Moussavis Brief von 1988 zu seinem Rücktritt als Ministerpräsident

Auf Persisch erschienen bei Green Correspondents am 29. Juli 2010
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von Julia

Im Namen Gottes,
sehr geehrter Herr Präsident [Ali Khamenei],

ich bin in meinem öffentlichen Rücktrittsgesuch nicht auf die Gründe eingegangen, die mich zu diesem Schritt bewogen haben, weil die Feinde des Landes diese Gründe missbrauchen könnten. Deshalb möchte ich meine Beweggründe hier darlegen für den Fall, dass dies in Zukunft von Nutzen sein kann.

1) Die Regierung hat keinen Einfluss auf die Außenpolitik. Heute liegen Afghanistan, Libanon und Irak in Ihren Händen. Briefe werden an verschiedene Länder geschrieben, ohne dass die Regierung davon weiß. Ich als Premierminister habe nur zufällig von diesen Briefen und ihren Inhalten erfahren. Der japanischer Premierminister und unser Parlamentschef tauschen Briefe aus, und ich erfahre davon bei einer Veranstaltung!

Herr [Javad] Larijani *) sagt, dass die Regierung über fünf verschiedene Kanäle mit der US-Regierung in Kontakt steht. Ich habe überhaupt keine Kenntnis darüber, was für Verbindungen das sind. Überall wird von der Außenpolitik der iranischen Regierung gesprochen, aber die Regierung selbst hat keinerlei Einfluss auf sie.

2) Die Operationen in Ausland geschehen, ohne dass die Regierung etwas davon mitbekommt. Sie wissen, welche verheerenden Auswirkungen diese Operationen auf unser Land hatten. Flugzeuge werden entführt, im Libanon wird Blut vergossen, und von all dem erfährt die Regierung erst zumSchluss. Als bei iranischen Pilgern in Jeddah C4-Sprengstoff entdeckt wurde, habe ich das erst [von der saudischen Botschaft in Teheran] erfahren. **)
So etwas hat sehr schädliche Folgen für unser Land, und leider wird es auch in Zukunft solche Aktionen im Namen der Regierung geben.

3) Der Ausschuss für Finanzplanung wurde aus politischen Gründen aus der Zuständigkeit des Ministerpräsidenten entfernt, was bereits katastrophale Auswirkungen auf das Land hatte. Leider ist im Schlichtungsrat kein Problem für dieses Problem gefunden worden, ebensowenig wie für das Problem der Ratgeber-Minister. ***)

4) Die gesetzliche Macht der Regierung und ihrer Minister wird durch die ungesetzmäßig installierten Räte geschwächt.

5) Ich habe keine Macht, um für die Aktionen, die im Namen der Regierung erfolgen und von denen wir keine Kenntnis haben, vor dem Parlament und der Regierung die Verantwortung zu übernehmen.

6) Abschließend erinnere ich nochmals daran, dass Gott weiß, dass mein Rücktritt nicht bedeutet, dass ich einen Groll hege. Die Islamische Revolution wird ihren Weg auch ohne mich finden. Ich trete aus dem Gefühl der Machtlosigkeit zurück.

14. Shahrivar 1367 (September 1988)

Übersetzung aus dem Persischen: Hadi, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

Anmerkungen des Übersetzers:
*) Javad Larijani war damals offenbar Teil der von Moussavi indirekt erwähnten Schattenregierung um Khamenei. Er soll damals inoffiziell sehr viel Einfluss auf die iranische Außenpolitik gehabt haben.

**) Hintergrund: Die Sepah hatte damals offenbar im Gepäck ahnungsloser Pilger Sprengstoff versteckt, der von saudischen Behörden entdeckt wurde. Mousavi erfuhr erst durch die saudischen Behörden davon. Es gibt darüber einen Film (in arabischer Sprache) auf Youtube, 2. Teil hier

***) Khamenei hatte die Position von „Ratgeberministern“ in der Regierung installiert, um seinen Einfluss zu erweitern. Das war illegal, aber er blieb bei dieser Entscheidung. Moussavi war damit nicht einverstanden.

In diesem Zusammenhang interessant sind auch Moussavis aktuelle Enthüllungen über seine Erfahrungen als Ministerpräsident während des Iran-Irak-Krieges, auf Deutsch zu lesen hier

Eine Antwort zu “Moussavis Brief von 1988 zu seinem Rücktritt als Ministerpräsident

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