Kurzmeldungen aus Iran – 11. März 2011

Fatemeh Karroubi

Tehran Bureau, 12. März 2011

1. Wo sind Mehdi Karroubi und seine Frau?
Nach 18 Tagen brannte am Donnerstag Abend im Wohnzimmer, im Schlafzimmer und in der Garage des Mehrfamilienhauses, in dem Mehdi Karroubi und seine Frau Fatemeh leben, wieder Licht. Als Mitglieder der Familie jedoch die Wohnung aufsuchten, öffnete niemand die Tür.

Mehdi Karroubi

Ein Familienmitglied sagte, die Familie glaube nach wie vor, dass ihre Eltern an einen unbekannten Ort gebracht wurden. „Wenn die beiden infolge des Drucks von außen und des heroischen Kampfes der Bevölkerung wieder nach Hause gebracht wurden, werden wir das erst glauben, wenn wir sie vor uns sehen.“

2. Innenpolitik/Regierung
Bei einem Treffen mit Mitgliedern des Expertenrats sagte Ayatollah Khamenei, seine Anhänger sollten keine Schimpfwörter benutzen, sich nicht umoralisch verhalten oder falsche Beschuldigungen vorbringen, wenn sie seine Gegner kritisieren. Damit werde der Islamischen Republik nur Schaden zugefügt. Er führte nicht aus, wie er solches Verhalten künftig unterbinden will. In der Vergangenheit hatte er sich bereits mehrfach ähnlich geäußert.
Er erklärte auch nicht, warum er explizit gegen Saeed Tajik – den Basiji, der Faezeh Hashemi beleidigt hatte und dessen Gedichte er bei einem Treffen mit regierungstreuen Autoren gepriesen hatte – Position bezog. Auch Ayatollah Mohammad Emami Kashani hatte in seiner Freitagspredigt in Teheran unmoralisch vorgebrachte Kritik verurteilt.

3. Gefangene und ihre Familien
Der Prozess gegen Dr. Ebrahim Yazdi, den Führer der Iranischen Freiheitsbewegung (LMI) wird am Sonntag, dem 13. März beginnen. Der 80jährige Yazdi ist Irans ältester politischer Gefangener. Er war vor mehreren Monaten in Isfahan festgenommen worden, weil er mit Freunden an „illegalen Freitagsgebeten“ teilgenommen habe. Ihm wird jetzt die Gründung der LMI vorgeworfen.
In Anbetracht der Tatsache, dass die LMI von Mehdi Bazargan – einem früheren Ministerpräsidenten der Islamischen Republik – und Ayatollah Seyyed Mahmoud Taleghani im Jahr 1961 gegründet wurde, scheint die Islamische Republik ihre Rechtssprechung auf eine Zeit auszudehen, in der sie noch gar nicht existierte.

Zia Nabavi, der Sprecher des Rates zum Schutz des Rechts auf Bildung, ist verschwunden. Der Rat setzt sich für Studenten ein, die aufgrund ihrer politischen Aktivitäten von ihrem Studium ausgeschlossen werden. Nabavi war im Gefängnis Karoun in der südwestiranischen Stadt Ahvaz inhaftiert.
Er ist Graduiertenstudent für Chemieingenieurwesen an der Noshiravani-Universität in der nordiranischen Stadt Babol. Obwohl er 2008 beim nationalen Aufnahmeexamen für Graduiertenstudien zu den besten Studenten gehörte, durfte er sich nicht immatrikulieren. Er wurde am 15. Juni 2009 verhaftet und nach einem Schauprozess zu 10 Jahren Haft verurteilt. Vor einem Monat hatte seine Familie ihn besucht, aber seitdem weiß niemand mehr, wo Nabavi ist. [Update: http://en.irangreenvoice.com/article/2011/mar/12/2931]

Der Journalist Masoud Bastani ist in das Geheimdienstgebäude des Gefängnisses Rajai Shahr in Karaj verlegt worden. Bastani war nach der Präsidentschaftswahl von 2009 verhaftet und in einem Schauprozess zu 6 Jahren Haft verurteilt worden.
Seine Frau Mahsa Amrabadi wurde bei den Demonstrationen vom 20. Februar verhaftet. Daraufhin hatte Bastani in einem Brief an den Teheraner Staatsanwalt Abbas Jafari Dowlatabadi geschrieben: „Das einzige ‚Verbrechen‘ meiner Frau besteht darin, dass sie mit mir verheiratet ist.“ Mit seiner Verlegung in das Geheimdienstbüro soll er offenbar für seinen Brief bestraft werden.

Hani Mohammad-Zadeh, mit 19 Jahren der jüngste politische Gefangene, ist zu 6 Monaten Gefängnis und 74 Peitschenhieben verurteilt worden. Nach seiner Verhaftung im Februar 2010 wurde er zunächst zu 9 Monaten Haft und 84 Peitschenhieben verurteilt. Ein Berufungsgericht reduzierte das Urteil später.

