niemand verhaftet wird, weil er ein Menschenrechtsaktivist ist.“
Am 19. Februar 2010 interviewte die Frauenrechtsaktivistin Soheila Vahdati von Iran Emrooz Mohammad Oliyaifard zu den Einzelheiten seines Falls. In dem Interview wies Mohammad Oliyaifard auf Unregelmäßigkeiten im iranischen Justizsystem hin. Oliyaifard erklärte, das Revolutionsgericht habe ihn angeklagt, weil er dem Sender Voice of America ein Interview über seine Einwände gegen die Hinrichtung Minderjähriger in Iran gegeben habe. Oliyaifard erklärt, seine Einwände seien vollkommen legal gewesen, und da Iran zu den Unterzeichnern der Kinderrechtskonvention gehöre, dürften Iraner nicht für Straftaten zum Tode verurteilt werden, die sie im minderjährigen Alter verübt hätten.Zudem dürfe gemäß Artikel 6, Absatz 5**) der Verordnung über bürgerliche und politische Rechte „ein Todesurteil nicht für Straftaten verhängt werden, die von Personen unter 18 Jahren verübt wurden.“
Wichtig ist, dass Artikel 37*) vom iranischen Parlament und vom Wächterrat bestätigt wurde, obwohl die Regierung erklärt, sie sei berechtigt, „konditionales Recht“ ***) anzuwenden.
Internationalen Gesetzen zufolge kann die iranische Regierung konditionales Recht nur dann walten lassen, wenn sie den Bestimmungen der Konvention nicht widersprechen. Wenn sie dies tun, wird das konditionale Recht annulliert. Wenn ein Land der Kinderrechtskonvention beitritt und die konditionalen Rechte akzeptiert, ist es nicht befugt, die Kinderrechte zu verletzen. Das ist der Grund, warum viele der Meinung sind, dass konditionales Recht in Iran nicht möglich ist.
Die iranische Regierung erklärt, dass sie die Kinderrechte achtet, aber sie stellt ein zehnjähriges Mädchen vor Gericht, weil Mädchen nach dem Gesetz der Sharia mit 9 Jahren volljährig werden. Ein Junge, der 15 Jahre oder älter ist, kann vor Gericht gestellt und hingerichtet werden. Mohammad Oliyaifard sagte Soheila Vahdati gegenüber, seiner Meinung nach solle Artikel 49****) des islamischen Strafgesetzbuches [„Islamic penal code“] nicht mit Artikel 1210****) des islamischen Strafgesetzbuchen [„Islamic criminal code“] in Verbindung gebracht werden.
Zur Zeit befindet sich Mohammad Oliyaifard in einer juristisch komplexen Situation. Oliyaifard zufolge ist er wegen der Einzelheiten seines Falles verpflichtet, einem illegalen Prozess zu folgen, und daher zögere er, zu kooperieren. Er hat sogar erklärt, dass er gewillt ist, die einjährige Haftstrafe anzunehmen, um zu vermeiden, dass er gegen das Gesetz handelt. Mohammad Oliyaifard zufolge wird ein Urteil innerhalb 20 Tagen nach der Verkündung abgewickelt.
ANMERKUNGEN:
* Artikel 37 der Kinderrechtskonvention
Die Vertragsstaaten stellen sicher,
1. daß kein Kind der Folter oder einer anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen wird. Für Straftaten, die von Personen vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begangen worden sind, darf weder die Todesstrafe noch lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verhängt werden;
2. daß keinem Kind die Freiheit rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird. Festnahme, Freiheitsentziehung oder Freiheitsstrafe darf bei einem Kind im Einklang mit dem Gesetz nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden;
3. daß jedes Kind, dem die Freiheit entzogen ist, menschlich und mit Achtung vor der dem Menschen innewohnenden Würde und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Personen seines Alters behandelt wird. Insbesondere ist jedes Kind, dem die Freiheit entzogen ist, von Erwachsenen zu trennen, sofern nicht ein andere Vorgehen als dem Wohl des Kindes dienlich erachtet wird; jedes Kind hat das Recht, mit seiner Familie durch Briefwechsel und Besuche ein Verbindung zu bleiben, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen;
4. daß jedes Kind, dem die Freiheit entzogen ist, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand und das Recht hat, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Behörde anzufechten, sowie das Recht auf alsbaldige Entscheidung in einem solchen Verfahren.
Quelle: http://www.tdh.de/content/themen/schwerpunkte/kinderrechte/kinderrechtskonvention.htm#a37
**Artikel 6, Absatz 5
Die Todesstrafe darf nicht für Straftaten verhängt werden, die von Personen unter 18 Jahren begangen wurden, und sie darf nicht an schwangeren Frauen vollzogen werden.
Quelle: International Covenant on Civil and Political Rights
*** Konditionale Rechte
Diese Bedingungen erklären, dass wenn Bestimmungen der Konvention im Widerspruch zu Irans nationalen und islamischen Rechten steht, letztere Vorrang vor der Konvention haben. Diese konditionale Anerkennung der Konvention hat immer wieder Verletzungen von Kinderrechten ermöglicht und verhindert, dass das existierende Rechtssystem diese Rechte schützt.
Quelle: Gozaar
**** Artikel 49 und Artikel 1210
Vor der Islamischen Revolution und basierend auf dem in den Jahren 1923 und 1973 verabschiedeten Strafgesetzbüchern war es gängige Praxis, dass von unter 18jährigen Tätern verübte Kapitalverbrechen wie Mord und Drogenschmuggel milder bestraft werden, wobei man auch an die Rehabilitation der Straftäter dachte.
Nach dem Sieg der Islamischen Revolution im Jahre 1979 änderten sich die Procedere und Regelungen in der Justiz abrupt – entgegen aller Erwartungen, dass der Sieg der Revolution allgemein mehr islamisches Mitgefühl – insbesondere für minderjährige Straftatäter – mit sich bringen würde.
Basierend auf Artikel 49 des islamischen Strafgesetzbuches setzten die Gerichte das Alter der Strafmündigkeit auf das von der Sharia festgelegte Reifealter herunter. Da das Strafgesetzbuch das Alter für Strafmündigkeit nicht anderweitig definiert, wurden die Gerichtsentscheide auf der Grundlage von Artikel 1210 des Islamischen Strafgesetzbuches ausgestellt, das das Reifealter für weibliche Personen auf 9 Jahre und für männliche Personen auf 15 Jahre festsetzt. Dies wurde zum juristischen Standard, der bis heute von iranischen Gerichten in Fällen von Kapitalverbrechen angewendet wird.
Quelle: HRANA