Tagesarchiv: 9. März 2010

Iranische Justiz macht 12 Beamten wegen Verletzung von Häftlingsrechten den Prozess

Veröffentlicht auf Radio Zamaaneh am 9. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.zamaaneh.com/enzam/2010/03/iranian-judiciary-puts-12.html
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

Amir Javadi Langeroodi, Mohsen Rouholamini, Mohammad Kamrani

In Iran haben die Behörden die Gerichtsverfahren gegen 12 Polizisten eröffnet, denen vorgeworfen wird, im vergangenen Sommer Rechte von Häftlingen in der Haftanstalt Kahrizak verletzt und den Tod von mindestens drei Menschen verursacht zu haben.

ILNA zufolge fand das Verfahren heute in der Justizabteilung der bewaffneten Streitkräfte unter Vorsitz von Richter Mohammad Mossadegh hinter verschlossenen Türen statt. Die Familien der Opfer sowie weitere Ankläger und ihre Anwälte waren zugegen.

Bei der Eröffnung der Sitzung erklärte Richter Mossadegh, das Ziel des Verfahrens sei es, „die Wahrheit zu finden und Gerechtigkeit walten zu lassen“, und die gerichtliche Verfolgung einiger weniger Beamter bedeute nicht, dass man die „harte Arbeit der Sicherheitskräfte“ in Frage stelle.

Die Inhalte der Sitzung könnten nicht öffentlich gemacht werden, so Mossadegh: „Die Akte enthält zum Teil gewisse Informationen, die bei einer Veröffentlichung die allgemeine Ordnung der Gesellschaft beschädigen könnten.“

Nach Verlesung der Anklageschrift trugen der Vater Mohammad Kamranis und weitere Ankläger ihre Anliegen vor.

Der 18jährige Mohammad Kamrani war am 10. Juni [das Datum stimmt nicht, es war am 9. Juli 2009, bei der Demonstration am 7. Tir] in Teheran verhaftet und nach Kahrizak gebracht worden. Sieben Tage später starb er an den Folgen der Folter durch seine Kerkermeister.

Eine parlamentarische Untersuchung des Falls Kahrizak, über die ein offizieller Bericht erstellt wurde, bestätigte, dass etwa 150 der nach den Wahlen Inhaftierten in dieser Haftanstalt untergebracht wurden und dort von den diensthabenden Beamten „ruppig behandelt“ wurden.

Der Bericht, der im Dezember im Parlament verlesen wurde, bestätigte außerdem, dass drei Menschen – Mohsen Rouholamini, Amir Javadifar [Javadi Langeroodi] und Mohammad Kamrani in Kahrizak getötet wurden.

Im Februar hatte der Vater von Mohsen Rouholamini, der bekannte iranische Politiker Abdolhossein Rouholamini, erklärt, es habe in Kahrizak ein weiteres Folteropfer gegeben. Bei dem Opfer handele es sich um Ramin Aghazadeh Ghahremani.

Der Fall Kahrizak hat das Establishment der Islamischen Republik in große Verlegenheit gebracht, alle Versuche, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren und die Vorwürfe abzustreiten, schlugen fehl, weil die Angehörigen der Opfer und die Opposition nicht aufhörten, Nachrichten über die Verbrechen in Kahrizak zu veröffentlichen und Gerechtigkeit zu fordern.

Hohe Kautionen: Freilassung von Gefangenen, oder Geiselnahme durch die Justiz?

Veröffentlicht auf ICHRI am 9. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2010/03/heavy-bails-releasing-the-prisoners-or-new-hostage-taking-by-the-judiciary/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

(Analyse) – Die Nachricht von der Freilassung Abdollah Momenis gegen eine hohe Kaution von ca. 800.000 Dollar erweckt den Eindruck, dass die Justiz nicht Kautionen festsetzt, sondern Lösegelder. Schaut man sich die unzumutbar hohen Kautionssummen an, die die meisten der in den letzten Monaten gegen Kaution entlassenen politischen Gefangenen hinterlegen mussten, so scheinen die Betroffenen in der Tat Geiseln des Justizsystems zu sein.

Einige der Kautionssummen übersteigen die Summe, die die jeweiligen Gefangenen in 100 Jahren verdienen würden. Zur Zeit warten Hunderte von politischen, studentischen und zivilen Aktivisten und Journalisten, die gegen hohe Kautionen freigelassen wurden, entweder auf den Vollzug ihrer Urteile oder sehen sich infolge der Kautionssummen neuen Problemen gegenüber.

