Tagesarchiv: 9. Juli 2010

United We Stand, Divided We Fall – Zu Zweifeln und Angriffen gegen Moussavi aus den Reihen der Grünen Bewegung

Übersetzt und auf Englisch veröffentlicht von Negar Irani am 9. Juli 2010
Auf Persisch veröffentlicht bei Iran Green Revolution

Vorbemerkung von Negar Irani
Ich habe mich dazu entschlossen, diesen Artikel zu übersetzen, weil er ins Herz dessen trifft, was die Grüne Bewegung meiner Meinung nach mehr als alles andere braucht: realistisch, fair und vor allem vereint zu bleiben. Ich empfehle diesen Artikel dringend allen Iranern, die für die Freiheit kämpfen, vor allem denen, die sich außerhalb Irans befinden und dazu neigen, Dinge zu überstürzen und die Opposition im Iran häufig kritisieren, ohne viel an die momentanen Bedingungen im Iran zu denken oder eine realisierbare Alternative anzubieten.

Verfasst von einem iranischen Blogger

Dieser Artikel richtet sich an die Freunde in der Grünen Bewegung, die sich als Unterstützer des „Säkularismus“ bezeichnen, die sich aber in den letzten Monaten hauptsächlich darauf konzentriert haben, Moussavi und Karroubi zu attackieren und zu behandeln, als seien sie die Hauptfeinde der Bewegung. Diesen Freunden möchte ich sagen, dass auch ich ein Anhänger des Säkularismus bin. Doch meine Unterstützung für den Säkularismus schließt nicht aus, fair zu sein und meine Augen für die Wahrheit zu öffnen.

Ich möchte meinen Freunden sagen: Wenn Moussavi Rezais [der dritte unterlegene Kandidat der Präsidentschaftswahlen, der sich nach kurzer Zeit mit dem Wahlergebnis abfand, d. Übers.] oder sogar Khatamis Beispiel gefolgt wäre und nach der Wahl von seiner Position zurückgewichen wäre und sich aller Verantwortlichkeit entzogen hätte, wäre dann auch nur der Schatten einer Bewegung übrig für euch „wahre Vertreter“ der Bewegung, die Moussavi jetzt angreifen, einer Bewegung, die man jetzt analysieren, über die man diskutieren und streiten kann? Sollten wir nicht einen gewissen Standard an Fairness anwenden? Glaubt ihr, dass wenn Moussavi wie Rezai den Weg des Verrats gewählt und die Ergebnisse der gefälschten Wahlen akzeptiert hätte, Millionen Menschen auf die Straße gegangen und „eure Fahne“ hochgehalten hätten?

Seien wir realistisch – wenn dieser Mann Kompromisse eingegangen wäre, hätte es dann auch nur die Spur einer Grünen Bewegung und der Demonstrationen gegeben, die sich nach den Wahlen ergeben haben und die in unsere Geschichtsbücher eingehen werden? Moussavi hätte auch kapitulieren und nachgeben können, so wie Rezai es tat, und dann von allen Vorteilen profitiert, die ein solcher Rückzug mit sich bringt. Hätte er diesen Weg eingeschlagen, hätte er seinen Neffen nicht verloren, er hätte keine Position, Macht oder finanzielle Gewinne eingebüßt. Er hätte, wenn überhaupt, mehr Macht erlangt und Zugang zu höheren Posten im Regime erhalten. Aber er hat sich für den Weg des Volkes entschieden und sich an die Seite des Volkes gestellt. Er besaß die Demut, sich nicht auch nur ein Mal in diesem Jahr als Führer der Bewegung zu bezeichnen, vielmehr sagte er von sich, dass er nicht mehr ist als eines ihrer Mitglieder. Er hat kein Interesse daran, zu lügen oder zu täuschen.

Wahr ist, dass er von Anfang an geradeheraus und ehrlich über seine Überzeugungen und den von ihm gewählten Weg gesprochen hat. Er wollte sicherstellen, dass es keine Missverständnisse bezüglich seiner Ansichten gibt. Ob wir mit ihm übereinstimmen oder nicht – wir müssen die Tatsache akzeptieren, dass er ein hohes Niveau politischer Toleranz besitzt. Moussavi hat immer wieder in klarer und ehrlicher Weise seine aufrichtige Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass die Ära Khomeini in der Geschichte Irans eine goldene Zeit war. Trotz seiner persönlichen Ansichten hat er klar wiederholt, dass er daran glaubt, dass die Grüne Bewegung nicht einer einzigen Gruppe gehört, und dass wir unterschiedliche Vorstellungen, Ansichten und Diskurse innerhalb der Bewegung akzeptieren müssen.

