Veröffentlicht auf International Campaign for Human Rights in Iran am 1. April 2010
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2010/04/three-months-after-mofidis-imprisonment-tales-of-rough-treatment-in-prison/
Deutsche Übersetzung: @en2ge, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben
Die Töchter der bekannten iranischen Journalistin und Sekretärin der verbotenen iranischen Journalistenvereinigung Badrossadat Mofidi haben nach einem Besuch bei ihrer Mutter im Gefängnis vor Kurzem einen Brief veröffentlicht. Sie beschreiben darin den immensen psychologischen und körperlichen Druck, fortgesetzte und mit Gewalt einhergehende Verhöre, Einzelhaft, Verbot von Telefonaten mit der Familie, wiederholte Verlegung in andere Gefängniszellen und einen uneindeutigen juristischen Fall gegen ihre Mutter.
Badrossadat Mofidi berichtete, ihre Verhöre seien nicht auf ihre beruflichen Aktivitäten beschränkt, sondern bezögen sich auf die letzten 30 Jahre. ICHRI fordert die iranischen Justizbehörden auf, die illegale und unmenschliche Behandlung dieser Journalistin einzustellen und sie so bald wie möglich gegen Kaution freizulassen. Die Tatsache, dass auch drei Monate nach ihrer Inhaftierung noch keine Anklage gegen sie erhoben wurde und dass ihr Privatleben der letzten Jahre Thema der Verhöre ist, verstößt gegen das Bürgerrecht. Eine Fortsetzung dieses illegalen Vorgehens wird zu einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust der iranischen Justiz führen.
Angesichts der Herzprobleme, an denen Badrossadat Mofidi leidet, und der fortgesetzten Verhöre, die von ihr selbst als „gewaltsam“ beschrieben werden, macht ICHRI das iranische Informationsministerium und die Justiz für alle negativen Folgen verantwortlich, die sich für Frau Mofidis Gesundheit ergeben. Eine Fortsetzung dieser illegalen Inhaftierung verstößt gegen alle gesetzlichen und menschlichen Prinzipien.
Die Webseite Kalemeh hat den Brief veröffentlicht, den die beiden Töchter Mofidis geschrieben haben. Darin schreiben sie, ihre Mutter habe während ihres Besuchs immer wieder Koranverse erwähnt, in denen Menschen vom Tode bedroht sind. Ihre Mutter stehe psychologisch und körperlich so unter Druck, dass sie keinen Ausweg aus ihrer Situation sehe.
Badrossadat Mofidis Ehemann, Massoud Aghaee, ein politischer Aktivist der national-religiösen Richtung, war am 28. Dezember 2009 zusammen mit Frau Mofidi verhaftet worden. Nach 52 Tagen in Einzelhaft in der dem Informationsministerium zugeordneten Abteilung 240 war er gegen 500.000 Dollar Kaution freigelassen worden.
Badrossadat Mofidi, eine bekannte Journalistin, die früher als Parlamentsreporterin für Zeitungen wie Hayat-e No und Sharq arbeitete, war auch Sekretärin der iranischen Journalistenvereinigung. Diese war auf Anordnung der iranischen Behörden im vergangenen Jahr geschlossen worden. Die Vereinigung war die größte Journalistenorganisation Irans und vertrat kritische Positionen gegenüber der Politik der Regierung im Umgang mit Presse und Journalisten. Quellen aus dem nahen Umkreis Mofidis berichteten ICHRI, dass Mofidi in den Protesten nach der Wahl nicht aktiv war und nicht an Versammlungen teilgenommen hat. Ihre Verhaftung im Zusammenhang mit den Ereignissen vom Ashura-Tag sei unbegründet. Während der Kampagne gegen die iranische Journalistenvereinigung habe Badrossadat Mofidi die Entscheidung der Regierungsbehörden kritisiert und als illegal bezeichnet. Bis zum letzten Moment der Existenz der Vereinigung habe sie sich bei den Behörden für die Rechte der Presse eingesetzt und die Probleme thematisiert, der die Presse ausgesetzt ist. Die Quellen glauben, dass Mofidis Kritik, die sie in ihrer Eigenschaft als Sekretärin der Vereinigung übte, der Grund für ihre Verhaftung war.
Am Tag nach Ashura, am 28. Dezember 2010 um 22 Uhr, kamen fünf Agenten des Informationsministeriums mit einem von der Teheraner Staatsanwaltschaft ausgestellten allgemeinen Haftbefehl gegen alle Teilnehmer am Begräbnis Ayatollah Montazeris zu Mofidis Haus, durchsuchten es, konfiszierten persönliche Dinge von Massoud Aghaee, Badrossadat Mofidi und ihren beiden Töchtern, und verhafteten sie.
Der erste Besuch im Gefängnis fand am 30. Januar 2010 in einer Besucherkabine statt, obwohl ihrer Familie in einem Brief von der Teheraner Staatsanwaltschaft ein persönlicher Besuch zugestanden worden war. Während des Besuchs erzählte Frau Mofidi ihrer Familie, dass sie noch nicht mit Beamten der Staatsanwaltschaft zusammengetroffen sei und nicht wisse, wegen welcher Vergehen und unter welchen Vorgaben sie inhaftiert ist. Ihr Widerspruch war nicht angenommen worden, und ihre Verhöre hatten innerhalb der ersten 20 Tage ihrer Haft stattgefunden. Seitdem wurde sie bis zum 6. März ohne weitere Verhöre oder Angaben von Begründungen in verschiedene Einzelzellen und allgemeine Zellen verlegt.
Ihre beiden Töchter schreiben: „Über eine/n freigelassene/n Gefangene/n haben wir erfahren, dass unsere Mutter am 6. März 2010 nach dem Ende der Verhöre wieder in Abteilung 209 zurückgebracht wurde und dass sie 52 Tage in einem Zustand der Ungewissheit verbrachte. An diesem Tag endeten die Telefonate, und sie durfte keinen Besuch mehr empfangen, nicht einmal über eine Besucherkabine. Der Teheraner Staatsanwalt, Herr Jafari, teilte unserem Vater am Mittwoch, dem 10. März 2010 mit, dass Beamte des Informationsministeriums sich wegen ihrer mangelnden Kooperation mit ihnen gegen die Freilassung unserer Mutter ausgesprochen hätten. Er sagte: ‚Sie können sie morgen in einer Besucherkabine sehen, ich werde für nächste Woche einen persönlichen Besuch anordnen. Ich habe den für ihren Fall zuständigen Richter beauftragt, die Prüfung ihres Falls zu beschleunigen.'“
Weiter schreiben sie: „Am nächsten Tag ließen sie uns nicht zu ihr (Gefängnisbeamte sagten, gemäß den Anordnungen der Justiz darf sie keinen Besuch empfangen). Nach mehreren Tagen Hin und Her ordnete Herr Jafari am 17. März schriftlich einen persönlichen Besuch für den 21. März 2010 an. Am Morgen des iranischen Neujahrs rief unsere Mutter uns an und bat uns in dem zweiminütigen Telefonat, für sie zu beten. Ihre Stimme zitterte sehr. Wir sagten, wir werden dich mit einer Besuchsanordnung besuchen kommen.“
Frau Mofidis Töchter beschreiben das Treffen ihrer Mutter: „Als wir zur Gefängnistür kamen, kam gerade eine Familie eines Gefangenen von Abteilung 209 heraus. Sie sagten uns, dass sie von einem Besuch kämen. Aber als die Beamten unseren Brief sahen, sagten sie, es gebe für die nächsten zwei Wochen eine Besuchssperre. Wir sollten nach dem 4. April wiederkommen. Es half nichts, dass wir darauf bestanden, hineingelassen zu werden. Ohne Hoffnung fanden wir uns am Donnerstag, dem 25. März in der Besucherhalle des Gefängnisses ein. Es waren sehr viele Leute dort. Offenbar gab es wieder Besuche. Um unseren Brief haben sie sich wieder nicht gekümmert, aber sie sagten, wir könnten unsere Mutter durch die Kabine sehen. Als wir sie sahen, konnten wir es nicht glauben. Der Druck der 25 Tage Einzelhaft hat sie sehr geschwächt. [1] Sie sah so beunruhigt aus.“
[1: Es ist mir nicht gelungen, den hier stehenden Satzteil „She wasn’t chipper as usual“ zu verstehen, d. Ü.]
Der besagte Besuch fand in Anwesenheit von Sicherheitsbeamten statt. Zum nächsten Besuch im Gefängnis kamen ihre beiden Töchter und ihr Mann. Als sie im Hof des Evin-Gefängnisses ankamen, sahen sie ihre Mutter, die in einem Auto saß und offenbar nicht wusste, warum sie aus dem Gefängnis gebracht worden war.
Mofidis Töchter schreiben: „Wir stiegen ins Auto und fuhren zu einem mehrstöckigen Gebäude in der Nähe. Sie brachten uns in ein Zimmer, und dieser Beamte blieb im Türrahmen stehen. Wir waren eine halbe Stunde lang mit ihr zusammen. Sie war sehr angespannt, so, als ob sie unter immensem Druck steht. Sie hatte Tintenflecke an der Hand. Sie war gerade vom Verhör gekommen. Offenbar ist sie während all dieser Zeit fast täglich intensiv verhört worden. Sie beklagte sich über die Gewalt des Befragers und sagte, sie hätten Dinge gefragt, die 30 Jahre zurückreichen. Mehrmals sagte sie, sie dürfe nicht über die Verhöre sprechen.“
Bezüglich der Herzerkrankung ihrer Mutter schreiben sie: „Sie sagt, sie geben ihr jeden Abend eine Tablette (ein starkes Beruhigungsmittel) wegen ihrer Herzbeschwerden. Morgens kann sie nur mit Mühe aufstehen, und sie fühlt sich die meiste Zeit über desorientiert. Sie sagte, einmal sei sie so orientierungslos gewesen, dass der Befrager Mitleid hatte und das Verhör abbrach.“
Frau Mofidis Anwalt hat seine Klientin während der gesamten Zeit kein einziges Mal treffen können. Er weiß nichts über die Anklagen und konnte ihre Akte nicht einsehen.
Am Ende des Briefes fordern Badrossadat Mofidis Töchter eine Überprüfung der Situation ihrer Mutter und dass die Verhöre unter normalen Bedingungen stattfinden. „Unsere Mutter ist Journalistin, und die Art ihrer Arbeit erfordert Öffentlichkeit. Was hat sie zu verbergen, das eine solche Behandlung nötig macht?“