Inhaftierter Student Omid Kokabi berichtet über Druck und Folter im Evin-Gefängnis

Omid Kokabi

Persian Banoo, 16. Juli 2011 – Kurz vor Beginn seines Gerichtsprozesses hat der im Evin-Gefängnis inhaftierte Omid Kokabi, Postdoc-Student der Nuklearphysik an der Universität Texas, einen Brief an den iranischen Justizchef Ayatollah Sadegh Larijani verfasst. Darin beschreibt er, wie er im Gefängnis mit Druck und Folter dazu gezwungen werden sollte, falsche Geständnisse abzulegen, und bittet den Justizchef um ein faires und gerechtes Verfahren.

Omid Kokabi wurde im Februar 2011 verhaftet, als er gerade wieder in die USA zurückkehren wollte. Seitdem wird er in Evin festgehalten. Bevor er in die Abteilung 350 von Evin verlegt wurde, wurde er über einen Monat lang in Einzelhaft gehalten, unter Druck gesetzt und gefoltert.

Omid Kokabi machte seinen Bachelor-Abschluss an der Sharif-Universität in Teheran. Seinen Master absolvierte er in Deutschland, bevor er an der Polytechnischen Universität Barcelona schließlich seinen Doktor machte.

2010 erhielt er ein Vollstipendium der Universität Texas, wo er sein Postdoc-Studium aufnahm.

Bei seiner Verhaftung wurden ihm „Zusammenarbeit mit einem feindlichen Staat“ und „Einkommenserwerb durch unlautere Mittel“ vorgeworfen. In seinem Brief an den Justizchef stellt Kokabi die Rechtmäßigkeit seiner Verhaftung und Inhaftierung in Frage und berichtet über den Druck und die Folterungen, mit denen die Verhörbeamten ihn zu einem erzwungenen falschen Geständnis bewegen wollten.

Omid schreibt:

„Es gab wiederholte Drohungen, meine Lehrer an der Universität zu verhaften, die mich für gemeinsame Wissenschafts- und Forschungsarbeiten nach Iran eingeladen hatten. Immer wieder wurde mir damit gedroht, mich an andere Verhörbeamte zu übergeben, die mich noch härter schlagen würden und mir noch mehr Einschränkungen bei der Nutzung der Waschräume auferlegen, sämtliche Essensdienstleistungen einstellen und alle Kontakte mit der Außenwelt unterbinden würden. Immer wieder wurde mir gesagt, dass es meinem Vater nach einer Operation am offenen Herzen schlecht gehe. Er habe wegen meiner Verhaftung einen Herzinfarkt erlitten und befände sich im Krankenhaus in einem sehr schlechten Zustand. Sie drohten mir an, mich in Einzelhaft zu nehmen und mir alle Kontakte zu meiner Familie zu untersagen. Sie sagten, dass ich meinen Vater nie wieder sehen würde.

Sie erwähnten auch die Herzerkrankung meiner Schwester und sagten, dass ihr Zustand sich verschlechtert habe, weil die Beschäftigung mit meinem Fall so viel Druck für sie bedeutete. Die Verhörbeamten wussten ganz genau, wie sehr ich  meine Familie liebe und wie wichtig sie mir ist – vor allem meine Eltern. Obwohl meine Eltern aus einer finanziell benachteiligten Klasse stammen und nur das Einkommen eines Lehrers zur Verfügung haben, haben sie 9 Kinder großgezogen und allen einschließlich mir Bildung auf höchstem akademischem und wissenschaftlichem Niveau ermöglicht.

Sie [die Befrager] wussten genau, dass sie mich mit den Geschichten über  die Gesundheit und Krankenhausaufenthalte meiner Eltern und ihre Sorge um mein Wohlergehen in Einzelhaft stark unter Druck setzen konnten, um mich dazu zu bringen, ihre Bedingungen zu akzeptieren.