Abdollah Momeni: $ 800.000, vorläufig freigelassen 6. März 2010
Mohammad Ali Abtahi: $ 700.000, freigelassen 22. November 2009
Ahmad Zeid Abadi: $ 500.000, noch im Gefängnis
Seyed Ahmad Ahmadian: $500.000, freigelassen 25. Dezember 2009
Zia Nabavi: $ 500.000, noch im Gefängnis
Mohammad Ali Dadkhah: $ 500.000, freigelassen 11. September 2009
Maziar Bahar: $ 300,000, freigelassen 17. Oktober 2009
Clotilde Reiss: $ 300.000, freigelassen 17. August 2009
Mansoureh Shojaee: $ 250.000, freigelassen 26. Januar 2010
Mohammad Davari: $ 200.000, noch im Gefängnis, kann Kaution nicht aufbringen
Shiva Nazar Ahari: $ 200.000, freigelassen 23. September 2009, am 20. Dezember 2009 nochmals verhaftet, derzeit im Gefängnis
Hesam Salamat, $ 200.000, freigelassen 19. August 2009, bestätigtes Urteil auf drei Jahre
Mahsa Amrabadi: $ 200.000, freigelassen 24. August 2009
Mohammad Ghoochani: $ 200.000, freigelassen 30. Oktober 2009
M. Reza Jalaeepour: $ 200.000, freigelassen 14. September 2009

Für Fazlollah Arab Sorkhi, ein Mitglied der Organisation der Islamischen Mojaheddin, ist eine Kaution von etwa 1 Million Dollar angeordnet worden. Behzad Nabavi, ebenfalls Mitglied der Organisation der Islamischen Mojaheddin und ehemaliger stellvertretender Sprecher des iranischen Parlaments, ist im vergangenen November gegen eine Kaution in Höhe von 800.000 Dollar freigelassen worden. Selbst für den studentischen Aktivisten Peyman Aref wurden 100.000 Dollar Kaution festgesetzt.

ICHRI fordert die iranische Justiz auf, dem Trend zu hohen und unzumutbaren Kautionen ein Ende zu setzen, die dem iranischen Gesetz widersprechen, und die Misshandlung und Schikanierung der Familien von politischen Gefangenen einzustellen.

Die iranischen Justizbehörden, die unter dem Druck der öffentlichen Meinung keine andere Wahl haben als Hunderte von nach den Wahlen grundlos verhafteten Personen freizulassen, haben entweder politische Gefangene in Prozessen, die die grundlegendsten internationalen Standards für faire und objektive Verfahren außer Acht ließen, zu schweren Strafen verurteilt, oder sie haben unverhältnismäßig hohe Kautionssummen für sie festgesetzt.

Viele politische Gefangene haben Kautionen auferlegt bekommen, die ihre finanziellen Möglichkeiten um das Zehnfache übersteigen. Sie nehmen die Hilfe von Freunden, Familie und Verwandtschaft in Anspruch, um die Summen aufzubringen. Da die Kautionen aber manchmal jahrelang bei der Justiz verbleiben, ohne dass jemals ein endgültiger Prozess einberufen wird, stehen die Familien vor großen Problemen.

Hintergrund:
Artikel 132 des iranischen Strafgesetzbuches, das im Jahre 1999 verabschiedet wurde, sieht das Mittel der Kaution vor, um zu gewährleisten, dass die Justiz Zugriff auf den Verdächtigen und nötigenfalls auf seine planmäßige Anwesenheit vor Gericht hat, sowie um Flucht, Untertauchen oder Aufruhr zu verhindern. Der Artikel unterstreicht: „Der Richter ist verantwortlich für die Festlegung einer Sicherheitsmaßnahme, sobald dem Tatverdächtigen seine Anklage mitgeteilt wurde.“

Absatz 4 dieses Artikels führt „den Erhalt der Kaution in bar, per Bankbürgschaft oder in Form von Immobilien oder anderem Besitz“ als Mittel für die Gerichte an, durch das sie auch nach der Freilassung des Tatverdächtigen Zugriff auf diesen haben. In einem Hinweis zu diesem Artikel wird erklärt: „Zu beachten: Der Richter muss dem Bürgen bzw. dem Zahler der Kaution (in dem Fall, dass dieser nicht der Tatverdächtige ist) die Annahme eines Bürgen [? sinngemäß für „custodianship“] oder der Kaution bescheinigen und erklären, dass die hinterlegte Kaution gemäß dem Gesetz einbehalten wird, wenn der Tatverdächtige bei einer Vorladung unentschuldigt nicht erscheint, oder wenn der Bürge bzw. der Zahler der Kaution es versäumt, den Tatverdächtigen dem Gericht zuzuführen.“

