Fall Abdolreza Ghanbari: „Sie wollen die Hinrichtung meines Mannes, um sie politisch auszunutzen“

afsdRooz, 16. August 2011 – Das Folgende ist eine Übersetzung des Interviews von Fereshteh Ghazi von Rooz Online mit der Ehefrau des zum Tode verurteilten Lehrers Abdolreza Ghanbari. Sie bezeichnete in dem Interview die Nachricht von der [bevorstehenden] Hinrichtung ihres Mannes als falsch und unwahr.

Ghanbaris Frau Sakineh Habibi erklärte nach einem Treffen mit ihrem Mann im Gefängnis, sein Fall werde noch vom Begnadigungs- und Amnestieausschuss geprüft, und sie und ihre Kinder seien voller Hoffnung. In den letzten Tagen hatte es Gerüchte darüber gegeben, dass der Fall Ghanbaris vom Begnadigungsausschuss an die Vollzugsabteilung gegeben worden sei. Außerdem war auf einigen Webseiten ein Brief eines Zellengenossen Ghanbaris in Abteilung 350 von Evin abgedruckt worden, aus dem hervorging, dass Ghanbari bereits darüber informiert worden sei.

Am vergangenen Samstag sagte Ghanbaris Frau in einem Interview mit Rooz, ihr läge keine Information über eine bevorstehende Hinrichtung vor und könne das Gerücht nach dem für den kommenden Montag geplanten Besuch bei ihrem Mann bestätigen oder dementieren.

Nachdem dieses Treffen nun stattgefunden hat, konnte sie bestätigen, dass die Gerüchte unbegründet sind und dass der Fall ihres Mannes noch immer beim Begnadigungsausschuss liege. Ihr Mann sei nicht darüber informiert gewesen, dass sein Fall an die Vollzugsabteilung gegeben worden sei.

Sakineh Habibi: „Gott allein weiß, was er in diesen Tagen durchgemacht hat. Wir waren extrem in Sorge, hatten aber keine Möglichkeit, an Informationen zu kommen, weil der Telefonkontakt mit Abteilung 350 verboten ist. Abgesehen von unseren Montags stattfindenden Besuchen haben wir keine Möglichkeit, etwas zu erfahren. Bei meinem gestrigen Besuch habe ich meinen Mann zu den Gerüchten befragt. Er war überrascht und sagte, ihm sei nichts dergleichen mitgeteilt worden.“

MKO will den Fall für Propagandazwecke nutzen
Ghanbari war wenige Tage nach den Ashura-Protesten vom Dezember 2009 in der Schule verhaftet worden, in der er als Lehrer arbeitete.

Er wurde wegen angeblicher Verbindungen zur Organisation der Volksmojahedin (MKO) der „Feindschaft gegen Gott“ (Moharebeh) für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, weil er E-Mails und einen Telefonanruf von den Mojahedin erhalten hatte.

Seine Frau bestreitet all diese Vorwürfe: „Er hatte keine Verbindungen zu dieser Organisation, er hat sie nicht unterstützt. Wie alle anderen in Iran hält er [die MKO] für eine Terrororganisation.“

„Bei einem Zusammentreffen mit dem Staatsanwalt habe ich ihm gesagt, wie unglücklich wir darüber sind, dass die Monafeghin (ein in Iran verbreiteter Begriff für die MKO) seinen Fall für ihre Propagandazwecke benutzen. Ich bin darüber nicht glücklich, und mein Mann auch nicht.“

„Mein Mann ist Lehrer und Erzieher, er ist nicht politisch aktiv und stand in keiner Verbindung mit Personen, Gruppen oder Organisationen, und keine Gruppe oder Organisation hat das Recht, seinen Fall für ihre Zwecke zu benutzen.“

Frau Ghanbari erklärt, sie habe in letzter Zeit von Leuten im Besucherraum [von Evin] oder Freunden gehört, dass die MKO die Stimme ihres Mannes gesendet und behauptet hätten, er sei politisch aktiv und einer ihrer Anhänger.

„Wir haben keine Plattform, um unsere Meinung oder unsere Stimme zu Gehör zu bringen. Wir hören all diese Dinge und sind sehr verärgert darüber“, so Frau Ghanbari. „Wie mein Mann sagt – wenn diese Organisation bei der Bevölkerung irgendeine Glaubwürdigkeit genießen würde, müsste sie sich nicht hinter fiktiven Namen verstecken und würden sich bei ihren Anrufen zumindest zu erkennen geben. Weil sie aber keine Glaubwürdigkeit und Ehre haben, rufen sie uns unter falschen Namen an und nehmen die Stimmen derjenigen auf, die sie angerufen haben. Die Aufnahmen verwenden sie dann in ihren Sendungen. Das heißt im Prinzip, dass es ihnen ausschließlich darum geht, eine Situation für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Ihnen ist es egal, dass sie Schaden anrichten und dass Unschuldige ihren Aktionen zum Opfer fallen.“