Moussavi hat die Türen der Grünen Bewegung geöffnet und jeden unter deren ausladendem Dach willkommen geheißen. Gleichzeitig müssen wir zur Kenntnis nehmen und einräumen, dass er, um im Iran bleiben und für unser Volk kämpfen zu können, im Moment keine andere Möglichkeit hat, als gewisse Einschränkungen und Grenzen zu akzeptieren, denn anderenfalls wird er in seiner Handlungsfreiheit noch stärker als bisher eingeschränkt werden.

Anders als unsere Freunde in London und Washington kann Moussavi keine radikalen Statements veröffentlichen, denn wenn er das tun würde, würde er sich am nächsten Tag im Gefängnis wiederfinden. Sind wir so naiv, ernsthaft zu glauben, dass er unter den im Iran gegenwärtig herrschenden Bedingungen sagen kann, was immer ihm in den Sinn kommt?

Eines steht fest: Viele der Fraktionen, die jetzt die Bewegung unter Druck setzen, vor allem die, die dem Obersten Führer nahestehen, warten auf eine falsche Bewegung, ein falsches Wort von Moussavi, um ihn zu Fall zu bringen und dem Obersten Führer seinen Kopf zu präsentieren.

Meinen Freunden sage ich nochmals: Lasst uns versuchen, fair zu sein. Lasst uns versuchen, Geduld zu haben. Die Grüne Bewegung ist eine vereinte Bewegung. Es gibt unter ihrem Dach Platz für uns alle, und niemand wird von einer Teilnahme ausgeschlossen. Unsere Strategie muss jetzt sein, eine vereinte Front zu bewahren und uns auf unser gemeinsames Ziel zu konzentrieren – den Sturz der unterdrückerischen und destruktiven Regierung Ahmadinejad, einer Regierung, die, wenn sie in den nächsten Jahren an der Macht bleibt, darauf aus ist, Iran und alle Iraner zu zerstören.

Anstatt unsere vereinte Bewegung eng zu machen und unsere eigenen Leute anzugreifen, sollten wir unsere Pfeile auf unsere wichtigen Feinde richten, die eine Gefahr für alle Iraner darstellen – mit anderen Worten, auf die Regierung Ahmadinejad/Khamenei.

Lasst uns niemals vergessen, wer unsere wahren Feinde sind. Lasst uns mit kindischen Streitereien aufhören. Wir haben noch keine Trophäen gewonnen, und es ist gelinde gesagt voreilig, uns um sie zu streiten. Lasst uns hoffen, dass der Tag niemals kommen wird, an dem Haftbefehle für die Moussavis und Karroubis unserer Bewegung ausgestellt werden, denn dann werden wir mit leeren Händen dastehen. An diesem Tag werden wir bedauern, dass wir unsere wahren Feinde vernachlässigt haben und uns stattdessen auf Moussavi konzentriert haben.

Meinen Freunden möchte ich sagen: Wenn ihr glaubt, dass die Verhaftung und Beseitigung der Moussavis, Karroubis und anderer Reformer eine bessere Situation für euch herbeiführen wird, unterliegt ihr einem schweren Irrtum. Wenn dies passieren würde, wäre es für Ahmadinejad und seinesgleichen ein leichtes Spiel, die Säkularisten und die Überbleibsel anderer kleiner Gruppierungen im Iran zu beseitigen und zunichte zu machen.

Die Existenz von Reformern und Leuten wie Moussavi und Karroubi sind essentielle Elemente, wie ein Gerüst oder ein erster Schritt, für den Aufbau und die Weiterentwicklung der noch in den Kinderschuhen steckenden Demokratie im Iran. Ohne dieses Gerüst wird das Fundament bröckeln, und unsere junge Demokratie wird von unseren Feinden niedergetrampelt und zerstört werden.

Alle von uns, die nach Demokratie streben, sind auf dieses Fundament angewiesen. Also lasst uns unsere Anstrengungen zusammentun und nicht noch mehr Druck auf dieses Gerüst ausüben, sondern es stehen lassen. Lasst uns aufhören, das Fundament zu zerstören, auf dem unsere Demokratie eines Tages stehen könnte.

