Tagesarchiv: 29. Juli 2010

16 politische Gefangene nach Verlegung in Einzelzellen im Hungerstreik

Veröffentlicht bei RAHANA am 29. Juli 2010
Quelle (Englisch): http://www.rhairan.us/en/?p=6030

Sechzehn politische Gefangene in Abteilung 350 des Evin-Gefängnisses sind nach ihrer Verlegung in Einzelhaft in Abteilung 240 in einen Hungerstreik getreten.

RAHANA- Bahman Ahmadi-Amouei und Keyvan Samimi waren am Montag, dem 26. Juli als Erste in Einzelhaft genommen worden, nachdem sie sich über das unangemessene Verhalten von Offiziellen in Abteilung 350 und ihrem Vorgesetzten Mostafa Bozorgnia beschwert hatten. Weitere Gefangene folgten am Dienstag, dem 27. Juli, um 3 Uhr morgens. Auch sie wurden von Abteilung 350 in Abteilung 240 verlegt.

Am Montag, dem 26. Juli hatten sich Beamte und Wachpersonal während der wöchentlichen Besuchszeit für Insassen der Abteilung 350 den politischen Gefangenen und ihren Familien gegenüber beleidigend verhalten. Die Gefangenen protestierten noch am selben Tag dagegen und riefen sogar Parolen in der Besucherhalle des Gefängnisses, woraufhin weitere Beamte hinzubeordert wurden, um die Situation unter Kontrolle zu bringen und die Gefangenen in ihre Zellen zurückzubringen.

Anstatt den Beschwerden der Gefangenen nachzugehen, blockierten die Beamten von Abteilung 350 der Webseite Kalemeh zufolge auf die Proteste hin alle Telefonleitungen in dieser Abteilung und nahmen mehrere politische Gefangene, darunter Abdollah Momeni, Bahman Ahmadi Amouei und Ahmad Karimi in Einzelhaft.

Die Namen der in Einzelhaft genommenen Gefangenen sind:

Ali Malihi (studentischer Aktivist und Mitglied der Studentenorganisation Tahkim-e Vahdat), Bahman Ahmadi-Amouei (Journalist), Hossein Nouraninejad (Journalist und Mitglied der [Reformpartei] Islamische Partizipationsfront), Abdollah Momeni (studentischer Aktivist und Sprecher der reformorientierten iranischen Alumni-Organisation Advare Tahkim), Ali Parviz (studentischer Aktivist), Hamid Reza Mohammadi (politischer Aktivist), Jafar Eghdami (Bürgerrechtsaktivist), Babak Bordbar (Fotojournalist), Zia (Zieddin) Nabavi (studentischer Aktivist unter Studienverbot), Ebrahim (Nader) Babaei (Bürgerrechtsaktivist und versehrter Kriegsveteran des Iran-Irak-Krieges), Koohyar Goudarzi (Menschenrechtsaktivist und Blogger), Majid Dorri (studentischer Aktivist), Majid Tavakoli (studentischer Aktivist), Keyvan Samimi (Journalist), Gholam-Hossein Arshi und Peyman Karimi-Azad (verhaftet an Ashura/27. Dezember 2009).

Bahman Ahmadi Amouei befindet sich seit Dienstag, dem 27. Juli im Hungerstreik. Majid Tavakoli, Abdollah Momeni, Koohyar Goudarzi und zwei weitere Gefangene begannen ihren Hungerstreik am Mittwoch. Weitere Gefangene schlossen sich ihren Freunden heute (Donnerstag) an und erklärten, sie würden den Hungerstreik nicht beenden, bevor ihre Forderungen erfüllt sind.

Die Gefangenen fordern, dass die Beamten und Offiziellen der Abteilung sich bei den Gefangenen für ihr unangemessenes Verhalten entschuldigen und die 16 Gefangenen in die öffentliche Abteilung zurückverlegen.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Politischer Gefangener Jafar Kazemi wird vermutlich bald hingerichtet

Veröffentlicht bei Radio Zamaaneh am 29. Juli 2010
Quelle (Englisch): http://www.zamaaneh.com/enzam/2010/07/iranian-political-detaine-2.html

Bitte unterstützen Sie diese Petition für Jafar Kazemi mit Ihrer Unterschrift!

Urgent Action von Amnesty International vom 30. April 2010

Zusammenfassung eines Interviews mit Kazemis Anwältin: „Anklage wegen Moharebeh entbehrt jeder Grundlage“

Jafar Kazemi

Das Todesurteil für den iranischen Gefangenen Jafar Kazemi, der nach der Präsidentschaftswahl von 2009 verhaftet wurde, ist nach Bestätigung durch ein Berufungsgericht zur Vollstreckung freigegeben worden.

