Kurzmeldungen aus der iranischen Zivilgesellschaft – 24. Januar 2013

Thmbnail image Iran: Prison Furloughs and Public ExecutionsArseh Sevom, 24. Januar 2013 – Themen dieser Ausgabe: Drei Tage Hafturlaub für Nasrin Sotoudeh | Öffentliche Hinrichtungen: Das muss man sich ansehen… | Spionagespiele: Jäger in der Falle | Sie möchten ins Ausland? Sind Sie Mann oder Frau? | Moussavi und Karroubi: Zeit für ein Ende des Hausarrests | Medikamente für IranDrei Tage Hafturlaub für Nasrin Sotoudeh
Die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh ist erstmals nach ihrer Inhaftierung im September 2010 vorübergehend aus der Haft entlassen (Guardian).

Die Anwältin hatte in den letzten Jahren viele politische Aktivisten und zum Tode verurteilte Jugendliche juristisch vertreten und damit den Unwillen der iranischen Behörden auf sich gezogen. Viele sind der Ansicht, dass es insbesondere ihr Mandat für die im Exil lebende iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi war, das den Zorn der Behörden auf sich zog. Sie war im September 2010 verhaftet und wegen „regimefeindlicher Propaganda“ zunächst zu 11 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Berufungsgericht reduzierte das Urteil später auf 6 Jahre. Sotoudeh leistet die Haftstrafe im Evin-Gefängnis ab.

Die Webseite International Campaign for Human Rights in Iran berichtet, dass Sotoudeh nach nur drei Tagen in Freiheit am Montag, dem 21. Januar wieder ins Gefängnis zurückkehren musste.  Zuvor war ihr und ihrer Familie zugesichert worden, dass der Hafturlaub lang sein würde. Auf die Nachricht der vorübergehenden Freilassung Sotoudehs reagierte Rupert Colville, Sprecher der UN-Menschenrechtskommission, mit den Worten: „Wir hoffen, dass der Hafturlaub verlängert wird und dass Frau Sotoudeh bald unbefristet freikommt„. Sotoudehs Familie hatte dieselben Hoffnungen gehegt, bevor die Anwältin unter den Tränen ihrer Kinder wieder ins Gefängnis zurückkehren musste.

Auch andere politische Gefangene wurden in den letzten Tagen in den Hafturlaub entlassen, darunter die studentische Aktivistin Bahareh Hedayat, die Journalisten Bahman Ahmadi Amouie, Ahmad Zeidabadi, Mahsa Amrabadi, Massoud Bastani und der Rechtsanwalt Mohammad Ali Dadkhah.

Öffentliche Hinrichtungen: Das muss man sich ansehen….
Ungeachtet aller Kritik und Kampagnen haben die iranischen Behörden zwei junge Männer öffentlich hinrichten lassen, die in den vor 50 Tagen von einer Videokamera aufgezeichneten Raubüberfall verwickelt waren. Am Sonntag berichtete die [regimetreue] Nachrichtenagentur Fars News, im Park der Künstler (Park-e Honarmandan) in der Teheraner Innenstadt seien zwei Männer öffentlich hingerichtet worden.

Das Video von dem Raubüberfall hatte sich auf sozialen Netzwerken verbreitet und für Kritik an der mangelnden Verbrechensprävention der Polizei gesorgt. Entgegen dem iranischen Strafrecht wurden die beiden Männer vor ein Revolutionsgericht gestellt und trafen dort auf Richter Salavati, der in Iran als der „Henker-Richter“ bekannt ist. Beide Männer wurden der „Feindschaft gegen Gott“ (Moharebeh) für schuldig befunden.

Etwa 100 Menschen verfolgten die Hinrichtung vor Ort – so auch Thomas Erdbrink von der New York Times, der schreibt:

Herr Mafiha legte unter Tränen seinen Kopf auf die Schulter eines der Henker, der ihm den Arm um die Schultern legte. Nachdem ihnen die Schlingen umgelegt worden waren, wurden die beiden Männer an zwei Kränen hinaufgezogen. Sie starben still, unter Protestrufen aus der Menge. Einige Zuschauer hielten die Szene mit ihren Handykameras fest.

„Es ist nicht fair“, rief ein Mann laut weinend aus, während er von einem Freund weggezogen wurde. „Wenn die Kameraaufnahmen nicht gewesen wären, wäre ihnen das hier nie passiert.“

Mehr unter: http://www.post-gazette.com/stories/news/world/iran-resorts-to-hangings-in-public-to-cut-crime-671387/#ixzz2IuBXCiEP

Am 16. Januar wurde außerdem in der Stadt Sabzevar in der Provinz Khorasan ein Mann wegen Vergewaltigung öffentlich hingerichtet. Ort der Hinrichtung war der Sportpark von Sabzevar. Hunderte „Zuschauer“, darunter auch Frauen, schauten sich das Spektakel an. Viele in Iran stellen sich die Frage, warum es als hinnehmbar gilt, dass Frauen Sportanlagen betreten dürfen, um einer öffentlichen Hinrichtung beizuwohnen, nicht aber, um sich Sportwettkämpfe anzuschauen.

Gegen öffentliche Hinrichtungen wurden viele Argumente vorgebracht, so z. B. negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Zuschauer und ein möglicher Anstieg des allgemeinen Gewaltlevels in der Gesellschaft. Dennoch treten einige Parlamentarier nach wie vor für öffentliche Hinrichtungen ein, wie Radio Zamaaneh berichtet.

Hooman Askary hat die Reaktionen von Netizens bei Global Voices zusammengestellt.

