Rooz, 12. Juli 2011 – Der frühere Ahmadinejad-Anhänger Emad Afrough prophezeit, dass die „Elite“ an der bevorstehenden Parlamentswahl nicht teilnehmen werde. Damit schließt er die Möglichkeit eines Wechsels im nächsten Parlament bzw. einer massiven Wahlbeteiligung aus.
Afrough gehört der Fraktion der Prinziplisten an, die an die Essenz der Islamischen Revolution von 1979 glauben, Ayatollah Khomeini, Ayatollah Khamenei und sogar Mahmoud Ahmadinejad folgen – auch wenn sich in letzter Zeit einige von ihnen, wie auch Afrough, von Ahmadinejad abgewandt haben. Gegenüber der Webseite Khabar Online – die dem Parlamentsprecher Ali Larijani nahesteht – erklärte Afrough, wegen der Ereignisse vor, während und nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl von 2009 werde sich „die Elite und die Öffentlichkeit nicht im großen Maßstab an der bevorstehenden Parlamentswahl beteiligen.“ Auch er selbst werde nicht für das Parlament kandidieren.
Afrough war in den 1990er Jahren einer der ersten Theoretiker der Hizbollah-Bewegung und ein scharfer Kritiker der Reformregierung Mohammad Khatami, des reformorientierten 6. Parlaments und der Reformbewegung im Allgemeinen. 2005 war er zusammen mit Mohammad Khoshchehreh einer der wichtigsten Theoretiker für Ahmadinejads erste Amtszeit als Präsident der Islamischen Republik.
Verlust des öffentlichen Vertrauens
Afroughs Äußerungen kommen zu einer Zeit, in der Beobachter, Aktivisten und Journalisten sich vermehrt öffentlich über die nächsten Parlamentswahlen Gedanken machen, die am 2. März 2010 stattfinden soll.
Die Debatte begann, als der renommierte Journalist Massoud Behnoud in der VoA-Sendung „Parazit“ sagte, er rechne für die Parlamentswahl mit einer Wahlbeteiligung [? „turnover“] von etwa 60 Prozent. Politische Kreise und die Medien reagierten mit einer Welle von Kritik und Zustimmung.
Anhänger des Regimes glauben, dass es wegen der jüngsten Entwicklungen im Land und in der Region eine hohe öffentliche Beteiligung an den Wahlen geben wird. Gegner der Regierung hingegen gehen vom genauen Gegenteil aus, vor allem wegen der umstrittenen Präsidentschaftswahl von 2009.
Afrough ist Prinziplist und glaubt an das Prinzip der Führung des Obersten Rechtsgelehrten („velayat-e faghih – ein Gründungsgrundsatz der Islamischen Republik). Beim Thema Wahlen erinnern seine Ansichten jedoch eher an die eines Teils der Grünen Bewegung, der politische Reformen für Iran fordert.
„Ohne eine Änderung der bestehenden Bedingungen können wir hinsichtlich der Wahlen zum 9. Parlament nicht optimistisch sein“, so Afrough gegenüber Khabar Online. „Es hat sich ein öffentliches Misstrauen entwickelt, und es gab gewisse Ereignisse vor, während und nach der 10. Präsidentschaftswahl von 2009, die repariert werden müssen“.
Afrough zufolge gibt es in der Elite, die für das Parlament kandidieren möchte, kein Vertrauen in die bevorstehende Wahl, ebensowenig in der Öffentlichkeit, die für ihre Kandidaten stimmen möchte.
Hinsichtlich der von ihm erwähnten „Reparaturen“ fügt Afrough erläuternd hinzu: „Es gab Anschuldigungen, für die keine Beweise geliefert wurden und für die es nie eine Entschuldigung gab“.
Er scheint damit auf die Anschuldigungen Ahmadinejads gegen Hashemi Rafsanjani und seine Familie, Nategh Nouris Sohn Mohsen Safai Farahani und andere während des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahl von 2009 und den Debatten mit seinem Gegenkandidaten Mir Hossein Moussavi anzuspielen. Familie Rafsanjani hat deshalb gegen Ahmadinejad geklagt, allerdings hat die Justiz den Fall nicht aufgegriffen.
In seinem Interview stellte Afrough klar, dass er zwar beide Seiten (Reformer und Regierung) kritisiert, der größere Teil seiner Kritik sich jedoch gegen „Machthaber und Regierung“ richtet. Er nennt aber auch einige Lösungsmöglichkeiten: Es müssten „Entschuldigungen fallen“, und die Justiz müsse „unabhänig gegen diejenigen vorgehen, die sich unethisch verhalten“. Nur dann könne man erwarten und hoffen, dass die Dinge sich zum Positiven wenden können.