Nasim Qanavi, Kazemis Anwältin, bestätigte diese Nachricht und sagte der Organisation ICHRI (International Campaign for Human Rights in Iran) gegenüber, dass ihr Antrag auf Überarbeitung des Falls abgewiesen wurde. Derzeit gebe es keinen Gerichtsstand, um Jafar Kazemis Leben zu retten.

Kazemi war im vergangenen September auf dem Teheraner Haft-e Tir-Platz verhaftet und 74 Tage in Einzelhaft gehalten worden.

Kazemi ist der „Feindschaft gegen Gott durch Symphatisieren mit der Organisation der Volksmojaheddin“ [PMOI oder MKO, d. Übers.] angeklagt, einer Gruppe von Regimegegnern, die die Islamische Republik als ihren Erzfeind ansieht. Seiner Anwältin zufolge hat ihr Klient jedoch lediglich an den [öffentlichen Protest-]Versammlungen nach der Präsidentschaftswahl teilgenommen und einige Parolen gerufen; die Anklage „Feindschaft gegen Gott“ [im Iran mit der Todesstrafe belegt, d. Übers.] träfe auf ihn jedoch nicht zu.

Die meisten schiitischen Experten sind der Meinung, dass die Anwendung von Waffen als erstes Kriterium für „Moharebeh“ oder „Feindschaft gegen Gott“ zu gelten hat, so Qanavi weiter.

Kazemis Anwältin berichtet weiter, dass die erste gerichtliche Instanz, das Berufungsgericht und auch der Oberste Gerichtshof ihrer Verteidigung keinerlei Beachtung geschenkt hätten. Ihr Klient habe die Anklagen in keiner seiner Verhöre gestanden.

Jafar Kazemi arbeitet als Lithograf an der Amir-Kabir-Universität. Bereits in den 1980er Jahren war er neun Jahre lang inhaftiert.

Roudabeh Akbari, Kazemis Ehefrau, hat in einem Brief an den UN-Generalsekretär appelliert, die Hinrichtung ihres Mannes zu verhindern.

Die Islamische Republik hat mehrere Demonstranten zum Tode verurteilt, die im Zuge der verbreiteten Proteste gegen die angeblich gefälschte Wiederwahl Mahmoud Ahmadinejads verhaftet worden waren.

Arash Rahmanipour und Mohammadreza Ali-Zamani waren im Februar ebenfalls unter der Anklage „Moharebeh“ hingerichtet worden.

Mehreren Familien von Gefangenen zufolge wurde das Telefon in Abteilung 350 des Evin-Gefängnisses, wo Jafar Kazemi festgehalten wird, in den letzten Tagen abgestellt war, was nichts Gutes zu bedeuten hat. Auch in der Vergangenheit waren vor Hinrichtungen Telefone abgestellt worden.

Im Mai waren weitere politische Dissidenten im Evin-Gefängnis gehängt worden.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Vier neue Hinrichtungen im Iran

Veröffentlicht bei Radio Zamaaneh am 30. Juli 2010
Quelle (Englisch): http://www.zamaaneh.com/enzam/2010/07/four-more-people-executed.html

Vergangene Woche sind im Iran vier Personen wegen „sexueller Übergriffe“ und „Drogenbesitzes“ hingerichtet worden.

Yousef Khamseh wurde gestern in der Stadt wegen sexueller Übergriffe gehängt. Khamseh, der auch wegen „versuchten Mordes und Raubes“ angeklagt war, wurde im November verhaftet.

Letzten Samstag waren drei Männer wegen Drogenbesitzes in Ahwaz hingerichtet worden. Sie waren des Besitzes von 80 Gramm Crack sowie jeweils 335 Gramm bzw. 43 Gramm Heroin angeklagt.

Iran steht bei Hinrichtungen hinter China weltweit an der Spitze. Amnesty International zufolge wurden im Jahr 2009 im Iran 400 Menschen hingerichtet.

Laut Amnesty-Bericht erhöht steigt die Zahl der Hinrichtungen im Iran jedes Jahr weiter an.

Mord, Drobenbesitz, Vergewaltigung und „Feindschaft gegen Gott“ (Moharebeh) sind einige der Vergehen, die im Iran unter Todesstrafe stehen.

