RFE/RL, 9. Mai 2012 – Der iranische oberste Führer Ali Khamenei ist offenbar zum jüngsten Opfer der Internet-Zensur in der Islamischen Republik geworden, die er zuvor selbst gebilligt und abgesegnet hatte.
Wie die Webseite Tabnak berichtet, wurde Khameneis „Fatwa“ über das Verbot der Nutzung von Anti-Filter-Software in Iran im Land selbst nun blockiert – offenbar, weil seine Äußerung das Wort „Antifilter“ beinhaltet und somit automatisch vom Zensursystem blockiert wurde.
Die konservative Webseite schreibt dazu: „Dass eine (religiöse) Anordnung gefiltert wird, wirft ein so schlechtes Licht auf die Exekutive, dass die gesamte Philosophie des Filterns dadurch in Frage gestellt werden kann“.
Tabnak steht in enger Verbindung zu Mohsen Rezai, dem derzeitigen Generalsekretär des Schlichtungsrates und ehemaligen Kommandanten der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC).
Khamenei, der in allen staatlichen Angelegenheiten der Islamischen Republik das letzte Wort hat, erließ die Anordnung, nachdem er von [einem Mitarbeiter] der halbamtlichen Nachrichtenagentur Mehr News nach dem richtigen Umgang mit blockierten Webseiten gefragt worden war.
Mehr hatte an Khameneis Büro geschrieben, dass viele Iraner – z. B. Journalisten – aus beruflichen Gründen blockierte Webseiten lesen müssten, um sich Nachrichten und Informationen zu beschaffen, die „auf authorisierten Webseiten normalerweise nicht zu finden sind“. Darum stelle sich in solchen Fällen die Frage nach der durch die Religion vorgeschriebenen Vorgehensweise.
In seiner Antwort schrieb Khamenei: „Im Allgemeinen unterliegt die Nutzung von Antifilter-Software den Gesetzen und Regelungen der Islamischen Republik, und ein Verst0ß gegen das Gesetz ist nicht zulässig.“
Im Oktober hatte der iranische Minister für Telekommunikation Reza Taghipour die Nutzung von Antifilter-Tools und VPN als Verbrechen bezeichnet.
Die Onlinezensur in Iran ist eine der strengsten weltweit. Viele Iraner, auch Anhänger des Regimes, verwenden Proxies und Antifiltersoftware, um blockierte Webseiten besuchen zu können, auch solche, deren Inhalte als unmoralisch oder schädlich für die nationalen Interessen des Landes gelten. Unter den zehntausenden blockierten Webseiten befinden sich aber auch Nachrichtenseiten und Seiten der Opposition.
Khameneis Anordnung könnte für viele seiner erzkonservativen Anhänger, die auf blockierte Webseiten zugreifen, ein Dilemma bedeuten.
Absurderweise müssen Khameneis Anhänger nun selbst auf Antifilter-Software zurückgreifen, um seine Stellungnahme zum Thema lesen zu können.
– Ein Tag wie jeder andere in der Islamischen Republik.
Golnaz Esfandiari
Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Radio Free Europe/Radio Liberty
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