Unser Sieg ist nah…

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Iranische Studentengruppen begehen den Jahrestag des 9. Juli 1999

Veröffentlicht bei Radio Zamaaneh am 9. Juli 2010
Quelle (Englisch): http://www.zamaaneh.com/enzam/2010/07/iranian-student-groups-ma.html

Ahmad Batebi, studentischer Aktivist, im Juli 1999

Mehr als 30 studentische Organisationen außerhalb Irans haben mit einem Statement den Jahrestag der Studentenproteste vom 9. Juli 1999 begangen und die von der „Grünen Bewegung der Bevölkerung Irans“ geschaffene Möglichkeit einer Organisation einer neuen studentischen Generation außerhalb Irans gefeiert.

Sie erklären: „Die weltweite iranische Studentenbewegung wird unter vollständiger Berücksichtigung aller im Iran aktiven politischen und sozialen Bereiche ihren friedlichen, hartnäckigen und gewaltlosen Kampf für Demokratie fortsetzen.“

Das Statement ruft alle Aktivisten der Grünen Bewegung auf, die kurz- und langfristigen Pläne der iranischen Regierung, „die akademische Gemeinschaft zu dominieren“, im Auge zu behalten und „die Institutionen der höheren Bildung als fundmentale Säule der pluralistischen Zivilgesellschaft zu schützen“.

Sie verurteilen die Angriffe der Regierung auf Studenten am 9. Juli 1999, bei denen es mehrere Tote und Schwerverletzte gegeben hatte, und erklären, dass die fehlende Reaktion auf die Unterdrückung von 1999 eine solide Grundlage für die zweite Attacke von Sicherheitskräften auf das Wohnheim der Teheran-Universität am 15. Juni 20o1 gelegt habe.

„Nach 11 Jahren erleben wir nun die Realität, dass die Forderung der protestierenden Studenten im Jahre 1999 nach einer pluralistischen Zivilgesellschaft und ihr Widerstand gegen totalitäre Mächte zu einer allgemeinen Forderung des iranischen Volkes und zum Ansatzpunkt für die Aktivisten der Grünen Bewegung geworden ist“.

Video vom 9. Juli [1999], Proteste vor dem iranischen Innenministerium:

Im Juni letzten Jahres hatten Sicherheitskräfte und regierungstreue Zivilagenten im Zuge der Proteste gegen Betrug bei der Präsidentschaftswahl die Wohnheime der Teheran-Universität umstellt und Studenten angegriffen. Dabei kamen mindestens fünf Studenten ums Leben.

Der Jahrestag der Aufstände von 1999 und die darauffolgende Niederschlagung durch die Regierung ist in vielen Schriften und Analysen über die Ereignisse jener Zeit verarbeitet worden. Auch sind zwei neue Videos der damaligen Proteste aufgetaucht, auf denen aufgebrachte Demonstranten zu sehen sind, die das Tor des Innenministeriums in Teheran überrennen.

Neben Protesten in verschiedenen Ländern der Welt haben auch Iraner in den Niederlanden in Den Haag demonstriert. Die Demonstranten brachten ihre große Besorgnis angesichts der fortgesetzten Gewaltanwendung der Islamischen Republik gegenüber der Opposition zum Ausdruck und verlasen einen Brief des inhaftierten Studentenaktivisten Majid Tavakoli, den er anlässlich des Jahrestages des 9. Juli verfasst hatte.

Am 9. Juli 1999 protestierten iranische Studenten gegen das Verbot der Reformzeitung Salaam, woraufhin Sicherheitskräfte und Zivilagenten die Wohnheime der Teheran-Universität angriffen, wobei es Tote und Verletzte gab.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Unterstützt den Antrag der „Grünen“ im Bundestag auf Aufnahme von zusätzlichen iranischen Flüchtlingen!

UM DIESE MENSCHEN GEHT ES:

Hier lesen: Der Antrag der „Grünen“

Bitte unterstützen Sie diesen Antrag! Setzen Sie sich bei Ihren Abgeordneten und den Menschenrechtsbeauftragten der Parteien dafür ein, dass diese Flüchtlinge aufgenommen werden, und zwar deutlich mehr als die im Video erwähnten 50.