Letztes Jahr waren fast zehn politische Dissidenten wegen „Moharebeh“ hingerichtet worden.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Moussavis Brief von 1988 zu seinem Rücktritt als Ministerpräsident

Auf Persisch erschienen bei Green Correspondents am 29. Juli 2010
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von Julia

Im Namen Gottes,
sehr geehrter Herr Präsident [Ali Khamenei],

ich bin in meinem öffentlichen Rücktrittsgesuch nicht auf die Gründe eingegangen, die mich zu diesem Schritt bewogen haben, weil die Feinde des Landes diese Gründe missbrauchen könnten. Deshalb möchte ich meine Beweggründe hier darlegen für den Fall, dass dies in Zukunft von Nutzen sein kann.

1) Die Regierung hat keinen Einfluss auf die Außenpolitik. Heute liegen Afghanistan, Libanon und Irak in Ihren Händen. Briefe werden an verschiedene Länder geschrieben, ohne dass die Regierung davon weiß. Ich als Premierminister habe nur zufällig von diesen Briefen und ihren Inhalten erfahren. Der japanischer Premierminister und unser Parlamentschef tauschen Briefe aus, und ich erfahre davon bei einer Veranstaltung!

Herr [Javad] Larijani *) sagt, dass die Regierung über fünf verschiedene Kanäle mit der US-Regierung in Kontakt steht. Ich habe überhaupt keine Kenntnis darüber, was für Verbindungen das sind. Überall wird von der Außenpolitik der iranischen Regierung gesprochen, aber die Regierung selbst hat keinerlei Einfluss auf sie.

2) Die Operationen in Ausland geschehen, ohne dass die Regierung etwas davon mitbekommt. Sie wissen, welche verheerenden Auswirkungen diese Operationen auf unser Land hatten. Flugzeuge werden entführt, im Libanon wird Blut vergossen, und von all dem erfährt die Regierung erst zumSchluss. Als bei iranischen Pilgern in Jeddah C4-Sprengstoff entdeckt wurde, habe ich das erst [von der saudischen Botschaft in Teheran] erfahren. **)
So etwas hat sehr schädliche Folgen für unser Land, und leider wird es auch in Zukunft solche Aktionen im Namen der Regierung geben.

3) Der Ausschuss für Finanzplanung wurde aus politischen Gründen aus der Zuständigkeit des Ministerpräsidenten entfernt, was bereits katastrophale Auswirkungen auf das Land hatte. Leider ist im Schlichtungsrat kein Problem für dieses Problem gefunden worden, ebensowenig wie für das Problem der Ratgeber-Minister. ***)

4) Die gesetzliche Macht der Regierung und ihrer Minister wird durch die ungesetzmäßig installierten Räte geschwächt.

5) Ich habe keine Macht, um für die Aktionen, die im Namen der Regierung erfolgen und von denen wir keine Kenntnis haben, vor dem Parlament und der Regierung die Verantwortung zu übernehmen.

6) Abschließend erinnere ich nochmals daran, dass Gott weiß, dass mein Rücktritt nicht bedeutet, dass ich einen Groll hege. Die Islamische Revolution wird ihren Weg auch ohne mich finden. Ich trete aus dem Gefühl der Machtlosigkeit zurück.

14. Shahrivar 1367 (September 1988)

Übersetzung aus dem Persischen: Hadi, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Anmerkungen des Übersetzers:
*) Javad Larijani war damals offenbar Teil der von Moussavi indirekt erwähnten Schattenregierung um Khamenei. Er soll damals inoffiziell sehr viel Einfluss auf die iranische Außenpolitik gehabt haben.

**) Hintergrund: Die Sepah hatte damals offenbar im Gepäck ahnungsloser Pilger Sprengstoff versteckt, der von saudischen Behörden entdeckt wurde. Mousavi erfuhr erst durch die saudischen Behörden davon. Es gibt darüber einen Film (in arabischer Sprache) auf Youtube, 2. Teil hier

***) Khamenei hatte die Position von „Ratgeberministern“ in der Regierung installiert, um seinen Einfluss zu erweitern. Das war illegal, aber er blieb bei dieser Entscheidung. Moussavi war damit nicht einverstanden.

In diesem Zusammenhang interessant sind auch Moussavis aktuelle Enthüllungen über seine Erfahrungen als Ministerpräsident während des Iran-Irak-Krieges, auf Deutsch zu lesen hier

Ein Bericht aus dem Gefängnis Rajai Shahr, Iran

Englische Übersetzung veröffentlicht von Negar Irani bei Green Translations am 29. Juli 2010
Quelle (Persisch): RAHANA
bzw. Human Rights and Democracy Activists in Iran/HRDAI
Anmerkung Negar Irani: Ich bitte jeden, dem die Menschenrechte am Herzen liegen, diesen herzzerreißenden Brief von Saeed Masouri zu lesen, in dem er die erschütternden Zustände im Gefängnis Rajai Shahr beschreibt. Bitte lesen Sie diesen Bericht und lassen Sie die Welt wissen, welche Menschenrechtsverstöße und Grausamkeiten sich hinter den Mauern der berüchtigten iranischen Gefängnisse ereignen. Schweigen bedeutet, Menschlichkeit, Anstand und Lebenswürde den Rücken zu kehren.

