Veröffentlicht auf International Committee of Human Rights Reporters/ICHRI am 4. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2010/03/evin-prison-visiting-political-prisoners/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin
Dieser Tage gibt es in der Besucherhalle des Evin-Gefängnisses nicht einmal genug Platz, um eine Nadel fallen zu lassen. In der Halle gibt es etwa 80 Kabinen, die speziell für Besuche vorgesehen sind. Die Anzahl der Kabinen reicht aus, wenn die Familien der politischen Gefangenen ihre Besuche schnell absolvieren, aber leider besteht die Politik der Gefängnisbehörden darin, die Besucher immer in Gruppen von jeweils zehn Personen hineinzulassen. Um die blaue Besucherkarte zu bekommen, muss der Besucher den Namen des Gefangenen, den Namen des Vaters des Gefangenen und den Namen des Besuchers angeben, der ein direktes Familienmitglied des Gefangenen zu sein hat, also Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Ehefrau/-mann, Kinder.
Die Familien der politischen Gefangenen kommen jeden Tag ab 8 Uhr Morgens in der Besucherhalle an. Die für die Besuche zuständigen Gefängnismitarbeiter kommen jedoch erst gegen 9 Uhr zur Arbeit. Die vorgesehene Besuchszeit dauert bis 14 Uhr. Diejenigen, die ihre Besucherkarte und somit die Besuchserlaubnis erhalten haben, dürfen auch nach 14 Uhr in der Halle bleiben, bis sie ihre Besuche erledigt haben. Zuerst müssen sie jedoch die Karte erhalten. Dann wird geprüft, ob der Gefangene Besuch erhalten darf oder nicht, und nachdem die Angehörigen des Gefangenen die Besuchserlaubnis erhalten haben, werden schließlich die Namen von Gefangenen ausgerufen, und die Familien erfahren, dass sie sich für den Besuch ein Stockwerk höher einfinden müssen. Ein sehr langwieriger Prozess. Viele der Besucher sind Eltern im fortgeschrittenen Alter, und das lange Warten kann für sie schwierig werden. Wichtig ist, dass nur zwei Angestellte und ein Soldat sich um die große Zahl der Besucher kümmern. Die beiden Angestellten wechseln sich erst bei der Abfertigung der Schlange der Frauen [oder „für die weiblichen Gefangenen“], dann bei den Männern ab, während sie Fragen beantworten.
Manchmal kommt es zwischen den Familien zu kleinen Streitereien über die Beachtung der Reihenfolge, was den Offiziellen im Evin-Gefängnis Freude zu bereiten scheint, aber es gibt immer Leute unter den Wartenden, die den Streit sofort beenden mit den Worten: „Wir sollten uns hier nicht streiten, während unsere Lieben im Gefängnis sind“, dann stimmen andere zu; und das Thema ist beendet, das manchmal, wie diesen letzten Donnerstag, für die Familien noch zusätzlichen Stress und zusätzliche Anspannung verursacht, besonders für die Älteren, die dann manchmal Herzschmerzen, Wadenkrämpfe und ähnliche Probleme haben. Letzten Donnerstag fiel der Vater eines politischen Gefangenen plötzlich zu Boden, und selbst als man ihm sagte, er könne jetzt gehen und seinen Sohn besuchen, konnte er sich nicht von der Stelle bewegen, wo er hingefallen war. Eine Ärztin, die ebenfalls gekommen war, um einen Verwandten zu besuchen, kümmerte sich 30 Minuten lang um ihn und versuchte, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Irgendwann gelang es unter großen Schwierigkeiten, ihn aus der Gefängnishalle zu bringen. Diese Szene war so schrecklich, dass einer der beiden Angestellten hinter der Glaswand hervorkam und sagte, er könne ihn auf dem Rücken zu seinem Sohn tragen, damit der Besuch stattfinden könne. Diese Besuche bergen viel Stress in sich, denn selbst nach vielen Stunden weiß man nicht, ob man seinen Verwandten sehen wird oder nicht.