„Ich erkläre hiermit im Namen meines Mannes, dass wir keine Verbindung zu und keine Sympathie für diese Organisation, deren größte Errungenschaft darin besteht, ihr Volk und ihr Land betrogen zu haben. Was auch immer sie über meinen Mann sagen, ist absolut gelogen und unwahr.“

„Für uns gibt es innerhalb Irans keine Möglichkeit, unsere Stimme für die Öffentlichkeit hörbar zu machen. Es gibt keinen Ort, wo wir hingehen oder hinschreiben können, um zu erklären, dass wir mit den Mojahedin nichts zu tun haben. Wir akzeptieren sie nicht, aber sie nutzen uns politisch aus und spielen mit unserem Leben.“

„Vergeblich bin ich mehrmals zu den Medien hier im Land gegangen und habe sie gebeten, unseren Fall zu veröffentlichen. Weil das nichts genützt hat, muss ich jetzt ein Interview mit einer Medienquelle im Ausland führen, um unsere Situation zu erklären.“

„Ich habe in meinem ganzen Leben niemanden gekannt, der mit dieser Organisation in Verbindung stand. Sie sollten uns besser in Ruhe lassen. Sie spielen mit Herrn Ghanbaris Leben. Es geht ihnen nur um ihre eigenen Interessen. Sie wollen, dass mein Mann hingerichtet wird, damit sie [die Hinrichtung] politisch ausnutzen können. Bitte schreiben Sie das alles, bitte stoppen Sie sie.“

Abdolreza Ghanbari ist Oberschullehrer in Pakdasht und lehrte auch an der Universität Payamnour. Er wurde am 4. Januar 2010 in der Schule verhaftet, wo er arbeitete.

Er wurde wegen „Moharebeh“ (Feindschaft gegen Gott) und Verbindungen zur MKO angeklagt und von Abteilung 15 des Revolutionsgerichts unter Vorsitz von Richter Salavati zum Tode verurteilt.

Nach dem Gesetz darf ein Berufungsgericht Fälle mit dem Straftatbestand „Moharebeh“ nicht prüfen. Solche Fälle müssen an den Obersten Gerichtshof gehen. Der Fall Ghanbari ging dennoch an Abteilung 36 des Berufungsgerichts unter Vorsitz von Richter Zargar, der das Todesurteil gegen Ghanbari bestätigte.

Der Antrag Ghanbaris auf eine neue Anhörung wurde vom Obersten Gerichtshof abgelehnt. Er beantragte Amnestie und Begnadigund, aber nach Ablauf eines Jahres hat der Begnadigungsausschuss noch keine Entscheidung mitgeteilt.

In einem Interview, das Frau Ghanbari am Samstag, dem 13. August gab, sagte sie zu den E-Mails und Telefonaten, die als Beweismittel für das Todesurteil gegen ihren Mann gedient haben: „Ein E-Mail-Account ist wie ein Briefkasten. Jeder kann etwas an diese Adresse schreiben. Nur weil jemand eine E-Mail an meinen Mann schreibt, heißt das noch nicht, dass mein Mann oder diese Person schuldig sind und dafür bestraft werden müssen, weil es eine E-Mail gab. Ist das etwa ein konkreter Beweis?“

„Ich habe meinen Mann auch zu dem Telefonanruf befragt. Er sagte, als er an Ashura mit unserer Tochter draußen war, habe jemand ihn angerufen und nach den Demonstrationen und Zusammenstößen auf den Straßen gefragt. Mein Mann hat aber aufgelegt und sogar die SIM-Karte aus dem Telefon genommen, damit sie nicht noch einmal anrufen können.“

„Wenn mein Mann mit ihnen zusammenarbeiten wollte, hätte er nicht aufgelegt und erst recht nicht die SIM-Karte aus dem Telefon entfernt. Er ist mit unserer damals achtjährigen Tochter rausgegangen. Das ist sein einziges Verbrechen, und es könnte ihn das Leben kosten.“

Sie und ihre beiden Kinder seien voller Hoffnung, dass der Begnadigungsausschuss ihrem Mann Amnestie gewährt, so Frau Ghanbari abschließend.

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle/Übersetzung ins Englische: Persian Banoo
Persisch: Rooz Online 

zu den Hintergründen der Vorwürfe wegen MKO-Kontakten s. auch:
Das Schema, das zum Todesurteil gegen Abdolreza Ghanbari führte
Abdolreza Ghanbari – ein Lehrer im Todestrakt

Eine Antwort zu “Fall Abdolreza Ghanbari: „Sie wollen die Hinrichtung meines Mannes, um sie politisch auszunutzen“

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