Donnerstag, 29. Juli 2010 – RAHANA. Der seit 2009 inhaftierte Saeed Masouri hat in einem bewegenden Brief die erschütternden Zustände im Gefängnis Rajai Shahr beschrieben. Dr. Saeed Masouri war im Dezember 2000 in der Stadt Dezful verhaftet worden und wird gegenwärtig in Sektion 10, Trakt 4 des Gefängnisses Rajai Shahr in der Stadt Karaj festgehalten. Sein erster Prozess und der Berufungsprozess führten zunächst zu seiner Verurteilung zum Tode. Von den 10 Jahren, die er inhaftiert ist, verbrachte er 3 Jahre in Einzelhaft in Gefängnissen in Teheran und Dezful. Nach umfangreichen Anstrengungen [konnte erreicht werden, dass] sein Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt wurde.

Berichten von RAHANA zufolge wurde Masouri in den letzten 10 Jahren kein einziger Hafturlaub gewährt. Bei seiner ersten Verhaftung und Einzelhaft wurde er körperlich und psychisch exzessiv gefoltert. Masouri wurde vor einigen Jahren in das Gefängnis Rajai Shahr verlegt, dass bekannt für die dort herrschenden unmenschlichen Zustände ist. In einem Brief, den er im Gefängnis verfasste und der Nachrichtenagentur RAHANA – „Human Rights House of Iran“ – zur Verfügung stellte, beschreibt Masouri die unmenschlichen Zustände im Gefängnis. Der Inhalt seines Briefes lautet wie folgt:

Das Leben außerhalb des Gefängnisses geht weiter wie immer, und es ist schwer, sich vorzustellen, welche Hölle und welche menschlichen Tragödien sich wenige Meter weiter hinter den Gefängnismauern abspielen, an denen man täglich achtlos vorbeigeht. Ähnlich muss es für die Menschen gewesen sein, die im Umkreis der Lager Auschwitz und Dachau lebten und die vielleicht keine Ahnung davon hatten, was innerhalb der Mauern dieser berüchtigten Lager vor sich ging.

Ich möchte ein Bild vom Gefängnis Rajai Shahr zeichnen, dass in den Augen der Bürger von Karaj wohl groß erscheinen mag, das aber in Wirklichkeit sehr klein und sehr überfüllt ist. Es ist eine andere Welt, sie ähnelt den Darstellungen der Hölle in Filmen, voller Feuer und Rauch. Eine Welt voller verbrannter, schwarzer, verstörter Gesichter, voller nackter, schweißbedeckter Körper, rot von den Bissen der Läuse. Eine Welt voller zerrissener Hosen, deren Fetzen als Gürtel benutzt werden, voller schmutziger nackter Füße und Kleidern, die mit der Innenseite nach außen getragen werden und mit Läusen bedeckt sind, voller zerrissener und schlecht sitzender Pantoffeln. Eine Welt, in der man vergifteter Luft, dem extremen Gestank verfaulenden Mülls, überlaufenden Toiletten, dem giftigen Hauch des getrockneten Erbrochenen, infektiösem Schleim und dem Geruch von Körpern ausgesetzt ist, die fast nie baden können. Dies alles wird gekrönt vom Gestank des Urins derer, die ihre Blase nicht kontrollieren können.

All dies vor dem Hintergrund des markerschütternden Lärms und der Schreie der Gefangenen, die ihren gesamten Tag in Warteschlangen zu verbringen scheinen. Gefangene mit Plastikflaschen, die schwarz angelaufen sind und als Teetassen dienen, stehen Schlange, in vielen, langen, dichtgedrängten Schlangen warten sie darauf, die Toilette benutzen zu können, zu duschen etc.

Gesichter, ausgezehrt durch Unterernährung, sind hinter dichten Bärten und zerzaustem Haar verborgen, herzzerreißendes Husten – eine Folge von Lungenkrankheiten, die durch die kontaminierte Luft im Inneren des Gefängnisses entstehen -, nicht wiederzuerkennende Körper, die an verhungernde Kinder in Afrika erinnern, Massen von Gefangenen in den Fluren, die aussehen, als seien sie tot, gelähmt von der Hitze, mit seelenlosen Augen, die an Wände und Decken starren, nackte Körper, die in den Säumen ihrer Kleider nach Läusen suchen, Körper, die andere Körper im Vorbeigehen streifen, nur allzusehr gewöhnt an das Bild, das sich um sie herum bietet.