Die Richter haben also Intellektuelle und politische Aktivisten mit Kautionen in Höhe von mehreren Millionen Toman (mehreren hunderttausend Dollar) belegt, während das Gesetz den Richtern hinsichtlich der Höhe der Kautionen Grenzen setzt. In Artikel 134 des besagten Strafgesetzbuches heißt es: „Die Höhe der Kaution muss verhältnismäßig sein zur Schwere des Verbrechens, zur Härte der Strafe, zu den Gründen und Mitteln der Anklagen und zur Wahrscheinlichkeit einer Flucht des Tatverdächtigen oder der Beseitigung von Beweismaterial, sowie zum Gesundheitszustand, Alter und zur Reputation des Tatverdächtigen.“

Die Kaution wird von der iranischen Justiz verwahrt. In Artikel 139 des Strafgesetzbuches heißt es: „Wenn der Tatverdächtige zur festgesetzten Zeit erscheint, oder aber unter Angabe einer angemessenen Entschuldigung verspätet erscheint, oder wenn der Fall abgeschlossen ist, so wird die Kaution erstattet, bzw. der Bürge wird von seiner Verantwortung entlastet.“

Majid Tavakoli bleibt in Einzelhaft, erwartet neue Anschuldigungen

Veröffentlicht auf RAHANA am 8. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.rhairan.org/en/?p=1621
Deutsche Übersetzung: Günter Haberland, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Majid Tavakoli bleibt auch Wochen nach seiner Verurteilung zu einer langen Haftstrafe durch das Revolutionsgericht in Einzelhaft. Während seiner Vernehmung war Tavakoli von den Ermittlern heftig geschlagen worden.

Einem RAHANA-Reporter zufolge durfte Tavakoli seit seiner Verhaftung am 7. Dezember 2009 nur am Tag nach seinem Prozess mit seiner Familie telefonieren; sein Bruder besuchte ihn ein Mal im Gefängnis in Begleitung von Wächtern.

Gegen den Studentenaktivisten wurde durch Richter Salavati von der 15. Abteilung des Revolutionsgerichts ohne Anwesenheit eines Anwalts verhandelt und er wurde zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Ein neues Verfahren gegen Tavakoli wurde vor dem Revolutionsgericht eingeleitet, und ihn erwarten neue Beschuldigungen im Zusammenhang mit einer studentischen Zeitschrift – Khat-e Sefr (Line Zero) -, deren Leiter er bis zu ihrem Verbot 2006 war.

Es scheint, dass dieses Verfahren, das ursprünglich am öffentlichen Verwaltungsgericht anhängig war, nach einer Beschwerde der IRGC (der Revolutionsgarden) jetzt dem Revolutionsgericht übertragen worden ist. Die neue Anklage einer Beleidigung des Führers ist in das alte Verfahren einbezogen worden, um weiterhin Druck auf den Studentenführer auszuüben.

Die neuen Beschuldigungen und der laufende Druck auf Tavakoli sind Teil der Rachemaßnahmen der Justiz- und Geheimdienstbehörden als Vergeltung für seine in der Vergangenheit geübte Kritik am Führer, einschließlich seiner Rede am 7. Dezember an der Amir Kabir Universität.

Majid Tavakoli hat insgesamt 20 Monate in Haft verbracht – einschließlich der Zeit während früherer Verhaftungen -, davon 7 Monate in Einzelhaft.

Vor seinem Prozess hat ihn Teherans Generalstaatsanwalt Jafari Dowlatabadii im Evin-Gefängnis besucht. Dabei forderte der Generalstaatsanwalt ihn auf, sich den Anordnungen der Vernehmungsbeamten zu fügen, zu bereuen und im Prozess dem Führer Abbitte zu leisten. Trotz der Drohung mit einer empfindlichen Gefängnisstrafe behauptete sich Tavakoli sowohl beim Besuch des Generalstaatsanwalts als auch während seines Prozesses. Sein Trotz gegenüber allen vergangenen und gegenwärtigen Drohungen haben die Behörden klar erzürnt, die daraufhin ihren illegalen Druck erhöhten, um Tavakoli zu brechen.

Arbeiter protestieren vor dem Industrieministerium

Veröffentlicht auf Green Voice of Freedom am 9. März 2010
Quelle (Englisch): http://en.irangreenvoice.com/article/2010/mar/09/1433
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

GVF – Heute Morgen sind Arbeiter der Firma „Iranian Telecommunication Industry“ (ITI) in Teheran eingetroffen, um vor dem Ministerium für Industrie und Minenwesen ihre Beschwerden zu artikulieren.

Wie die Nachrichtenagentur ILNA (Iranian Labour News Agency) mitteilt, kam es zu den Protesten, nachdem das Ministerium sich entgegen früherer Versprechungen geweigert hatte, die Forderungen der Arbeiter zu erfüllen.

Einer der Arbeiter sagte ILNA gegenüber: „Wir haben Probleme, weil wir seit 13 Monaten keine Gehälter mehr bekommen haben. Die Arbeiter sind kurz vor Neujahr aus Shiraz nach Teheran gekommen, um ihre Forderungen zu unterstreichen, um die die Regierung versprochen hatte, sich zu kümmern. Sie (die Arbeiter) werden nicht mit leeren Händen wieder nach Hause fahren.“

Vergangene Woche waren 200 Arbeiter einer zu ITI gehörenden Produktionsstätte nach Teheran gekommen, um von der illegitimen Regierung ihre Rechte einzufordern. Die Regierung hatte daraufhin zugesagt, die ausstehenden Löhne in Höhe von insgesamt 2 Millionen Dollar bis Samstag auszuzahlen. Wie auch in anderen Fällen war auch diese Zusage der iranischen Regierung nur eine weitere leere Versprechung. Vier Tage nach dem vom Industrieministerium zugesagten Termin waren die Löhne noch immer nicht bezahlt.

ITI befindet sich in der historischen Stadt Shiraz und beschäftigt 700 Arbeiter. Aus Geldmangel konnte die Firma ihren Arbeitern in den letzten 13 Monaten keine Löhne auszahlen. ITI ist nur eine von vielen Firmen, die ihre Arbeiter nicht bezahlen kann. Ahmadinejads desaströse Wirtschaftspolitik hat dafür gesorgt, dass die Situation der Arbeiter sich seit seinem Amtsantritt im Jahre 2005 und in seiner zweiten Amtszeit nach dem Wahlbetrug im Juni 2009 kontinuierlich verschlechtert hat.

Morteza Semyari gegen 600.000 Dollar Kaution freigelassen

Veröffentlicht auf ICHRI am 9. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2010/03/morteza-semyari-released-on-600000-bail/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Der Sekretär für Sozialfragen der Organisation Daftar-e Tahkim-e Vahdat, Morteza Semyari, ist gegen eine Kaution in Höhe von 600 Millionen Toman (ca. 600.000 Toman) und [unter der Auflage einer] Bürgschaft [? „custodianship“] freigelassen worden.

Die Anordnungen zur Freilassung Semyaris aus Trakt 209 von Evin waren erfolgt, nachdem seine Kaution in Höhe von 500.000 Dollar sowie die Bürgschaft [custodianship] in Höhe von 100.000 Dollar hinterlegt worden waren. „Familie Semyari hatte mitgeteilt, dass sie niemals in der Lage sein würde, eine solch hohe und unzumutbare Kaution zu zahlen“, hatte ein studentischer Aktivist ICHRI gegenüber gesagt. „Seine Onkel haben die Kaution aufgebracht, indem sie drei Häuser verpfändeten, wodurch sie 500 Millionen Toman, also den Großteil der Kaution, aufbringen konnten.“

Semyari war am 4. Januar verhaftet worden, weil er angeblich ein Treffen mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments gehabt haben soll – ein Vorwurf, der nicht zutrifft. Er war in einem Schauprozess unter Vorsitz von Richter Salavati zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach der Verhaftung Semyaris wegen dieses nicht zustandegekommenen Treffens mit einer Sonderdelegation des Europäischen Parlaments, das während einer später abgesagten Reise stattfinden sollte, hatte Barbara Lochbihler in einem Brief an den iranischen Botschafter in Brüssel gegen diese illegale Verhaftung protestiert.