ICHRI, 5. Februar 2011 – In einem Interview mit der Organisation International Campaign for Human Rights in Iran (ICHRI) stellte die Friedensnobelpreisgewinnerin von 2003 und Leiterin des Zentrums für Menschenrechte Shirin Ebadi das Untersuchungsverfahren im Fall der letzte Woche hingerichteten Zahra Bahrami in Frage. Wäre es dem niederländischen Botschafter, wie in diplomatischen Protokollen vorgesehen, gestattet worden, Frau Bahrami zu treffen, und hätten die von der niederländischen Regierung bestellten Anwälte den Fall prüfen können, wären mit Sicherheit viele Fakten geklärt worden, so Ebadi. Die iranische Regierung habe jedoch kein Interesse an einer solchen Klärung gehabt.
Ebadi zufolge verstößt die Hinrichtung Zahra Bahramis gegen die Gesetze der Islamischen Republik Iran. Mit dieser Hinrichtung habe das Regime eine Botschaft an die Opposition senden wollen.
„Normalerweise dauert es nach dem Urteilsspruch zwei bis drei Jahre, bis ein Todesurteil vollstreckt wird. Kein (Todesurteil) ist jemals derart schnell an die Vollstreckungsabteilung gegangen und ausgeführt worden. Dies könnte ein Signal der iranischen Regierung an die Adresse der Opposition und der Regimegegner sein. Die iranische Regierung fürchtet, dass die zivilen Proteste in Tunesien, Ägypten und Jordanien auf Iran übergreifen könnten und hat deshalb beschlossen, ihre Gegner mit diesen Hinrichtungen zu warnen und zu verdeutlichen, dass sie unter keinen Umständen kompromissbereit ist. Die Regierung will klarstellen, dass die Bevölkerung sich keine Hoffnung darauf machen soll, dass die iranischen Herrscher zurücktreten“, so Ebadi gegenüber ICHRI.
„Ich war schockiert, als ich von Zahra Bahramis Hinrichtung erfuhr, denn die Anklagen waren noch nicht geprüft worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft lagen zwei Anklagepunkte gegen sie vor: Die Teilnahme an den Demonstrationen von Ashura sowie Verstecken und Schmuggel von Drogen. Nachdem sie an Ashura 2009 (27. Dezember 2009) verhaftet worden war, brachten Beamten sie wenige Tage später nach Hause und durchsuchten ihr Haus. Dabei entdeckten die Beamten, dass im Haus Drogen versteckt waren. Frau Bahrami wurde dann gezwungen, sich im Fernsehen zu den Vergehen der „Mitgliedschaft in einer Monarchistengruppe“ und des „Drogenschmuggels“ zu bekennen.“
„Ihre Anwältin sagt, dass Frau Bahrami getäuscht wurde, denn die Befrager hatten ihr zugesagt, sie freizulassen, wenn sie geständig ist. In jedem Fall ist das Vorgehen nicht normal gewesen. Wenn jemand, der illegale Dinge wie Drogen in seinem Haus hat, verhaftet wird, ist das erste, was die Hausbewohner normalerweise tun, diese Dinge zu zerstören und zu beseitigen. Frau Bahrami wurde auf der Straße verhaftet, ins Gefängnis und später nach Hause gebracht, und wenn es Drogen in ihrem Haus gegeben hätte, hätte dieser Umstand den Hausbewohnern die Möglichkeit gegeben, diese zu beseitigen.“
„Frau Bahrami hatte nicht nur die iranische, sondern auch die niederländische Staatsbürgerschaft. Die niederländische Botschaft in Iran hat um ein Zusammentreffen mit ihr gebeten, aber der Antrag wurde abgelehnt. Später bat der niederländische Außenminister darum, dass die niederländischen Anwälte an dem Fall beteiligt werden. Bevor er darauf eine Antwort bekam, entwickelte sich der Fall in die bekannte Richtung, und da das Urteil nun vollstreckt ist, hat die iranische Regierung den niederländischen Anwälten natürlich nicht gestattet, in den Fall einzugreifen. Vor diesem Hintergrund verstärkt sich der Verdacht, dass diese Hinrichtung politisch motiviert war.“
„Gemäß der diplomatischen Protokolle hätte dem niederländischen Botschafter ein Treffen mit Frau Bahrami gestattet werden müssen. Hätten die von der niederländischen Regierung bestimmten Anwälte nach Iran reisen und Einblicke in den Fall erhalten dürfen, wären definitiv viele Fakten ans Licht gekommen. Genau daran war die iranische Regierung aber nicht interessiert“, so Shirin Ebadi [die übrigens selbst Anwältn ist] abschließend.
Veröffentlicht bei International Campaign for Human Rights in Iran am 4. Februar 2011
Quelle (Englisch): http://www.iranhumanrights.org/2011/02/ebadi-bahrami-case-facts/
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