
Rechtsgerichtete Cyber-Aktivisten halten die Ausweitung der Internet-Filterung auf konservative Inhalte für "irrational"
RFE/RL, 8. März 2012 – Die Blockade von Online-Inhalten und die Verhaftung von Online-Journalisten und Bloggern ist für das iranische Regime seit Langem ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung von Kritikern und Gegnern.
Seit einigen Monaten jedoch scheint die Internet-Filterung zunehmend auch im anhaltenden Machtkampf innerhalb des konservativen Lagers in Iran eingesetzt zu werden. In den Wochen vor der Parlamentswahl vom 2. März – die letzlich zwischen den konservativen Gruppierungen ausgefochten wurde – sollen mehrere Ahmadinejad-treue Webseiten von der iranischen Justiz, die wiederum eng mit dem obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei verbunden ist, blockiert worden sein.
Viele der gefilterten Webseiten hatten offenbar Kritik an Parlamentsprecher Ali Larijani – einem Anhänger Khameneis und Kritiker Ahmadinejads – veröffentlicht.
Mohammad Saeed Zakeri, Redakteur einer Ahmadinejad-treuen Webseite, wurde vor der Wahl verhaftet, weil er einen kritischen Artikel über Larijani verfasst hatte. Sein Kollege, der für die erzkonservative Webseite Raja News tätige Journalist Meysam Nili Nili, soll im Oktober verhaftet worden sein, nachdem Larijani sich über seine Berichte beschwert hatte. Beide sollen Berichten zufolge mittlerweile wieder freigelassen worden sein.
Die ungewöhnlich scharfe Online-Zensur hat die Kritik einer Gruppe erzkonservativer Cyber-Aktivisten auf den Plan gerufen, die dem geistlichen Establishment loyal gegenüber stehen. In einer im Internet veröffentlichten Erklärung der Aktivisten heißt es, die selektive Filterung konservativer Inhalte und die Verhaftungen seien „irrational“ und könnten den „heiligen Cyber-Krieg“ Irans beschädigen.
Die Aktivisten weisen darauf hin, dass einige der jetzt gefilterten Webseiten und Blogs bei der Niederschlagung der Proteste nach der Wahl von 2009 eine Schlüsselrolle gespielt hätten. „Was ist der Grund für die Blockierung von ‚Teribon,‘ ‚Serat‘ und ‚Bibak‘? Verdient die Kritik an einem Spitzen-Offiziellen des Establishments eine solche Maßnahme?“ fragen sie.
Der Chefredakteur von Teribon Mohammad Saleh Meftah gab an, seine Webseite sei blockiert worden, nachdem sie die Filterung von Seiten mit ähnlicher Gesinnung kritisiert hatte. „Wir hatten einen Artikel veröffentlicht, in dem es darum ging, dass der Preis für Kritik an bestimmten Offiziellen immer höher wird. Daraufhin wurde unsere Seite geschlossen“, so Meftah Anfang März.
Es ist nicht das erste Mal, dass Loyalisten des klerikalen Regimes Unmut über derartige selektive Online-Zensur äußern.
Die erzkonservative Webseite „Raja News“ hatte 2010 gegen die Blockierung mehrerer Hardliner-Blogs protestiert. Allerdings schien die Webseite gleichzeitig die anhaltende Zensur anderer Webseiten zu befürworten, die von den Behörden als unmoralisch oder für das Land interessenschädigend eingestuft wurden.
Khamenei hat unterdessen am 7. März die Einrichtung eines speziellen Cyberspace-Gremiums angeordnet und es mit Spitzenleuten aus Politik und Militär besetzt. Darin könnte sich eine weitere Verschärfung der Internet-Kontrolle in Iran ankündigen. In dem Gremium sind u. a. Präsident Ahmadinejad, Parlamentsprecher Larijani, der Oberbefehlshaber der Islamischen Revolutionsgarden und die Minister für Telekommunikation und Kultur vertreten.
Bei der iranischen Polizei wurde zudem eine Cyberspace-Einheit eingerichtet. Für das Frühjahr wurde die Einführung eines nationalen iranischen Internets angekündigt.
Golnaz Esfandiari
Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Radio Free Europe/Radio Liberty
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