Tagesarchiv: 4. März 2010

Besuch bei politischen Gefangenen im Evin-Gefängnis

Veröffentlicht auf International Committee of Human Rights Reporters/ICHRI am 4. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2010/03/evin-prison-visiting-political-prisoners/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

(Archivbild)

Nach der von großangelegten politischen Verhaftungen begleiteten Präsidentschaftswahl in Iran vom 12. Juni 2009 hat sich das Besuchsverhalten der Angehörigen politischer Gefangener im Vergleich zu früheren Jahren drastisch verändert. Mit der gestiegenen Zahl politischer Gefangener hat sich auch die Anzahl der Familien erhöht, die auf der Suche nach ihren verhafteten Angehörigen sind. ICHRI hat in mehreren Interviews mit Familien politischer Gefangener über die Einzelheiten ihrer Besuche in Evin gesprochen. Im Folgenden werden die Beobachtungen einiger dieser Interviewten wiedergegeben. Die Inhalte der Interviews wurden zusammengefasst und werden hier in Form eines Berichts wiedergegeben, wobei die sich wiederholenden Fragen herausgenommen wurden.

Dieser Tage gibt es in der Besucherhalle des Evin-Gefängnisses nicht einmal genug Platz, um eine Nadel fallen zu lassen. In der Halle gibt es etwa 80 Kabinen, die speziell für Besuche vorgesehen sind. Die Anzahl der Kabinen reicht aus, wenn die Familien der politischen Gefangenen ihre Besuche schnell absolvieren, aber leider besteht die Politik der Gefängnisbehörden darin, die Besucher immer in Gruppen von jeweils zehn Personen hineinzulassen. Um die blaue Besucherkarte zu bekommen, muss der Besucher den Namen des Gefangenen, den Namen des Vaters des Gefangenen und den Namen des Besuchers angeben, der ein direktes Familienmitglied des Gefangenen zu sein hat, also Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Ehefrau/-mann, Kinder.

Die Familien der politischen Gefangenen kommen jeden Tag ab 8 Uhr Morgens in der Besucherhalle an. Die für die Besuche zuständigen Gefängnismitarbeiter kommen jedoch erst gegen 9 Uhr zur Arbeit. Die vorgesehene Besuchszeit dauert bis 14 Uhr. Diejenigen, die ihre Besucherkarte und somit die Besuchserlaubnis erhalten haben, dürfen auch nach 14 Uhr in der Halle bleiben, bis sie ihre Besuche erledigt haben. Zuerst müssen sie jedoch die Karte erhalten. Dann wird geprüft, ob der Gefangene Besuch erhalten darf oder nicht, und nachdem die Angehörigen des Gefangenen die Besuchserlaubnis erhalten haben, werden schließlich die Namen von Gefangenen ausgerufen, und die Familien erfahren, dass sie sich für den Besuch ein Stockwerk höher einfinden müssen. Ein sehr langwieriger Prozess. Viele der Besucher sind Eltern im fortgeschrittenen Alter, und das lange Warten kann für sie schwierig werden. Wichtig ist, dass nur zwei Angestellte und ein Soldat sich um die große Zahl der Besucher kümmern. Die beiden Angestellten wechseln sich erst bei der Abfertigung der Schlange der Frauen [oder „für die weiblichen Gefangenen“], dann bei den Männern ab, während sie Fragen beantworten.

Manchmal kommt es zwischen den Familien zu kleinen Streitereien über die Beachtung der Reihenfolge, was den Offiziellen im Evin-Gefängnis Freude zu bereiten scheint, aber es gibt immer Leute unter den Wartenden, die den Streit sofort beenden mit den Worten: „Wir sollten uns hier nicht streiten, während unsere Lieben im Gefängnis sind“, dann stimmen andere zu; und das Thema ist beendet, das manchmal, wie diesen letzten Donnerstag, für die Familien noch zusätzlichen Stress und zusätzliche Anspannung verursacht, besonders für die Älteren, die dann manchmal Herzschmerzen, Wadenkrämpfe und ähnliche Probleme haben. Letzten Donnerstag fiel der Vater eines politischen Gefangenen plötzlich zu Boden, und selbst als man ihm sagte, er könne jetzt gehen und seinen Sohn besuchen, konnte er sich nicht von der Stelle bewegen, wo er hingefallen war. Eine Ärztin, die ebenfalls gekommen war, um einen Verwandten zu besuchen, kümmerte sich 30 Minuten lang um ihn und versuchte, ihn wieder auf die Beine zu bringen. Irgendwann gelang es unter großen Schwierigkeiten, ihn aus der Gefängnishalle zu bringen. Diese Szene war so schrecklich, dass einer der beiden Angestellten hinter der Glaswand hervorkam und sagte, er könne ihn auf dem Rücken zu seinem Sohn tragen, damit der Besuch stattfinden könne. Diese Besuche bergen viel Stress in sich, denn selbst nach vielen Stunden weiß man nicht, ob man seinen Verwandten sehen wird oder nicht.

