Kurzmeldungen aus Iran – 25. März 2011

Tehran Bureau, 25. März 2011 (Auszüge)

1. Internationales
22 Mitglieder des UN-Menschenrechtsrates, die in Genf zusammengetroffen sind, haben für eine Resolution gegen Iran gestimmt. Der Rat billigte die Ernennung eines Sonderberichterstatters für die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik  7 Länder stimmten gegen die Resolution, 14 enthielten sich. […] Für die Resolution stimmten u. a. Argentinien, Belgien, Chile, Frankreich, Guatemala, Ungarn, Japan, die Malediven, Mexiko, Moldavien, Norwegen, Polen, Senegal, Slovakei, Südkorea, Spanien, Schweiz, Ukraine, Großbritannien, die Vereinigten Staaten und Sambia. Bangladesch, China, Kuba, Ecuador, Mauretanien, Pakistan und Russland stimmten dagegen. Enthaltungen kamen aus Bahrain, Burkina Faso, Kamerun, Djibuti, Gabun, Ghana, Jordanien, Malaysia, Mauritius, Nigeria, Saudi Arabien, Thailand, Uganda und Uruguay. Die Delegierten aus Angola, Kirgistan und Qatar verließen vor Beginn der Abstimmung den Saal. Ein Diplomat aus Ecuador sagte, der Leiter seiner Delegation sei beschämt darüber gewesen, gegen die Resolution zu stimmen, habe aber eine entsprechende Anordnung vom ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa erhalten, nachdem dieser direkt mit dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad gesprochen hatte.

Politico berichtet über die Sanktionen der Europäischen Union gegen iranische Offizielle, die an Menschenrechtsverletzungen und den Ereignissen seit der Präsidentschaftswahl von 2009 in Iran beteiligt sind.

Auf der Liste der betroffenen Personen stehen:
Generalmajor Hassan Firouzabadi, Stabschef der bewaffneten Streitkräfte, Offiziere des Oberkommandos der Islamischen Revolutionsgarden, der iranische Polizeichef Esmail Ahmadi Moghaddam sowie mehrere weitere hochrangige Polizeibefehlshaber, die Verantwortlichen für das berüchtigte Gefängnis Rajai Shahr in Karaj, Spitzenmitglieder des Kabinetts der Regierung Ahmadinejad, Beamte im Ministerium für Information und Kommunikation, Justizchef Sadegh Larijani, sein erster Stellvertreter Ebrahim Raisi und viele weitere Richter und Justizbeamte, der Chef der iranischen Gefängnisbehörde Gholam-Hossein Esmaili sowie seine Vertreter, der Geschäftsführer der Tageszeitung Kayhan Hossein Shariatmadari, die erzkonservativen Geistlichen Ahmad Jannati, Mohammad Yazdi, Mohammad Taghi Mesbah Yazdi, Ahmad Khatami und Ghorban-Ali Dorri Najafabadi, sowie der Leiter der Cybergruppe „Ashiyaneh“ der Revolutionsgarden Behrouz Kamalian. Die vollständige Liste ist hier einzusehen.

2. Iran und die Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt
Der frühere Generalsekretär der libanesischen Hisbollah und Khamenei-Anhänger Subhi al-Tufayli sagte in einem Interview, „einige Leute in Iran“ hätten die Demonstrationen in Bahrain „provoziert, um die Proteste in den Straßen Teheran zu beruhigen“. Er kritisierte die Intervention der Hisbollah in Bahrain und stellte sich auf die Seite mit den dortigen Schiiten. Solche Aktionen würden zu Konflikten zwischen Sunniten und Schiiten führen und der Islamischen Welt schaden.