Alles, woran ich denken konnte war, wie ich etwas über meine Eltern in Erfahrung bringen und mit ihnen zusammen sein könnte. Der erste telefonische Kontakt mit ihnen fand 24 Tage nach meiner Verhaftung statt, und er dauerte nur zwei Minuten – nachdem ich von den Verhörbeamten mit ihren Manövern und psychologischen Druckmitteln so stark unter Druck gesetzt worden war. Später bemerkte ich, dass die Verhöre nicht so lange dauerten und mit weniger Druck, Drohungen und Einschüchterungen einhergingen, wenn ich aufschrieb, was die Befrager hören wollten. Ich kam zu dem Schluss, dass ich aufschreiben müsse, was die Befrager zufriedenstellt und was sie mir diktieren. Damals dachte ich nicht an die Konsequenzen, die das haben könnte.

Manchmal drohten sie mir mit Hinrichtung und behaupteten, sie könnten von der Justiz ohne Probleme eine Hinrichtungsanordnung erwirken. Sie sagten, wenn ich schreibe, was sie mir diktieren, wären meine Verhöre innerhalb von 2 bis 3 Tagen zu Ende, und ich würde freigelassen werden und könne meine Familie sehen.

Ich muss auch erwähnen, wie sie meine Verhörpapiere erstellten. Sie stellten mir entweder eine Frage mit der Erwartung einer bestimmten Antwort, oder diktierten mir, was ich aufschreiben sollte. Ich sollte aber immer einige Zeilen über meinen Antworten freilassen. Ich weiß nicht, was sie später dort eingetragen haben. Ich weiß nicht, ob sie etwas geschrieben haben, das mich belastet oder für Anklagen genutzt werden konnte.“

Omid beschreibt, wie die Befrager von ihm verlangten, alle seine Reisen im Zusammenhang mit seinem Studium und seinen Forschungsarbeiten aufzuschreiben, seine Forschungsprojekte detailliert zu beschreiben, aufzulisten, welche Botschaften er aufgesucht und wen er dort getroffen hatte. Insbesondere interessierten sie die Namen der Personen, die er in der amerikanischen Botschaft getroffen und gesprochen hatte. Sie bestanden darauf, dass die Menschen in der amerikanischen Botschaft keine regulären Angestellten gewesen seien, sondern Geheimdienstagenten.

Sie beschuldigten ihn, mit amerikanischen Geheimdienstlern gesprochen zu haben. Sie gingen sogar so weit, viele seiner Professoren als amerikanische Agenten zu beschreiben. Sie befragten ihn nach seinen Ausgaben, seinen Stipendien und Beihilfen.

Omid schreibt: „Herr Larijani, ich kenne den Grund für meine Verhaftung noch immer nicht“. Er betont, dass weder er noch seine Familie etwas mit Politik zu tun haben und dass er nicht versteht, warum er verhaftet wurde.

Er beschreibt, wie leicht man dem Druck und den Taktiken der Verhörbeamten nachgibt und alles gesteht, was sie wollen und sogar Dinge tut, um ihnen zu gefallen. Er drängt den Justizchaf, ihm ein faires Verfahren zu gewähren, in dem alle illegalen Vorgehensweisen und Rechtsverstöße berücksichtig werden.

Omid Kokabis Anwalt Saeed Khalili hatte in einem Interview mit der Webseite Jaras vor Kurzem erklärt, er habe seinen Klienten bislang nicht sehen dürfen. Er habe sich mehrfach darum bemüht, Kokabi zu sehen, um die Verteidigung vorbereiten zu können, habe aber die Erlaubnis des Teheraner Staatsanwalts nicht bekommen.

„Wie kann ich meinen Klienten vor Gericht verteidigen, wenn ich ihn vor seiner Verhandlung nicht persönlich sprechen darf?“, fragt Khalili. Er habe sich schon an den Justizchef gewandt und um dessen Hilfe und Intervention in dem Fall gebeten.

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Persian Banoo, 16. Juli 2011

Persische Quellen:
http://www.kaleme.com/1390/04/23/klm-65334/
http://www.rahesabz.net/story/39900/
http://www.rahana.org/archives/39513

2 Antworten zu “Inhaftierter Student Omid Kokabi berichtet über Druck und Folter im Evin-Gefängnis

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