HIER finden Sie Ihre/n Abgeordnete/n

HIER geht es zum Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Kontakt:
Deutscher Bundestag
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Telefon: +49 (0)30 227 33550
Fax: +49 (0)30 227 36051
E-Mail: menschenrechtsausschuss@bundestag.de

HIER können Sie die Fraktionen per E-Mail kontaktieren – gehen Sie zum 4. Stichpunkt „Fraktionen (E-Mail-Adressen)“ und benutzen Sie die angegebenen Links

Ein Textvorschlag für den Brief:

(Anrede)

Bezug nehmend auf den Antrag der „Grünen“ vom 7. Juli 2010 auf die Aufnahme weiterer iranischer Flüchtlinge aus der Türkei (s. http://www.gruene-bundestag.de/cms/default/dokbin/346/346802.antrag_iranische_fluechtlinge_aus_der_tu.pdf) möchte ich Sie nachdrücklich bitten, diesen Antrag zu unterstützen und alles Ihnen Mögliche zu tun, damit er angenommen und schnellstmöglich umgesetzt wird.

Wie im Antrag der „Grünen“ bereits dargelegt, befinden sich die iranischen Flüchtlinge in der Türkei in einer äußerst schwierigen Situation. Sie müssen für ihr vorläufiges Bleiberecht hohe Summen aufbringen (pro Kopf alle sechs Monate 330$) und ihren Lebensunterhalt bezahlen, erhalten aber keine Arbeitserlaubnis. Viele sitzen monate- oder jahrelang in der Türkei fest, während sie auf die Bearbeitung ihres Falls durch die UN warten (http://www.iranhumanrights.org/2010/02/asylum-in-turkey-futile-hopes-and-dreams/).

Oft sind die Flüchtlinge nur mit dem geflohen, was sie am Leibe trugen. Oft kommen sie direkt aus dem Gefängnis, wo sie schwer gefoltert und traumatisiert wurden, und sind in der Türkei ohne ärztliche Versorgung und psychologische Betreuung auf sich allein gestellt. Dabei sind sie in der Türkei nicht einmal sicher vor dem Zugriff des iranischen Regimes und leben in ständiger Angst und Unsicherheit.

All diese Umstände stellen eine immense Belastung für diese Menschen dar, die im letzten Sommer noch die Bewunderung und Unterstützung der Weltöffentlichkeit hatten.

Ich fordere Sie auf, all Ihren Einfluss geltend zu machen und sich dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung ihren solidarischen Worten vom letzten Jahr nun konkrete Taten folgen lässt. Es müssen und können deutlich mehr als 50 Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen

Zeynab Jalalians Anwalt nach Treffen mit Staatsanwalt optimistisch

Aus dem Englischen übersetzt von Negar Irani (http://www.facebook.com/note.php?note_id=446242601070&id=1409869442)
Quelle (Persisch): http://chrr.biz/spip.php?article10161, 9. Juli 2010

Wie die Organisation Committee of Human Rights Reporters (CHRR) mitteilt, hat sich Dr. Mohammad Sharifi, der Anwalt der kurdischen zum Tode verurteilten Gefangenen Zeynab Jalalian, nach einem Treffen mit dem Teheraner Staatsanwalt Jafari Dowlatabadi am Montag, dem 5. Juli optimistisch gezeigt. „Ich schätze die Aussichten für ihre Berufung optimistisch ein“, so Sharifi.

„Bei meinem Treffen mit dem Staatsanwalt hat dieser entschieden, dass Frau Jalalian zurück nach Kermanshah verlegt werden soll, wo auch ihr Prozess und ihre Verurteilung erfolgt waren.“, so Sharifi weiter.

Wegen der großen Entfernung zwischen Kermanshah und Teheran konnte Jalalian in den fünf Monaten ihrer Haft im Teheraner Evin-Gefängnis nur ein Mal mit ihrem Vater zusammentreffen. Ihre Verlegung nach Kermanshah wird es ihrer Familie zumindest erleichtern, sie zu besuchen, so Sharifi.

Weiter teilte Dr. Sharifi mit, dass er nach seinem Treffen mit dem Teheraner Staatsanwalt und einer Prüfung des Falles der kurdischen politischen Gefangenen optimistisch sei, was die Aussichten ihrer Berufung angeht. Bei dem Treffen war übrigens auch Jalalians Bruder zugegen.

Zeynab Jalalian ist wegen angeblicher Verbindungen zu der bewaffneten kurdischen Gruppe PJAK seit 2007 im Gefängnis. Berichten zufolge soll das Gericht sich nur wenige Minuten beraten haben, bevor sie zum Tode verurteilt wurde.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben