Ali Hassanpours Frau: “Sagen Sie mir, was Alis letzte Worte waren”

Veröffentlicht bei Rooz Online am 25. April 2010
Quelle (Englisch): http://www.roozonline.com/english/news/newsitem/article/2010/april/25//tell-me-what-ali-said-in-his-last-moments.html
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

von Fereshteh Ghazi
Die Ehefrau von Ali Hassanpour, der bei der friedlichen Massendemonstration am 15. Juni von einer Kugel getroffen wurde, hat in einem Interview mit Rooz die Vereinten Nationen aufgerufen, den Tod ihres Ehemannes und anderer grüner Märtyrer zu untersuchen. Außerdem bat sie Zeugen, die gesehen haben, wie ihr Eheman erschossen wurde, Kontakt zu ihr aufzunehmen und ihr und ihren beiden Kindern zu berichten, was Ali Hassanpours letzte Worte waren.

Ali Hassanpour starb auf der Azadi-Avenue infolge eines Kopfschusses. Seine Leiche wurde seiner Familie 104 Tage später zur Beerdigung übergeben.

Das Foto des in seinem Blut liegenden Ali Hassanpour war eines der ersten Fotos von getöteten [Demonstranten nach der Wahl], die veröffentlicht wurden. Es wurde zu einem Symbol für die Volksproteste.

Im Gespräch mit Rooz sagte Ladan Mostafaei, Ali Hassanpours Ehefrau, sie habe eine Beschwerde gegen diejenigen eingereicht, die die Ermordung ihres Mannes angeordnet und ausgeführt haben. Ihr sei eine Entschädigung angeboten worden, aber sie und ihre Familie wollten keine Entschädigung und würden ihre Beschwerde über die Vereinten Nationen und internationale Organisationen verfolgen, wenn inländische Institutionen nicht reagieren.

Im folgenden ist das Interview mit Ladan Mostafaei abgedruckt.

Rooz: Frau Mostafaei, Sie sagen, Sie haben im Fall des Todes ihres Ehemannes eine Beschwerde eingereicht. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Ladan Mostafaei (Mostafaei): Ja, wir haben Beschwerde eingereicht, damit die Mörder meines Mannes gefunden und bestraft werden. Der Fall liegt beim Teheraner Strafgericht, und wir fragen regelmäßig nach, aber man gibt uns keine Antworten. Wir werden nicht nachlassen. Wir wollen wissen, für welches Verbrechen sie Ali getötet haben. Wie können sie auf der Straße auf ihn schießen, ohne dass irgendjemand verantwortlich dafür ist? Wer hat ihn getötet, und wer hat das angeordnet? Sie müssen sagen, welches Verbrechen mein Mann und die anderen Menschen begangen haben, das es ihnen erlaubt hat, sie am hellichten Tage zu töten.

Rooz: Wie haben Sie vom Tod Ihres Mannes erfahren?

Mostafaei: Mein Mann war einer der drei bis vier Millionen Menschen, die am 15. Juni auf der Straße protestiert und ihre Stimmen zurückgefordert haben. Er wurde an diesem Tag in den Kopf geschossen. Wir wissen immer noch nicht, ob er an diesem Tag starb oder erst einige Tage später. Seit diesem Tag um 14 Uhr, als Ali sich zuletzt bei mir gemeldet hatte, hatten wir keine Nachricht von ihm. Zwei Tage später, am Mittwoch, dem 27. Juni, druckte ein Freund ein Foto aus dem Internet aus, auf dem sein blutiger Körper zu sehen war, und wir begriffen, dass auf ihn geschossen worden war. Wir wussten nicht, dass er tot war und fingen an zu suchen. 104 Tage lang gingen wir mit diesem Foto in der Hand in jedes Krankenhaus, in jede Polizeistation, in jedes gerichtsmedizinische Institut, überallhin, sogar ins Parlament. Es gab kein Lebenszeichen von meinem Mann, und niemand wusste irgendetwas… Keiner kann sich vorstellen, was wir durchgemacht haben. Ich bitte Gott darum, dass er nicht einmal meinen Feinden auch nur einen Moment dessen zumutet, was wir in diesen 104 Tagen durchmachten. Die Fotos verbrannten uns, aber wir konnten sie nicht für eine Sekunde aus der Hand legen. Tag und Nacht starrten wir auf das Telefon in der Hoffnung, dass es irgendwelche Neuigkeiten geben würde. Wir blieben jede Nacht wach. Mein jüngerer Sohn sagte immer, vielleicht würde Papa anrufen, wenn wir schlafen. Am Geburtstag von Imam Ali sagte mein Sohn immer wieder „vielleicht hören wir heute etwas von Papa, er heißt doch auch Ali.“

Rooz: Wie alt sind Ihre Söhne? Sie haben die Fotos auch gesehen, richtig?

Mostafaei: Ich habe zwei Söhne, sie sind 21 und 15. Sie haben die Fotos und die Videos gesehen, wo Ali am Boden liegt und die Leute ihre Hände in sein Blut tauchen und hochhalten. Wir leben mit diesen Fotos und Videos. Wir haben sie bis jetzt vielleicht 200 Mal angeschaut. Diese Szenen haben uns runiniert. Mein älterer Sohn hat das Haus fünf Monate lang nicht verlassen. Mein jüngerer Sohn nimmt Medikamente unter Aufsicht eines Psychiaters. Wir schauen uns die Bilder immer wieder an und sind traurig über seine Unschuld, und gleichzeitig sind wir stolz auf ihn, weil er für sein Land und ohne Sünde starb.

Mein Mann hat (im Iran-Irak-Krieg) an der Front gedient. Er hat für sein Land und für sein Volk gekämpft, und sie haben ihn ohne jeden Grund getötet. Meine Kinder fragen immer wieder, was er getan hat. Jedes Mal, wenn sie die Bilder sehen, fragen sie. Niemand übernimmt die Verantwortung. Der Lebenswille in uns ist ausgelöscht worden, aber ich lebe und werde weiter forschen, bis ich diejenigen vor Gericht sehe, die den Mord an meinem Mann angeordnet und ausgeführt haben.

Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

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