3. Iran und die Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt
Akbar Hashemi Rafsanjani erklärte am Freitag: „Das Erwachen des Volkes in Libyen könnte (viele Menschenleben) kosten, aber es wird Früchte tragen. Auch in anderen Ländern könnte es zu Aufständen kommen. Durch die neuen Möglichkeiten der Massenkommunikation sind die Menschen informierter geworden.“

Dr. Mohammad Sadr, stellvertretender Außenminister in der Regierung Mohammad Khatami, sagte in einem Interview: „Man kann nicht gleichzeitig die Aufstände in Tunesien und Ägypten verteidigen und seine eigene Bevölkerung gegenteilig behandeln.“ Und: „Außenpolitik ist die Erweiterung der Innenpolitik. Wenn beide Bereiche auf die Berücksichtigung der Forderungen der Bevölkerung ausgerichtet sind, werden sie von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert.“

4. Verhaftungen und Freilassungen
Hossein Marashi, Vizepräsident während Mohammad Khatamis zweiter Amtszeit als Präsident der Islamischen Republik, ist nach Beendigung seiner Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Er war im März 2010 in einem kurzen Prozess zu 1 Jahr Haft verurteilt worden.

Kourosh Zaeim – Autor, Übersetzer, politischer Aktivist und Mitglied der oppositionellen Nationalen Front – ist aus dem Gefängnis freigelassen worden. Er war kurz vor den Demonstrationen vom 14. Februar verhaftet worden. In den letzten Jahren war Zaeim mehrmals vom Geheimdienstministerium verhaftet worden.

Der Teheraner Justizchef Sayyed Alireza Avaei hat mitgeteilt, dass er über die Anzahl der Festnahmen am Internationalen Frauentag am 8. März keine präzisen Informationen hat. Dies steht im Widerspruch zu Aussagen anderer Offizieller, die erklärt hatten, dass an diesem Tag nichts außergewöhnliches vorgefallen sei. Avaei sagte, es käme oft vor, dass Menschen verhaftet werden, aber wenn sich herausstelle, dass es sich bei den Festgenommenen lediglich um Passanten handelt, würden sie wieder freigelassen.

Die beiden kurdischen Menschenrechtsaktivisten Saeed Saedi und Yahya Ghavami sind freigelassen worden. Sie waren am 28. Dezember 2010 während einer Versammlung bei der Familie des kurdischen Aktivisten Habibollah Latifi verhaftet worden. Für ihre Freilassung mussten die beiden eine Kaution von jeweils 80.000 Dollar hinterlegen.

Farnaz Kamali, Studentin der Politikwissenschaften an der Islamischen Freien Universität Teheran, ist nach Hinterlegung einer Kaution in Höhe von 300.000 Dollar aus dem Gefängnis freigelassen worden. Ihr werden „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Teilnahme an den Demonstrationen vom 14. Februar“ und „Unterstützung der Führer der Grünen Bewegung“ vorgeworfen.

Ehsan Kahookar Toosi und Mohammad Hormoz-zadeh, Studenten der Ferdowsi-Universität in Mashhad, sind ebenfalls frei. Sie mussten jeweils 50.000 Dollar Kaution hinterlegen. Sie waren Anfang Februar verhaftet worden.

Dr. Abdollah Naseri, Mitglied des Zentralkomitees der Organisation der Mojahedin der Islamischen Revolution, ist frei. Er war am 14. Februar verhaftet worden. Unter Präsident Khatami war er Chef der offiziellen iranischen Nachrichtenagentur IRNA.

Sayyed Morteza Akbari, Graduiertenstudent der Politikwissenschaften an der Mofid-Universität in Qom, ist verhaftet worden. Er war am 16. Februar verschwunden, nachdem er an der Beerdigung des bei den Demonstrationen vom 14. Februar getöteten Kunststudenten Sane Jaleh teilgenommen hatte. Akbari informierte seine Familie in einem kurzen Telefonat darüber, dass er im Evin-Gefängnis festgehalten wird.

Hamed Taghipour, Student an der Universität für Wissenschaft und Technologie in Iran, ist aus der Haft entlassen worden. Er war am 14. Februar verschwunden, man nahm an, dass er ins Evin-Gefängnis gebracht worden war. Er studiert Materialwissenschaften.

Vali Sadjadpour, Graduiertenstudent des Bauingenieurwesens an der Technischen Universität Amir Kabir, wurde ebenfalls freigelassen.

5. Proteste und Streiks
500 Lehrerinnen, die in armen Stadtteilen Teherans arbeiten, haben sich versammelt und gegen den fünfmonatigen Zahlungsrückstand ihrer Gehälter protestiert. Sie geben an, dass ihnen wegen ihres Protests mit Kündigung gedroht worden sei.

Veröffentlicht bei Tehran Bureau am 12. März 2011
Quelle (Englisch) und weiterführende Links: http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/tehranbureau/2011/03/lights-go-on-in-karroubi-home-but-still-no-other-sign-of-couple.html#ixzz1GNItXpSH
Thematische Unterteilung: Julias Blog

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