Was meine Frau im Gefängnis erlebte

Veröffentlicht bei http://www.roozonline.com/english/ am 19. Juli 2010
Quelle (Englisch): http://www.roozonline.com/english/opinion/opinion-article/article/2010/july/19//my-husbands-prison-experience-narges-mohammadi.html
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

Vorbemerkung: Narges Mohammadi ist Journalistin und Vizepräsidentin und Sprecherin des „Defenders of Human Rights Center“ sowie Präsidentin des Exekutivausschusses des National Peace Council.

Von Taghi Rahmani

„Respekt vor dem Gesetz im Umgang mit Anklagen gegen Gefangene ist der Wunsch eines Mannes namens Taghi Rahmani, der 14 Jahre lang in den Gefängnissen der Islamischen Republik Iran verbrachte.“

Das war meine Antwort auf die Frage eines jungen Mannes, der mich vor der letzten Präsidentschaftswahl im Iran 2009 fragte, warum ich Mehdi Karroubi wählen wolle. Ich glaube, dass Karroubi sich politischen Gefangenen gegenüber sehr gütig verhalten hat, sich ihre Probleme angehört und alles in seiner Macht stehende getan hat, um ihre Rechte zu schützen.

Ich erwähne diese Episode, weil ich darüber sprechen möchte, wie meine Frau Narges Mohammadi verhaftet und behandelt wurde.

– Meine Frau Narges wurde um Mitternacht verhaftet. Sie wurde die ganze Nacht lang bis zum Morgengrauen verhört. In den ersten Stunden ihres Verhörs wurde sie aufs Übelste beleidigt. Sie wurde mit Huren verglichen, was sie sehr aufbrachte.

– Nach ihrer Verhaftung durch Agenten des Geheimdienstministeriums fragte der Staatsanwalt von Teheran sie: „Warum haben Sie Leute ohne [Durchsuchungs]Befehl in Ihr Haus gelassen? Warum haben Sie ihnen erlaubt, Ihr Haus zu durchsuchen?“ Narges antwortete: „Wir haben protestiert, aber niemand hat sich darum gekümmert.“

– Nach ihrem Verhör bekam Narges starke Muskelkrämpfe. Zwei Wochen lang hatte sie jeden Tag zwei Mal diese Krämpfe. Aber die Verhöre wurden trotzdem fortgesetzt. Die Verhöre dauerten lange, und die Fragen wiederholten sich. Es ging dabei um Statements des Zentrums, und meine Frau wurde dabei auch bedroht.

– Ein Mal erlitt Narges einen Nervenzusammenbruch und brach zusammen. Dann passierte es noch einmal. Sie wurde die Treppe hinunter gestoßen. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich, obwohl sie Beruhigungsmittel nahm und einer der Ärzte ihren Befragern sogar sagte, dass sie sogar sterben könnte.

– Doch was wollten sie von Narges? Sie wollten, dass sie das Defense of Human Rights Center, den National Peace Council und andere Nichtregierungsorganisationen, für die sie arbeitete, verurteilt. Ich frage: Wo verläuft die Trennungslinie zwischen der Arbeit der Sicherheitsorgane und der der Justiz?

– Man kann über den psychologischen und mentalen Druck hinwegsehen, der auf die Mutter von dreieinhalbjährigen Zwillingen ausgeübt wurde, und über die Entbehrungen, die sie erlitt, weil sie ihre Kinder in den ersten 20 Tagen ihrer Haft nicht sehen durfte. Aber wie kann man diese Art und Weise durchgehen lassen, in der ein kranker Mensch verhört wird?

Die Differenzen, die es zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Sicherheitsapparat gab, arbeiteten für Narges Mohammadi. Aber was ist mit ihrer Familie, was hat sie durchgemacht?

– Die Familie wurde durch die Verhaftung in eine schwierige Situation gebracht. Fragen wie: Wo ist sie? Wann wird sie anrufen? quälten die Familie tagelang. Wir vermuteten, dass wir sehr lange nichts von ihr hören würden, aber Narges rief relativ bald an. Sie sagte, es gehe ihr nicht gut und bat uns, ihre Krankenakte ins Evin-Gefängnis zu bringen.

Wir nahmen ihre Krankenakte und erläuterten die Gefahren, die mit ihrer Krankheit einhergingen. Wir mussten das mehrmals tun, denn jedes Mal, wenn wir ihren Zustand erläuterten, hieß es, ihre Akte sei verloren gegangen. Irgendwann erklärten sie sich bereit, die Akte nochmals anzulegen.

– Bei ihrer Freilassung hatte Narges unglaublich viel Gewicht verloren. Sie berichtet von den Verhören und sagte, sie habe damals zwei Sorgen gehabt: Ihre Kinder, und dass die Bürgerrechtlerin Zeinab Jalalian gehängt werden würde.

– Wenige Tage nach ihrer Freilassung hatte Narges auf der Straße einen Muskelkrampf und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Zehn Tage später wurde sie entlassen.

Ich habe all dies erzählt, um aufzuzeigen, warum ich, ein Bürger, der mehr als 14 Jahre im Gefängnis gesessen hat, der sich seit 1974 politisch und intellektuell engagiert und der nie ein politisches Amt bekleidet hat, im Umgang mit Gefangenen die Einhaltung der Gesetze fordere.

Dies ist die Erfahrung eines Mannes, der Jahre auf dem politischen und intellektuellen Schlachtfeld der Gesellschaft zugebracht hat, der im Gefängnis war und dessen Familie im Gefängnis war. Man muss in einer solchen Situation sein, um zu verstehen, was ich meine. Glauben Sie mir.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Narges Mohammadi nach ihrer Freilassung (Foto eingefügt von der Übersetzerin)

Quelle: http://en.irangreenvoice.com/article/2010/jul/05/2138

2 Antworten zu “Was meine Frau im Gefängnis erlebte

  1. Pingback: News vom 22. Juli « Arshama3's Blog

  2. um es wirklich zu verstehen, muß man wohl eine ähnliche situation erlebt haben, aber vorstellen kann ich mir die Wut, die Verzweiflung, die Angst, die Empörung über die Ungerechtigkeit, Willkür, Mißhandlung, Erniedrigung .. auch so
    @Menira @JULIA -Danke für die Übersetzung!

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