Veröffentlicht auf Rooz Online am 17. März 2010
Quelle (Englisch): http://www.roozonline.com/english/news/newsitem/article/2010/march/17//interview-with-behzad-nabavis-interrogator.html
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin
Der Gesprächspartner in diesem Interview, das vom Magazin Panjere veröffentlicht wurde, wird vorgestellt als jemand, der nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Iran vor 9 Monaten an der Befragung und politischen Verfolgung vieler bekannter und weniger bekannter Häftlinge beteiligt war.
Hier sind die wichtigsten Auszüge aus dem Interview:
Frage: Wie wurde festgelegt, wer verhaftet werden sollte, und wie ging die Verhaftung vor sich?
* Alle Verhafteten hatten wegen ihrer Geschichte als Aktivisten Anteil an der turbulenten Atmosphäre der 10. Präsidentschaftswahlen. In der Tat hatten alle Verhafteten anfangs eine Führungsrolle inne – entweder hielten sie Reden, oder sie gaben Interviews, veröffentlichten Artikel etc. Zudem hatte der Geheimdienst- und Sicherheitsapparat Informationen darüber, dass einige Personen vorhatten, die Wahlen als Vorwand für Chaos und Unruhe im Namen einer sanften Revolution oder Farbenrevolution zu nutzen, wie sie auch in diversen anderen Ländern passierten.
* Generell kann man sagen, dass Prävention in allen Regierungen ein normaler und gewöhnlicher Prozess ist. So gibt es beispielsweise Prävention im Bereich des Gesundheitsministeriums, aber auch im Bereich der nationalen Sicherheit ist Prävention ein wichtiges Thema.
* Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die in der ersten Runde verhaftet wurden, und denen, die danach inhaftiert wurden. Die in der ersten Runde Verhafteten hatten die Rolle der Provokateure und Führer inne, während die anderen lediglich Frontkämpfer waren. Wir glaubten, wenn wir der ersten Gruppe der Planer und Führer habhaft geworden wären, würde die Farbenrevolution ihre Ziele nicht erreichen. Bis zu einem gewissen Punkt war diese Annahme richtig. Unser Ziel war, zu verhindern, dass sich die Opposition fokussiert und organisiert.
* Ein charakteristisches Merkmal von Farbenrevolutionen ist, dass revolutionäre Agenten innerhalb der Regierung präsent sind. Es ist sehr selten, dass eine Gruppe sowohl Teil der Regierung ist als auch der externen Opposition angehört. In unserem Falle hatten sich diese inneren Agenten der Revolution zunächst in der Regierung befunden und waren nach ihrem Ausscheiden zur Opposition gewechselt. Sie hatten ein zusätzliches Ziel, nämlich zu sagen, dass ein autoritäres Regierungssystem und eine Diktatur existieren. Politische Konzepte der Partizipationsfront besagen, dass Teile des herrschenden Establishments demokratisch werden müssen. Das ist Kritik, keine Reform. In Wirklichkeit ist dies Medienscharlatanerie, die sich diverser Lügen bedient.
* Die Geständnisse von Häftlingen wurden nicht unter Druck abgelegt oder erzwungen. Sie verwenden wunderschöne Beweisführungen und Schlussfolgerungen, und die Geständnisse darüber, dass es keinen Wahlbetrug gegeben hat, kommen dem Volk und dem Regime zu Gute.
* In beiden Fällen werden solche Leute von der Öffentlichkeit entweder gehasst oder geliebt. Wenn jemand gehasst wird, ist es irrelevant, ob er gesteht oder nicht, und in diesem Falle ist es im Interesse des Regimes, ihn zu verhaften. Wenn er aber angesehen ist und sagt, dass das Wort „Betrug“ [nur] ein Codewort für eine Operation war, dann ist dies im Interesse des Regimes. Diese Auseinandersetzungen sind sehr wichtig, zumal dann, wenn dieser Person der populärste Weblog in ganz Iran gehört.
* Behzad Nabavis Behauptung, dass die Haftbefehle am 9. Juni ausgestellt wurden, ist eine Lüge. Der Haftbefehl vom 9. Juni war ein allgemeiner Haftbefehl, der von der Justiz für den Sicherheitsapparat ausgestellt wurde.
* Ich halte die meisten der Verhaftungen für richtig, denn die Häftlinge waren auf irgendeine Weise an der sanften Revolution beteiligt – durch ihre Reden, ihre Vorwürfe bezüglich einer Diktatur etc. Die iranische Justiz war schwach. Jeder, der solche Dinge sagt, muss verfolgt werden. Wenn er seine Behauptungen nicht beweisen kann, muss er dem Gesetz entsprechend bestraft werden. Es hätten noch andere Leute verhaftet werden müssen, aber sie wurden nicht verhaftet.
Es muss also hinsichtlich der Verhaftungen eine Priorisierung gegeben haben, die sich nach dem Grad der Beteiligung am Prozess der sanften Revolution richtete. Mitglieder der Mosharekat-Partei (Partizipationsfront) sind Beispiele für Personen, die sich an dem Versuch beteiligten, das Regime zu säkularisieren.
* Die Freilassung vieler Gefangener nach dem 11. Februar ist ein kluger Zug, denn damit zeigt das Regime der Welt, dass sie die Ereignisse unter Kontrolle hat. Wir kennen islamische Gnade und lassen darum einige Häftlinge frei. Andere werden möglicherweise begnadigt, während wieder andere Haftstrafen absitzen müssen.