Obwohl bei den jüngsten Demonstrationen in Syrien mindestens 15 Menschen getötet wurden und die Anzahl der Todesopfer damit auf ca. 100 angestiegen ist, zeigen die Beobachtungen des Autors bezüglich der Veröffentlichungen auf Ahmadinejad-treuen iranischen Webseiten und anderen regierungstreuen Massenmedien, dass diese die dortigen Ereignisse größtenteils ignorieren.
Die vom Geheimdienst der Islamischen Revolutionsgarden kontrollierte Nachrichtenagentur Fars News und die von der nationalen iranischen Rundfunk- und Fernsehanstalt Seda va Sima betriebene Anstalt IRIB News bzw. Webseite Jam-e Jam; die amtliche studentische Nachrichtenagentur ISNA, die dem Parlamentsprecher Ali Larijani nahestehende Webseite Khabar, sowie die von der erzkonservativen Anhängerin Ahmadinejads und Ehefrau von Gholam-Hossein Elham geführten Webseite Raja News – sie alle haben sich über Syrien vollständig ausgeschwiegen.

Die Seiten, die über die Demonstrationen in Syrien berichten, befördern in ihren Artikeln die Theorie, dass ausländische Mächte hinter den Protesten stecken. Die offizielle iranische Nachrichtenagentur IRNA berichtete lediglich über die Absetzung des Provinzgouverneurs von Daraa, wo die meisten der syrischen Demonstrationen stattfanden. Die vom Hardliner und Parlamentsabgeordneten Alireza Zakani betriebene Webseite Jahan News brachte einen Artikel, in dem behauptet wird, dass unbekannte Bewaffnete syrische Bürger angegriffen und getötet hätten. Die Webseite Mehr News, die von der Organisation für Islamische Propaganda kontrolliert wird, behauptet in einem Artikel, dass Israel bei den Ereignissen in Syrien eine Rolle spielt. Tabnak, die Webseite des früheren Befehlshabers der Revolutionsgarden Mohsen Rezaei, schreibt ebenfalls, dass „Unbekannte“ syrische Demonstranten in Daraa getötet hätten.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels [bei Tehran Bureau] hatten die meisten dieser Webseiten und Nachrichtenagenturen noch nicht erwähnt, dass Präsident Bashar Assads Sprecher Dr. Bouthaina Shaaban die Aufhebung des seit 1962 herrschenden Ausnahmezustands – eine der Hauptforderungen der Demonstranten – angekündigt hat. Shaaban zufolge hat Assad außerdem eine Kommission eingerichtet, die sich mit den Ereignissen in Syrien befassen soll.

All diese Webseiten haben andererseits ausführlich über die Stellungnahmen von Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast zu den Entwicklungen in Bahrain berichtet. Er verurteilte das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten dort sowie die militärische Intervention Saudi Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate aufs Schärfste.

3. Opposition
Die Justiz hat mehrere führende Mitglieder der Reformpartei „Organisation der Mojahedin der Islamischen Revolution“ einbestellt, darunter den Generalsekretär der Partei und stellvertretenden Agrarminister unter Präsident Khatami, Mohammad Salamati, Parteisprecher Mohsen Armin, der von 2000 – 2004 stellvertretender Parlamentsprecher war, sowie Sadegh Nowruzi, ein Mitglied des Zentralkomitees der Partei.
Ebenfalls vorgeladen wurden Dr. Mohammad Reza Khatami, der jüngere Bruder des Ex-Präsidenten und ehemalige Generalsekretär der verbotenen Islamischen Iranischen Partizipationsfront, Dr. Ali Shakouri-Rad und Dr. Hamid Reza Jalaei Pour – beide Mitglieder des Zentralkomitees derselben Partei. Shakouri-Rad ist zuvor zwei Mal verhaftet worden. Offenbar will die Justiz sie dazu bringen, keine Erklärungen mehr im Namen ihrer verbotenen Parteien abzugeben. Beide Gruppen hatten erklärt, ihr Verbot sei rechtswidrig, und man werde die Arbeit so weit wie möglich fortsetzen.