Der Ausgang der Präsidentschaftswahl von 2009, zu deren Sieger die Islamische Republik Mahmoud Ahmadinejad erklärt hatte, war von den drei Gegenkandidaten des Amtsinhabers Mir Hossein Moussavi, Mehdi Karroubi und Mohsen Rezai entschieden angezweifelt worden. Millionen Iraner, zumeist Anhänger Moussavis, gingen nach der Wahl in allen großen Städten Irans auf die Straßen und protestierten mehrere Monate lang gegen die offiziell verkündeten Ergebnisse. Das Regime wies die Vorwürfe [der Wahlfälschung] zurück und reagierte auf die Proteste mit einer gewaltsamen Niederschlagung, bei der unzählige Demonstranten verletzt und getötet wurden. Tausende wurden inhaftiert.
Schließlich wurden Moussavi und Karroubi zusammen mit ihren Ehefrauen [im Februar 2011] unter Hausarrest gestellt und von jedem Kontakt mit der Außenwelt isoliert.
Khatamis Bedingungen
Die Frage einer Teilnahme an den bevorstehenden Parlamentswahlen kam wohl erstmals auf, nachdem der frühere zweimalige Präsident Mohammad Khatami Bedingungen für eine Teilnahme der Reformer gestellt hatte. Er hatte zunächst seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass das Regime die „Inhaftierungen einstellen und bürgerliche Grundfreiheiten garantieren“ werde. Außerdem forderte er, dass Institutionen, denen eine politische Einflussnahme durch die Verfassung, die Religion und das Gesetz verboten ist – wie z. B. die Streitkräfte und die Sicherheitsdienste – daran gehindert werden müssten, sich in die Politik einzumischen.
Der nach der Präsidentschaftswahl von 2009 inhaftierte bekannte Reformer Mostafa Tajzadeh hatte vor Kurzem in einem Interview mit der [oppositionellen Webseite] Kalemeh die Reformer aufgerufen, sich nicht an der Parlamenswahl zu beteiligen und die Legitimität der Wahl so in Frage zu stellen. Tajzadeh, Mitglied der Organisationen [und Reformer-Parteien] „Mojahedin der Islamischen Revolution“ (Sazemane Mojahedin Enghelab Islami) und „Islamische Iranische Partizipationsfront“ (Jebhe Mosharekat Iran Islami), bekräftigte Khatamis Bedingungen und erklärte, es gebe für „Reformer, die nur teilnehmen werden, wenn die Wahlen frei sind“, keinen „Mittelweg“. Die Reformer dürften dem Regime keine andere Option lassen als freie Wahlen zu garantieren.
„Vor dem 12. Juni 2009 [dem Tag der Präsidentschaftswahl] habe ich daran geglaubt, dass wir ohne Rücksicht auf die Bedingungen an allen Wahlen teilnehmen und versuchen müssen, im Parlament vertreten zu sein, selbst wenn wir nur eine Minderheit stellen können – dass wir also selbst dann teilnehmen, wenn wir gegen die Wahlen Bedenken haben. Aber die Grüne Bewegung hat das meiner Meinung nach dahingehend neu definiert, dass wir nicht an der Wahl teilnehmen und es ihnen überlassen sollten, ihre Differenzen auszutragen, damit sie sich verstärken“, so Afrough.
Er habe keine Zweifel daran, dass es bei der letzten Präsidentschaftswahl „direkte oder indirekte Manipulationen“ gegeben habe. Er selbst habe aus nächster Nähe miterlebt, wie die Exekutive in den Wahlprozess eingegriffen habe.
Vor Afrough hatte schon der Abgeordnete Hamid-Reza Fouladgar erklärt, dass „die ein oder zwei Einmischungen“ einiger Mitglieder des Wächterrats dazu geführt hätten, dass sie „Vermerke“ bekommen hätten. Abgeordnete hatten zuvor eine Untersuchung der Vorwürfe gefordert, dass die Regierung Ahmadinejad vor der Präsidentschaftswahl von 2009 „illegale Gelder an 9 Millionen Bürger verteilt“ habe.
Afrough war Abgeordneter im 8. Parlament und ein Kritiker der Regierung Ahmadinejad. Er hatte danach nicht wieder für das Parlament kandidiert. Eigenen Angaben zufolge habe er Drohanrufe erhalten, was er den staatlichen Sicherheitsorganen zur Kenntnis gegeben habe.
Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Rooz Online. 12. Juli 2011
Hi Juli, die nächsten Parlamentswahlen werden am 20.Februar 2012 stattfinden – hier hat sich wohl ein Fehlerteufel eingeschlichen.
http://iran-infos.de/index.php/content/view/39/60/
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