Andere Gefangene, die sich wegen der vielen Menschen nicht vom Fleck bewegen können, stehen paarweise oder allein, beobachten andere, spielen an den Narben an Hals und Handgelenken herum, die von selbst zugefügten Verletzungen stammen. Viele haben ein kleines Handtuch oder ein Stück Stoff bei sich, um sich alle paar Minuten den Schweiß abzuwischen, der sich auf Kopf und Gesicht sammelt, das aber auch als Atemschutz gegen den beißenden Geruch der kontaminierten Luft dient.
Hinzu kommen noch der Tumult und der ohrenbetäubende Lärm der Lautsprecher (der Gefängniswärter), aus denen vulgäre Beleidigungen dröhnen, Stille befohlen wird und Kommandos zur Beachtung der Toiletten- und Waschraumregeln etc. erschallen. Das Ausmaß dieser Zustände versteht man erst, wenn man sich klar macht, dass sich an diesem Ort, der für die Aufnahme von maximal 90 Menschen konzipiert ist, mehr als 1100 Gefangene aufhalten. Es gibt je einen Waschraum für 250 Gefangene. Es gibt je ein Stück Seife oder flüssige Seife für 500 Gefangene, je eine Toilette (oft verstopft und überfließend) für 170 Gefangene. Jeweils 5 Gefangene haben 5 m² zur Verfügung, weshalb die Gefangenen gezwungen sind, den Raum in Fluren und Treppenaufgängen zu belegen. Je 5 – 8 Gefangene teilen sich eine Decke. Gefangene, die gezwungen werden, ihre Zelle von 19 Uhr abend bis 7 Uhr morgens zu verlassen, stehen draußen, weil es drinnen nicht genug Platz gibt. Selbst draußen findet man selten einen Platz, an dem man stehen kann. Essen wird oft für viele Gefangene auf einem Stück Zeitungspapier serviert, und die einzige Möglichkeit, es zu essen, besteht darin, sich draußen einen Platz zum Sitzen zu suchen. Dieser Zustand ist sogar für die Wachen offensichtlich, die nicht die ermüdende Pflicht haben, diese Massen von Gefangenen zu zählen und den Überblick zu behalten, die aber ebenfalls allen Arten von Krankheiten ausgesetzt sind.

Erstaunlicherweise ist vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Nacht der Fernseher zu hören, wo über menschliche Würde, Menschenrechte und unser Umgang mit der Welt gesprochen, aber kein Wort über die Geschehnisse hinter diesen Gefängnismauern verloren wird. Offenbar sind Dinge wie das Gesundheitswesen, Waschräume und Toiletten so eng mit der Sicherheits unseres Landes verknüpft, dass es als Verbrechen gegen die nationale Sicherheit angesehen wird, wenn man darüber spricht.

Zum Beispiel Reza Jooshan, 22 Jahre alt. Er wurde in Einzelhaft verlegt, weil er die Tollkühnheit besaß, sich über die Zustände zu beschweren. Zwar überraschte seine Verlegung in Einzelhaft mich nicht, aber die Zustände in Rajai Shahr und anderen Gefängnissen sind so schlimm, dass sie nicht dadurch gelöst werden können, dass man Menschen in Einzelhaft nimmt. Kein Wunder, dass es für viele Gefangene in Irans berüchtigten Gefängnissen als ein unerreichbarer Traum erscheint, an Orte wie Guantanamo oder Abu Ghraib zu kommen. Die Hinrichtung wird zur einzigen greifbaren Hoffnung, um dieser unerträglichen menschlichen Tragödie zu entkommen.

Saeed Masouri
Gefängnis Rajai Shahr
Juli 2010

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben.

Anm. Julia: Bekannte Gefangene, die in diesem Gefängnis sitzen oder saßen, sind z. B.

der iranische Gewerkschaftsführer Mansour Osanloo

Behrouz Javid Tehrani

Hamed Rouhinejad

die politischen Gefangenen Behrouz Javid Tehrani und der an Multipler Sklerose erkrankte Hamed Rouhinejad

der Journalist Issa Saharkhiz

der Journalist Emad Bahavar

der Journalist Ahmad Zeidabadi

der Blogger und Aktivist Behzad Mehrani

der Schriftsteller und politische Aktivist Arzhang Davoodi

die Vizepräsidentin einer Studentenorganisation, Shabnam Madadzadeh

…und viele, viele, viele andere.