4. Gefangene und ihre Familien
Ali Jamali, der Vorsitzende des politischen Ausschusses der iranischen Alumni-Organisation Advar-e Tahkim-e Vahdat, ist nach einem dreitätigen Hafturlaub aus Anlass des Beginns des iranischen Neuen Jahres ins Gefängnis zurückgekehrt. Ein Antrag auf Verlängerung des Hafturlaubs wurde abgelehnt. Er verbüßt eine zweijährige Haftstrafe.

Es gibt weiterhin keine Nachricht über Amir Gol, einen Maschinenbau-Studenten der Technischen Sharif-Universität. Er war Ende Februar vom Geheimdienstministerium vorgeladen und dann verhaftet worden. Seiner Familie wurde mitgeteilt, dass er im Evin-Gefängnis inhaftiert wurde. Die Familie hatte gehofft, dass er zu Beginn des Neuen Jahres freigelassen werden würde, was jedoch nicht geschah.
Im Verlauf der letzten zwei Jahre sind unzählige Studenten der Sharif-Universität – einer der führenden Universitäten Irans – verhaftet worden.

5. Getötete und ihre Familien
Der Vater des bei den Demonstrationen vom 14. Februar getöteten Kunststudenten Sane Jaleh berichtet, dass ihm von den Basijis 75.000 Dollar angeboten wurden. Er habe das Angebot abgelehnt, woraufhin ihm damit gedroht wurde, dass sein älterer Sohn dasselbe Schicksal erleiden könnte. Er habe darauf erwidert: „Mein Sohn wurde getötet, weil er tat, was er für richtig hielt. Mein anderer Sohn tut ebenfalls, was er für richtig hält, und ist bereit, dafür jeden Preis zu zahlen.“

Die Justiz hat den Angehörigen des bei den Demonstrationen vom 15. Juni 2009 getöteten Studenten Kianoush Asa mitgeteilt, sie sollten aufhören, seinen Fall zu verfolgen, da dies nichts bringen würde. Der Kurde Asa studierte Chemieingenieurwesen an der Iran University of Science and Technology in Teheran und war ein herausragender Student. Auch fast zwei Jahre nach seinem Tod gibt es keine Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Ermordung. Vor Kurzem hatten seine Familie und seine Freunde an der Universität und an seinem Grab seinen Geburtstag gefeiert.

6. Medien und Internet
Emruz News – eine Webseite, die der verbotenen Partei „Mojahedin der Islamischen Revolution“ nahesteht, berichtet, das Geheimdienstministerium könnte erfolgreich versucht haben, mit seinem Server den Datenverkehr von Google und Yahoo in Iran abzufangen und sich somit Zugang zu E-Mails zu verschaffen, die über diese Seiten versendet wurden. Emruz News hat außerdem eine Anleitung veröffentlicht, wie man überprüfen kann, ob man davon betroffen ist: http://www.emruznews.com/2011/03/post-6052.php. [Anm. d. Übers.: eine sehr ausführliche Anleitung auf Persisch findet sich hier]

Es gibt eine neue Webseite: Sie heißt Sorkh-e Sabz (Rotes Grün). Sie beschreibt sich selbst als Webseite für die Märtyrer der Grünen Bewegung, von denen sie 153 auflistet.

Quelle (Englisch) und weiterführende Links: http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/tehranbureau/2011/03/new-un-eu-action-on-iran-rights-violations-state-media-mum-on-syria.html#ixzz1HcQlP2SL

Anm. d. Übers.: Tehran Bureau stellt diese Presseschau zusammen, ohne jede einzelne Meldung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Ich verzichte daher auf die Übersetzung von Meldungen, bei denen der „Sensationsfaktor“ den Informationsgewinn übersteigt und die mir aus anderen Quellen bis zum Zeitpunkt dieser Übersetzung nicht bekannt waren. Meldungen, zu denen auf diesem Blog bereits andere Artikel erschienen sind, werden ebenfalls nicht erneut übersetzt, es sei denn, sie enthalten wichtige zusätzliche Informationen.

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