Zum Beispiel die Familie von Hamzeh Karami, der seit neun Monaten in Evin ist. Seine Familie hat noch immer keinen regelmäßigen Besuchsrhythmus. Selbst wenn sie ihre Karte früh Morgens abgeben und eine Besuchserlaubnis erhalten, ist Familie Karami immer die letzte, die erfolgreich einen Besuch abstatten kann. Aber warum schicken sie immer jeweils Zehnergruppen hinein? Es wird gesagt, dass alle Gespräche aufgezeichnet werden, und um eine bessere Qualität zu erzielen, werden kleinere Gruppen gebildet. Die Familien der Gefangenen haben für ihren Besuch 20 Minuten Zeit. Diese Zeit kann aber für viele Familien auf 3 bis 5 Minuten beschränkt werden, vor allem für diejenigen, denen ein Besuch nach 13 Uhr zugeteilt wurde, denn wenn viele Besucher da sind, müssen sie die Besuche zum Ende hin kürzer werden. Vielleicht gibt es auch noch einen anderen Grund – das Verhalten des Gefangenen, und wie zufrieden die Gefängnisbehörden damit sind. Das steht an den Wänden der Besucherhalle.

Bei jedem Besuch können die Familien bei dem Beamten in der Besucherhalle zusammen mit ihrem Besucherantrag eine Einzahlung vornehmen, die zwischen 10.000 und 50.000 Toman liegt. Die Glücklichen, die eine Besuchserlaubnis haben, können ihren Angehörigen außer Kleidung auch Nahrungsmittel mitbringen, und sie können ihre Lieben in die Arme schließen. Natürlich darf das nur in Anwesenheit eines Beamten geschehen, auf Bitte der Familie, mit der Genehmigung des Befragers, und es erfordert Hartnäckigkeit seitens der Familie des Gefangenen. Und natürlich betrifft das eher diejenigen, die schon seit mehreren Monaten im Gefängnis sind.

Die meisten Besuche finden in Kabinen statt. Wer schon mehrere Monate im Gefängnis ist, darf höchstens einen persönlichen Besuch pro Monat empfangen. Allerdings gibt es im Moment keine besondere Regel. Natürlich kann es entscheidend sein, ob man einen freundlichen Befrager hat.

Gespräche werden aufgezeichnet, aber viele Besucher und Gefangene übermitteln sich Botschaften durch Handzeichen oder Ablesen von den Lippen, manche Fragen werden mit Gesten gestellt. Es gibt Beispiele dafür, dass Gefangene für die Zukunft Besuchsverbote erhalten, wenn sie bestimmte Dinge sagen, vor allem dann, wenn der Gefangene aus dem Gefängnis heraus seine Familie anruft und der Befrager dabei ist und die Telefongespräche aufgezeichnet werden. Alle Gefangenen wissen, dass es für sie Verschlechterungen bringen kann, wenn bestimmte Dinge ausgesprochen werden. Bei Besuchen in der Kabine sind Beamte anwesend, und es ist schon vorgekommen, dass mitten in einem Besuch der Vorhang in der Glasabtrennung plötzlich heruntergelassen und der Ton abgestellt wird.

Wenn eine Besuchserlaubnis erteilt wird, gibt es viele Tränen, Umarmungen und Freude unter Tränen. Sie weinen normalerweise unten in der Halle und vor der Tür, um nicht vor den Gefangenen oben weinen zu müssen. Sie wollen, dass der Gefangene in guter Stimmung bleibt.
Wer keine Besuchserlaubnis bekommt, weint auch, das ist natürlich eine andere Art des Weinens als bei denen, die eine Erlaubnis bekommen haben. Sie bitten und betteln und sagen vielleicht, dass sie von weither angereist sind. In manchen Fällen haben die Bitten Erfolg, aber nur sehr selten.

Iran gleicht Freilassung von 5 Dissidenten mit weiteren Verhaftungen aus

Veröffentlicht auf Radio Zamaaneh am 4. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.zamaaneh.com/enzam/2010/03/iran-balances-release-of.html
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

(Archivbild)

Die iranischen Behörden haben fünf der nach den Wahlen inhaftierten Verhafteten freigelassen. Morteza Kazemian, Vorstandsmitglied des Vereins zur Verteidigung der Pressefreiheit, ist nach 60 Tagen Einzelhaft gegen Kaution entlassen worden.

Nooshin Jafari, Reporterin für die am Montag verbotene Tageszeitung Etemad, und Niloofar Laripour, Reporterin bei Chelcheragh, sind nach einem Monat in Evin freigelassen worden.

Rashid Esmaili, Mitglied des politischen Rates der Studentenorganisation Danesh-Amoukhtegan, wurde gegen eine Kaution von 40 Millionen Rial (etwa 40.000 Dollar) freigelassen. Er war vor mehr als 2 Monaten vom Geheimdienstministerium Isfahan festgenommen worden.

Sina Shokouhi, ein studentischer Aktivist und Mitarbeiter [„member“] der Zentrale Mehdi Karroubis, ist nach 100 Tagen Haft ebenfalls gegen Kaution freigelassen worden.

Trotz der Entlassungsserie der letzten Wochen verhaftet die Islamische Republik fast täglich weitere Regierungskritiker.

Iqan Shahidi und Sama Noorani, zwei vom Studium suspendierte Baha’i, wurden gestern von Sicherheitskräften verhaftet.

Rasoul Imanzadeh, Mitglied der Zentrale Mir Hossein Moussavis in der Provinz Ost-Aserbaidjan, wurde ebenfalls gestern verhaftet.

Nach der 10. Präsidentschaftswahl in Iran sind mehr als 5000 Menschen verhaftet worden. Viele bekannte politische und soziale Aktivisten sind unter den Inhaftierten, viele von ihnen haben lange Gefängnisstrafen erhalten.

Neday-e Sabz-e Azadi berichtet, dass der Journalist und studentische Aktivist Peyman Aref zu einem Jahr Gefängnis und 74 Peitschenhieben verurteilt wurde. Aref war von der Anklage der „Mitgliedschaft in einer staatsgefährdenden Gruppe“ freigesprochen worden.

Im Gerichtsurteil heißt es: „Das Gericht erkennt die Geschichte des Angeklagten an und meint,
dass diese Strafe für sein Verbrechen nicht angemessen ist. Daher, folgend der 19. Klausel des Islamischen Strafgesetzbuches, spricht das Gericht ein lebenslanges Verbot journalistischer Tätigkeit und Zusammenarbeit mit allen politischen Parteien gegen den Angeklagten aus.“

In den letzten acht Monaten wurden viele Journalisten und Universitätsstudenten zu schweren [Haft-]Strafen zwischen 6 Monaten und 15 Jahren verurteilt. Heute ist ein Student der Universität Damghan sogar zum Tode verurteilt worden.

Dorsa Sobhanis Vater geschlagen und zur Auslieferung seiner Tochter aufgefordert

Veröffentlicht auf RAHANA am 4. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.rhairan.org/en/?p=1445
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Dorsa Sbhanis Vater ist heute beim Verlassen seines Hauses von 6 Geheimdienstagenten angegriffen worden.

RAHANA – Dorsa Sobhanis ist beim Verlassen seines Hauses in Sari von 6 Geheimdienstagenten angegriffen worden. Sobhani wurde heftig geschlagen und mit verbundenen Augen und in Handschellen abgeführt. Er wurde 4 Stunden lang verhört. Die Agenten teilten ihm mit, wenn er seine Tochter Dorsa nicht bis Samstag ausliefert, werde er gemeinsam mit seiner Frau und seiner zweiten Tochter verhaftet, das Haus werde konfisziert.
Wie CHRR [Committee of Human Rights Reporters] mitteilt, war das Haus der Familie Sobhani in den frühen Morgenstunden des 3. März (Mittwoch) durchsucht worden. Anlass war die versuchte Verhaftung von Dorsa, die zur Zeit der Durchsuchung nicht zu Hause war.
Dorsa Sobhani ist Mitglied der Kampagne „Eine Million Unterschriften“. Wegen ihres Baha’i-Glaubens wurde sie nicht zum Universitätsstudium zugelassen. Sie ist aktiv in der Bewegung für Bildungsrechte.

Christliche Gemeinden in Iran immer stärker unter Druck: Pfarrer Wilson Issavi gefoltert

Veröffentlicht auf RAHANA am 4. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.rhairan.org/en/?p=1420
Deutsche Übersetzung: Günter Haberland, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Die Ehefrau des inhaftierten assyrischen Leiters der evangelischen Kirche zu Kermanshah beschreibt seinen Zustand nach einem Besuch im Gefängnis als furchtbar.

RAHANA – Pfarrer Issavi wies nach Aussage seiner Frau Medline Nazanin am Körper sichtbare Folterspuren auf, als sie ihn im Gefängnis besuchte. Ein Geheimdienstmitarbeiter sagte Nazanin, der Priester werde möglicherweise zum Tode verurteilt.

Pfarrer Wilson Assavi, der assyrische Führer der evangelischen Gemeinde von Karmanshah wurde am 2. Februar 2010 von Agenten des Geheimdienstministeriums verhaftet, als er in Shahin Shahr/Isfahan einen seiner alten Freunde besuchte. Er wurde an einen geheimgehaltenen Ort verbracht. Vorher, am 3. Januar, war in Pfarrer Issavis Haus in Isfahan von Geheimdienstagenten eine Razzia durchgeführt worden. Seine Kirche, eine der ältesten in Kermanshah, wurde versiegelt und seine Gemeidemitglieder wurden unter Beobachtung gestellt.

Seiner Frau zufolge wird der Pfarrer in einem nicht gekennzeichneten Gefängnis an der alten Shahin-Shahr-Straße festgehalten. Ihr wurde seit seiner Verhaftung nur ein Mal erlaubt, ihn zu besuchen. Sie berichtet, der Priester habe sichtbare Zeichen von Folter an seinem Körper und sei in einem schrecklichen Zustand. Die Gefängnisleitung habe ihr gesagt, ihr Mann sei wegen der Durchführung von Taufen und der Bekehrung von Muslimen zum Christentum angeklagt und „erwarte seinen Prozess und sein Todesurteil“.

Am Sonntag, 28. Februar, überfielen Geheimdienstagenten das Haus von Hamid Shafiee und seiner Frau Reyhaneh Aghari, zweier bekannter (Haus-)Kirchenführer Isfahans. Das Paar wurde verhaftet und an einen unbekannten Ort gebracht, einige Gegenstände ihrer persönlichen Habseligkeiten, einschließlich Bücher und CDs, wurden von den Agenten beschlagnahmt.

In den letzten Monaten mussten die Versammlungen der Gotteskirche unter dem Druck der Regierung ihre Treffen am Freitagabend einstellen, und die assyrische Pfingstgemeinde „Shahre Ara“ in Teheran wurde gezwungen, ihre Türen zu schließen.

Tod, Verwirrung und Geistliche in Iran: Der Fall Mohammad Amin Valian

Veröffentlicht auf Enduring America am 4. März 2010
Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2010/03/04/death-confusion-and-clerics-in-iran-the-case-of-mohammad-amin-valian/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

Noch immer haben wir keine Bestätigung für das Todesurteil wegen „Moharebeh“ (Krieg gegen Gott), das angeblich gegen Mohammad Amin Valian erlassen wurde. Was wir aber haben, sind Nachrichten über einige vielbeachtete politische und religiöse Schritte, die auf tiefliegendere Probleme der Islamischen Republik hindeuten könnten. Mr Verde analyisert.

