Kurzmeldungen aus der iranischen Zivilgesellschaft – 9. April 2012

Arseh Sevom, 9. April 2012  – Inhalt dieser wöchentlichen Übersicht: Kaum verhohlene Drohungen gegen Verlage, noch mehr Zensur, die Situation der Gewissensgefangenen und Pläne, den ausgestorbenen kaspischen Tiger wiedererstehen zu lassen.

Verlage Gegen die Islamische Republik

Der Kampf der Islamischen Republik gegen private Verleger hat alarmierende Ausmaße angenommen. Wie die oppositionelle Webseite Kalemeh kürzlich berichtete, haben die Behörden die aktiven Verlage gewarnt, dass sie ihre Arbeit „dem Wohlwollen“ von Beamten zu verdanken hätten. Hätte man „alle Verlage bestrafen wollen, die Grenzen überschritten haben“, wären „sehr viel mehr Verlagshäuser geschlossen worden“.
Die Schließungen sind Berichten zufolge Teil einer organisierten Strategie des Staates, um den Sektor gezielt in eine Krise zu führen und weiter zu schwächen.

Es wird weithin befürchtet, dass die Verlegerzunft nicht stark genug ist, um ihre Mitglieder vor staatlichem Druck zu schützen.

Die amerikanische Autorin und Historikerin Barbara W. Tuchman sagte einmal: „Bücher sind gedruckte Humanität“. Sie repräsentieren unser kollektives Erbe. Die Islamische Republik Iran strebt eine Kontrolle über den Informationsfluss und die Art der erzählten Geschichten in und über die Gesellschaft an. Der oberste Führer Ayatollah Khamenei hat immer wieder vor den Gefahren der Geistes- und Sozialwissenschaften  gewarnt, was dazu führte, dass im vergangenen Jahr die Lehrpläne an Universitäten eingestellt und Lehrbücher einer noch nicht abgeschlossenen Revision unterzogen wurden, um sicherzustellen, dass sie auf einer Linie mit der staatlichen Ideologie liegen. Viele Bücher fanden sich in der „verbotenen Zone“ wieder.

Moussavi empfiehlt seinen Anhängern: „Lest!“

Die oppositionelle Webseite Kalemeh berichtete, der Oppositionspolitiker Mir Hossein Moussavi habe seine Anhänger zum Lesen ermuntert und „bei einem vor Kurzem stattgefundenen Treffen mit seinen Kindern das Buch Ein Gewissen gegen die Gewalt empfohlen. In dem Buch wird der Streit zwischen dem Humanisten Sebastian Castellio und dem orthodoxen christlichen Gelehrten John Calvin thematisiert.

Hinter der Elektronischen Mauer

Der iranische Minister für Kommunikation und Informationstechnologie Reza Taghipour gab diese Woche bekannt, dass die erste Phase des „nationalen Internet“ im iranischen Monat Khordad (Mai-Juni) gestartet werden soll. Radio Zamaaneh zufolge erklärte der Minister: „Unsere wichtigste Priorität für das kommende Jahr ist es, die erste Phase des nationalen Informationsnetzwerks einzuführen. Dies soll im Monat Khordad geschehen.“ Und er fügte noch hinzu: „Dem Internet kann man nicht vertrauen.“

Mehr zum Thema nationales Internet kann im Interview mit dem Cyber-Aktivisten Walid Al-Saqaf nachgelesen werden, das Arseh Sevom geführt hat.

„EURE majestät, bitte tötet mich“

Die 86jährige Mutter des Gewissensgefangenen Dr. Ghassem Sho’le Sa’di hat einen offenen Brief an den Führer der Islamischen Republik Ali Khamenei geschrieben. Darin schreibt sie: „Eure Majestät! Bitte weist eure Männer an, meine Brust aufzuschneiden, wie sie es mit Parvaneh Forouhar gemacht haben, und mich auf den Friedhof zu meinem getöteten Sohn Asghar zu bringen, oder sperrt mich ins Gefängnis, damit ich mit meinem Sohn Ghassem zusammen sein kann. Nur so kann es für meine Augen und mein Herz wieder hell werden.“

Der Druck von Inflation und Sanktionen

Die immer größer werdende Bedrohung durch Inflation sowie der Druck der Wirtschaftssanktionen, mit denen die Führung der Islamischen Republik dazu gebracht werden soll, ihr Atomprogramm einzuschränken, machen das Leben der Menschen in Iran immer schwieriger. „Ich kann nichts zurücklegen“, sagte ein Geschäftsmann gegenüber Arseh Sevom . „Ich lebe allein und besitze ein eigenes Haus. Stellen Sie sich vor, wie es für Familien ist, die zur Miete wohnen.“ Radio Farda berichtet, dass die Preise nach optimistischen Schätzungen mindestens um 35 – 40 Prozent steigen könnten.

Kein frohes neues Jahr für Nasrin Sotoudehs Kinder

Die Familie der Gewissensgefangenen Nasrin Sotoudeh teilte der Webseite International Campaign for Human Rights in Iran mit, dass Nasrin keinen Hafturlaub erhalten habe. Ihre beiden kleinen Kinder hatten sich darauf gefreut, ihre Mutter über die Neujahrsfeiertage zu sehen. Zum Bericht

Obszön und unmoralisch – zwei Filme verboten

Die Basij-Milizen und die paramilitärische Ansar-e-Hezbollah haben wieder zwei Filme aus dem Programm iranischer Kinos genommen: Gasht-e-Ershad (Die Moralpolizei) und Zendegi-e-Khosoosi (Das Private Leben) wurden zu unglücklichen Opfern der wachsenden kulturellen Intoleranz. Die Webseite Tehran Bureau berichtet in ihrem Blog, dass der Geistliche Ayatollah Ahmad Khatami (Mitglied des Expertenrats) die Filme bei einer Freitagspredigt als „obszön“ und „unmoralisch“ bezeichnete.

Die Wiederkehr des kaspischen Tigers im Jurassic Park style

Vergangene Woche wurde berichtet, dass Iran beschlossen hat, mehrere russische Tiger zu importieren, um den ausgestorbenen Mazandaran-Tiger (Kaspischer Tiger oder Panthera tigris virgate) in der nordiranischen Region Miankaleh in der Provinz Mazandaran wieder zum Leben zu erwecken. Gegenüber Reportern teilte ein iranischer Offizieller mit, man beabsichtige, den russischen Tigern nach und nach „die in Fell- und Knochenresten von Mazandaran-Tigern enthaltene DNA zu injizieren“.

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Arseh Sevom

2 Antworten zu “Kurzmeldungen aus der iranischen Zivilgesellschaft – 9. April 2012

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