Zum Beispiel die Familie von Hamzeh Karami, der seit neun Monaten in Evin ist. Seine Familie hat noch immer keinen regelmäßigen Besuchsrhythmus. Selbst wenn sie ihre Karte früh Morgens abgeben und eine Besuchserlaubnis erhalten, ist Familie Karami immer die letzte, die erfolgreich einen Besuch abstatten kann. Aber warum schicken sie immer jeweils Zehnergruppen hinein? Es wird gesagt, dass alle Gespräche aufgezeichnet werden, und um eine bessere Qualität zu erzielen, werden kleinere Gruppen gebildet. Die Familien der Gefangenen haben für ihren Besuch 20 Minuten Zeit. Diese Zeit kann aber für viele Familien auf 3 bis 5 Minuten beschränkt werden, vor allem für diejenigen, denen ein Besuch nach 13 Uhr zugeteilt wurde, denn wenn viele Besucher da sind, müssen sie die Besuche zum Ende hin kürzer werden. Vielleicht gibt es auch noch einen anderen Grund – das Verhalten des Gefangenen, und wie zufrieden die Gefängnisbehörden damit sind. Das steht an den Wänden der Besucherhalle.
Bei jedem Besuch können die Familien bei dem Beamten in der Besucherhalle zusammen mit ihrem Besucherantrag eine Einzahlung vornehmen, die zwischen 10.000 und 50.000 Toman liegt. Die Glücklichen, die eine Besuchserlaubnis haben, können ihren Angehörigen außer Kleidung auch Nahrungsmittel mitbringen, und sie können ihre Lieben in die Arme schließen. Natürlich darf das nur in Anwesenheit eines Beamten geschehen, auf Bitte der Familie, mit der Genehmigung des Befragers, und es erfordert Hartnäckigkeit seitens der Familie des Gefangenen. Und natürlich betrifft das eher diejenigen, die schon seit mehreren Monaten im Gefängnis sind.
Die meisten Besuche finden in Kabinen statt. Wer schon mehrere Monate im Gefängnis ist, darf höchstens einen persönlichen Besuch pro Monat empfangen. Allerdings gibt es im Moment keine besondere Regel. Natürlich kann es entscheidend sein, ob man einen freundlichen Befrager hat.
Gespräche werden aufgezeichnet, aber viele Besucher und Gefangene übermitteln sich Botschaften durch Handzeichen oder Ablesen von den Lippen, manche Fragen werden mit Gesten gestellt. Es gibt Beispiele dafür, dass Gefangene für die Zukunft Besuchsverbote erhalten, wenn sie bestimmte Dinge sagen, vor allem dann, wenn der Gefangene aus dem Gefängnis heraus seine Familie anruft und der Befrager dabei ist und die Telefongespräche aufgezeichnet werden. Alle Gefangenen wissen, dass es für sie Verschlechterungen bringen kann, wenn bestimmte Dinge ausgesprochen werden. Bei Besuchen in der Kabine sind Beamte anwesend, und es ist schon vorgekommen, dass mitten in einem Besuch der Vorhang in der Glasabtrennung plötzlich heruntergelassen und der Ton abgestellt wird.
Wenn eine Besuchserlaubnis erteilt wird, gibt es viele Tränen, Umarmungen und Freude unter Tränen. Sie weinen normalerweise unten in der Halle und vor der Tür, um nicht vor den Gefangenen oben weinen zu müssen. Sie wollen, dass der Gefangene in guter Stimmung bleibt.
Wer keine Besuchserlaubnis bekommt, weint auch, das ist natürlich eine andere Art des Weinens als bei denen, die eine Erlaubnis bekommen haben. Sie bitten und betteln und sagen vielleicht, dass sie von weither angereist sind. In manchen Fällen haben die Bitten Erfolg, aber nur sehr selten.