Ayatollah Sanei hat auf die Frage „Was sind die Kriterien, anhand derer jemand als Mohareb identifiziert werden kann, und wie ist Moharebeh zu bestrafen?“ eine Fatwa (einen religiösen Erlass) auf seiner Webseite veröffentlicht.

Die Fatwa beschreibt, was Moharebeh eigentlich ist (was nach meinem Verständnis ganz klar nicht die Aktionen von Protestteilnehmern einschließt, nicht einmal die von Ashura/27. Dezember). Wichtiger noch, die Fatwa besagt, dass unter bestimmten Bedingungen, wenn Menschen für ihre Rechte protestieren, ihr Einstehen für diese Rechte nicht nur erlaubt, sondern sogar obligatorisch ist. (Sanei verwendet [für „obligatorisch“] das Wort „vajeb“, ein Wort, das, wenn in Fatwas benutzt, sehr stark ist. Z. B. wird „vajeb“ im Zusammenhang mit den täglichen Gebeten (namaz), dem Fasten im Ramadan (roozeh) und der Pilgerfahrt nach Mekka (Hajj).)

Außer Saneis Fatwas gibt es Gerüchte, dass Ayatollah Mostafa Mohaghegh Damad bei den Großayatollahs in Qom dafür wirbt, Fatwas zu erlassen, um die Hinrichtung Valians zu stoppen. Wie Enduring America berichtete, hatte Großayatollah Makarem Shirazi bestritten, jemals eine Fatwa erlassen zu haben, in der die Hinrichtung von Protestteilnehmern gefordert wird, auch nicht die von Teilnehmern der Proteste an Ashura.

(Randbemerkung: Sowohl die Fatwa von Sanei als auch das Dementi von Makarem Shirazi kamen im Vorfeld des Geburtstags des Propheten, was darauf hindeuten könnte, für wie wichtig sie die Angelegenheit halten).

Wir wissen, dass die Fatwa Saneis und das Dementi Makarem Shirazis authentisch sind: Sie wurden jeweils auf den eigenen Webseiten der Geistlichen veröffentlicht. Worüber wir noch keine Sicherheit haben, ist die Initiative von Mohaghegh Damad. Ich denke aber, dass diese Nachricht stimmen könnte. Warum? Weil sein Name schon immer in Zusammenhang mit einem angeblichen Protest an Justizchef Sadegh Larijani gegen die beiden Hinrichtungen im Januar gefallen ist.

Normalerweise spricht die Geistlichkeit nicht viel über ihre Aktionen hinter den Kulissen (sie veröffentlichen nicht gern, was sie tun). Wenn hingegen etwas Unwahres darüber gesagt wird, was sie sagen oder tun, veröffentlichen sie normalerweise strenge Dementi. So wie Makarem Shirazi es jetzt getan hat. Makarem hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht nur nicht will, dass Menschen hingerichtet werden, sondern im Gegenteil – er will, dass sie freigelassen werden.

Wenn alles von dem, was oben gesagt wurde, stimmt, könnten wir Zeugen einer neuen Front (besser gesagt eines neuen Risses) innerhalb des Regimes werden:

Sanei unterstützt das reformerische Lager. Mit seinen Fatwas watscht er normalerweise Ayatollah Khamenei ab, der – nicht zufällig – geringere religiöse Qualifikationen vorzuweisen hat.

Weder Mohaghegh Damad noch Makarem Shirazi sind Reformer. Sie sind konservative Geistliche, die gute religiöse Qualifikationen haben. Wir könnten also gerade erleben, wie sich diese konservativen Geistlichen von den Handlungen des Regimes, also auch von denen des Obersten Führers, zu distanzieren versuchen.

Wenn dieser Prozess sich fortsetzt, wird das Regime (und damit auch Khamenei, was bedeutungsschwerer wäre) entweder nachgeben müssen, oder es wird sich noch stärker als bisher auf das Militär und weniger auf die eigene religiöse Legitimität verlassen müssen (die öffentliche Legitimität existiert nicht mehr).

Dies wäre das erste Mal, dass sich reformorientierte und konservative Geistliche öffentlich verbünden. Dies könnte auch Hashemi Rafsanjanis Rede vom Mittwoch eine andere Bedeutung verleihen.

Für Khamenei kann das nichts Gutes bedeuten.