Veröffentlicht auf Enduring America am 18. März 2010
Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2010/03/18/iran-reading-mousavi-karroubi-the-fight-will-continue-shahryar/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Von Josh Shahryar
Nach den Protesten vom 11. Februar und einer Flaute im letzten Monat haben die beiden wichtigsten Persönlichkeiten der Opposition sich wieder geäußert und ihre Entschlossenheit untermauert, mit der sie sich der Bewegung zum Sturz von Präsident Ahmadinejad verschrieben haben. Obwohl die Rhetorik dieselbe ist wie bisher und klare Strategien oder Aktionspläne in beiden Reden fehlen, gibt es einige wichtige Aspekte in ihren Äußerungen, die bei näherem Hinsehen Bände sprechen darüber, wie die Bewegung seit ihrem Beginn gereift ist.
Das erste Signal dafür, dass die Grüne Bewegung lebt und gedeiht, wenn auch möglicherweise einen Veränderungsprozess durchläuft, kam von Mir Hossein Moussavi. In seiner Rede vor der Islamischen Iranischen Partizipationsfront sagte er:
„Mein Gefühl bezüglich der Zukunft ist, dass diese Bewegung unumkehrbar ist. Wir werden niemals an den Punkt zurückkehren, an dem wir vor einem Jahr standen. Ich habe große Hoffnungen für die Zukunft. Wir müssen Geduld und Hoffnung auf die Menschen übertragen. Wir müssen sie einladen, geduldig und ausdauernd zu sein. Wir werden an den Zielsetzungen der Grünen Bewegung festhalten, bis unsere Anstrengungen Früchte tragen.“
Den ersten Teil seiner Rede widmet Moussavi der Reformbewegung. Er räumt ein, dass die Bewegung sich ernsten Herausforderungen gegenüber sah und auch weiterhin gegenüber sieht, aber er erklärt gleichzeitig, dass die Bewegung weiter gehen wird. Dies ist ein Schlag ins Gesicht einer Regierung, die so gut wie alle im Buch der Diktatoren aufgeführten Taktiken angewandt hat, um eine Opposition zum Schweigen zu bringen, die Veränderungen will. Gleichzeitig erinnert er damit die Oppositionsbewegung daran, dass es Jahre dauern kann, bis die Veränderungen eintreten, und dass Aufgeben jetzt nicht in Frage kommt.
Mit anderen Worten: Dies ist ein Marathon, kein Sprint. Haltet eure Pferde zusammen, organisiert euch neu und kämpft weiter.
Dann spricht Moussavi über Beobachter von außen. Während die iranische Regierung immer wieder Rückendeckung von China und Russland erhalten hat, will Moussavi einen klaren Bruch mit der derzeitigen Politik der ständigen Rüffelung des Westens.
„Wir wollen unsere außenpolitischen Beziehungen auf der Basis nationaler Interessen regulieren, anstatt uns unzählige Feinde zu machen und uns mit jeder Äußerung weiter in die Richtung zu bewegen, dass wir [irgendwann] keinen einzigen Freund mehr haben. Wir dürfen keine Abenteurer sein. Unabhängigkeit ist ein Segen, den wir der Islamischen Revolution zu verdanken haben, und wir dürfen sie nicht aufs Spiel setzen. Wir haben gewisse Probleme mit den USA und Europa, aber wir sollten unsere Beziehungen gemäß unserer nationalen Interessen gestalten, nämlich Sicherheit, Schutz der territorialen Integrität, nationale Entwicklung und nationales Wachstum. Unsere Außenpolitik darf kein Abenteuer sein, und sie darf keine Spannungen erzeugen. Wir haben keinen verlässlichen Freund, auf den wir in schwierigen Situationen zählen können.“
Mit anderen Worten: Die gegenwärtige Politik der iranischen Regierung ist mangelhaft, und wenn die Grüne Bewegung sich durchsetzt, wird sie versuchen, die Beziehungen zum Westen zu reparieren. Damit hat Moussavi den Ball dem Westen zugespielt und gleichzeitig vermieden, China und Russland als Freunde des iranischen Volkes zu bezeichnen.
Schließlich entwirft Moussavi einen neuen Kurs für die Grüne Bewegung. Es ist nicht länger praktikabel, nur die gebildeten und städtischen Gesellschaftsschichten dafür zu gewinnen, die Opposition zu unterstützen. Die Bewegung muss über diese Grenzen hinausgehen, um mehr Verbündete zu gewinnen.
„Wenn die Bewegung vorwärtskommen will, muss sie sich im Volk ausbreiten. Wir müssen den Menschen erklären, dass der einzige Weg, um wirtschaftlichen Druck abzubauen, die steigenden Scheidungsraten zu reduzieren und viele andere Probleme zu lösen, die Rückkehr zur Verfassung ist.“
„Unter den gegebenen Umständen sollten wir nicht nur mit der Elite interagieren, sondern auch andere einflussreiche Gruppen einbeziehen, wie z. B. Lehrer und Arbeiter. Wir müssen ihnen die Situation erklären, um noch mehr Herzen und Köpfe zu gewinnen. Wir müssen erreichen, dass unsere Stimmen von allen gesellschaftlichen Klassen gehört werden.“
Wenn auch Moussavi die Regierung nicht so scharf kritisiert wie die Opposition es vielleicht erwartet hat, so hat Mehdi Karroubi – ebenfalls in einer Rede vor der Islamischen Iranischen Partizipationsfront – die Führung ergriffen und die Dinge ziemlich klar beim Namen genannt. Zunächst nahm er Ahmadinejad und Co. auseinander, weil sie BBC kritisieren und behaupten, ausländische Medien würden der Grünen Bewegung helfen. Er stellte die Frage, warum es keine Kritik an BBC gegeben habe, als BBC die „Revolution unterstützte“. Karroubi erinnerte seine Gegner daran, dass Ayatollah Khomeini alle Nachrichtenagenturen und Medien für seinen politischen Kampf gegen die Monarchie genutzt hat und dass niemand in der Islamsichen Republik ihn deswegen beschuldigen würde, Verbindungen zum Ausland zu unterhalten.
Am Ende seiner Rede sagte Karroubi das, worauf viele in der Grünen Bewegung gewartet hatten. In seiner bisher schärfsten Kritik am System erklärte Karroubi, die Islamische Republik, für die das Volk zu Beginn der Revolution gestimmt habe, sei „nicht die Islamische Republik, die wir heute haben.“
Beide Statements sind unumwundener und kühner als die, die Karroubi und Moussavi im Verlauf der Krise bisher abgegeben hatten. Vielleicht schlägt die Grüne Bewegung nach dem 11. Februar nun tatsächlich eine neue Richtung ein.