Arseh Sevom hat sich unterdessen einer Gruppe von 30 Organisationen angeschlossen, die einen Stopp der Hinrichtung von fünf Arabern aus Ahvaz fordern.  Hier ist die gemeinsame Erklärung nachzulesen.
[Deutsche Übersetzung hier]

Spionagespiele: Jäger in der FalleHunter in the Trap
Bashgah-e Khabarnegaran
und Fars News waren unter den Nachrichtenseiten, die über die Ausstrahlung des Films „Jäger in der Falle“ durch das staatliche iranische Fernsehen berichteten.

In dem Film geht es um die Jagd der Geheimdienste auf mutmaßliche Spione des CIA. Die Tatsache, dass die Story sozusagen wortgetreu auf unzähligen Webseiten reproduziert wurde, könnte darauf hindeuten, dass sie vom Geheimdienstministerium selbst in Umlauf gebracht wurde, vermutet die Webseite Al-Monitor.

In dem Film kommen mehrere Ausländer vor, darunter ein tschechischer Staatsbürger namens „Matti Valuk“, der behauptet, dass er 2009 von einer Außenstelle der CIA zur Informationsbeschaffung in Iran angeheuert wurde.

Am Ende des Dokumentarfilms erklärt Valuk, er bedaure es, sollte er durch seine Zusammenarbeit mit der CIA irgendeinen Iraner in Gefahr gebracht haben. Bei einem Anlass hatte IRGC-Chef Generalmajor Mohammad Ali Jafari erklärt:

„Wir sind fest entschlossen, mit allen möglichen Mitteln die Errungenschaften des Regimes und der Revolution zu verteidigen, und wir bleiben wachsam auf unserem Weg in eine hellere Zukunft.“

Der Film könnte eine Reaktion auf jüngste Studien der US-Regierung über das iranische Geheimdienstministerium sein, in dem die Rede davon war, dass das Ministerium 30 000 Mitarbeiter beschäftige. Nach viel Kritik wurde der Bericht jetzt zurückgezogen und wird geprüft.

In den fünf bis zur nächsten iranischen Präsidentschaftswahl verbleibenden Monaten werden uns im iranischen Staatsfernsehen möglicherweise weitere Behauptungen über westliche Spione begegnen. Das Video „Jäger in der Falle“ ist übrigens auch auf Youtube zu sehen.

Sie möchten ins Ausland? Sind Sie Mann oder Frau?
Im November 2012 hatte Arseh Sevom von einem Gesetzesentwurf berichtet, der die Reisefreiheit von Frauen einschränken soll. Der Entwurf hat die Kommission mittlerweile passiert, und das Thema erhält wieder viel Aufmerksamkeit. RFE/RL berichtet, dass nach verbreiteter Kritik jetzt eine kleine Änderung am Entwurf vorgenommen wurde, die es Frauen ermöglicht, auch ohne Einwilligung [einer männlichen „Vormundsperson“, d. Übers.] einen Pass zu beantragen. Nach wie vor jedoch dürfen Frauen ohne Einverständnis ihres Vaters oder Vormunds das Land nicht verlassen (ISNA). Zudem darf der Pass einer Frau eingezogen werden, wenn ihr Vormund seine Meinung ändert und gegen ihre Reise ins Ausland ist. Diese Möglichkeit stellt eine neue Einschränkung für die Reisefreiheit von Frauen dar.

Moussavi und Karroubi: Zeit für ein Ende des Hausarrests
Die Führungspersonen der Grünen Bewegung Mir Hossein Moussavi, Mehdi Karroubi und Zahra Rahnavard stehen seit Februar 2011 unter Hausarrest. Jetzt, kurz vor der nächsten Präsidentschaftswahl im Juni 2013,  stehen sie wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die UN-Arbeitsgrupppe für Willkürliche Verhaftungten (WGAD) hatte die iranische Regierung kürzlich aufgefordert, die drei Oppositionsführer freizulassen, und erklärt, sie würden ohne Anklage und Prozess festgehalten, was einen „Verstoß gegen internationale Menschenrechtsgesetze, aber auch gegen iranisches Recht“ darstelle.

Berichten von Radio Zamaneh zufolge erklärte der iranische Parlamentarier Ali Motahhari, Moussavi und Karroubi müssten die Möglichkeit erhalten, sich öffentlich in einem Gerichtssaal zu äußern und die Wahrheit darzulegen:

„Wenn Moussavi und Karroubi verurteilt werdden, dann muss der Wächterrat entscheiden, wie jemand, der acht Jahre lang als Ministerpräsident gedient hat, und jemand, der zwei Parlamenten vorstand, sich so entwickeln konnten… sie müssen angehört und beurteilt werden.“

Der iranische Politiker Habibollah Askar Oladi hatte im Verlauf der letzten Wochen mehrfach erklärt, in seinen Augen seien Moussavi und Karroubi keine „Aufrührer“ (Iran Emrooz). Diese Einlassungen riefen in den Reihen der iranischen Obrigkeit gemischte Reaktionen hervor. Es bleibt abzuwarten, ob das Schicksal Moussavis, Rahnavards und Karroubis vor den nächsten Wahlen eine neue Wendung nimmt..

Medikamente für Iran
Viele iranische Patienten sind von den Sanktionen schwer betroffen. Sie benötigen lebenswichtige Medikamente, und die Sanktionen helfen ihnen nicht dabei. Arseh Sevom hat schon in der Vergangenheit über das Problem berichtet. Die Folgen der Sanktionen gehen unterdessen weiter.

Die Kanadisch-Iranische Koalition für den Frieden hat sich dem Problem auf künstlerische Weise genähert. Hier gibt es das Video dazu.

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Arseh Sevom

2 Antworten zu “Kurzmeldungen aus der iranischen Zivilgesellschaft – 24. Januar 2013

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