Nachrichten aus der iranischen Zivilgesellschaft – 14. Februar 2013

Thmbnail image Iran: Majid Tavakoli Honored as Most Forms of Criticism are CriminalizedArseh Sevom, 14. Februar 2013 – Themen dieser Ausgabe: Majid Tavakoli erhält Studentischen Friedenspreis 2013 | Neue Sanktionsrunde: Iran stellt sich auf Bartergeschäfte ein | Heimliche Hinrichtungen fordern anonyme Opfer | Moussavis Töchter und Karroubis Sohn verhaftet | Die Kriminalisierung der Wahlen | „Neujahrsgeschenk“ oder „Neujahrsinflation“?

Majid Tavakoli erhält Studentischen Friedenspreis 2013
Der inhaftierte iranische Studentenführer Majid Tavakoli wird am kommenden Freitag, dem 15. Februar 2013 in Abwesenheit mit dem Internationalen Studentischen Friedenspreis geehrt. Bereits im September 2012 war er als diesjähriger Preisträger angekündigt worden.

Tavakoli ist wegen regimekritischer Äußerungen zu 9 Jahren Haft verurteilt. Viele werden sich noch an die weltweite Solidaritätskampagne erinnern, die auf die Veröffentlichung von Fotos durch die iranischen Behörden folgte. Man hatte Tavakoli nach seiner Festnahme in Frauenkleidern abgelichtet, um ihn öffentlich zu demütigen.

Vigdis Lian, Präsidentin der Norwegischen UNESCO-Kommission, erklärte dazu:

„Oft sind es die Studenten, die als Erste auf die Barrikaden gehen, wenn die Gesellschaft sich in eine falsche Richtung bewegt und systematische Angriffe auf das Bildungswesen zunehmen. Akademiker, Schulen, Studenten und Universitäten sind besonders anfällig für Gewalt und Bedrohung. Sie werden Opfer willkürlicher Schikanen, werden eingesperrt oder verschwinden. Warum fühlen sich Menschen an der Macht so bedroht von Bildung? … Der diesjährige Preisträger Majid Tavakoli ist ein Vorbild für Studenten auf der ganzen Welt. Wir gratulieren!“

Eine Rede, die Majid Tavakoli 2008 hielt, ist mit englischen Untertiteln auf YouTube zu sehen.

Neue Sanktionsrunde: Iran stellt sich auf Bartergeschäfte ein
Tehran Bureau berichtet vom Inkrafttreten einer neuen Sanktionsrunde der USA gegen Iran am 6. Februar. Damit soll Irans Handel mit dem Rest der Welt weiter erschwert werden. Die Sanktionen zielen auf den Handel mit Öl für Gold und Edelmetalle und Finanz-, Transport- und Kommunikationsunternehmen.

Die Situation wird auch die nächste Präsidentschaftswahl beeinträchtigen. Wie Wie berichtet, warnen Offizielle bereits vor „wirtschaftlichen Unruhen“.

Das iranische Ministerium für Industrie, Bergbau und Handel reagierte auf die neuen Sanktionen mit der Einrichtung einer „Barterkommission“, die Iran in die Lage versetzen soll, Öl an internationale Abnehmer abzugeben, so die iranische Nachrichtenagentur Mehr News. Nach Angaben des stellvertretenden  Ministers für Industrie, Bergbau und Handel, Hamid Safdel, hat Iran in den letzten Monaten bereits eine Reihe von Bartergeschäften initiiert.

Das US-Außenministerium hatte am 11. Februar die Verhängung neuer Sanktionen u. a. gegen zwei iranische Konzerne (Iran Electronics Industries/IEI und Marine Industries Organization/MIO) und einen iranischen Staatsbürger (Milad Jafari) bekanntgegeben. Offen ist, wie weit die Sanktionen noch gehen werden.

Heimliche Hinrichtungen fordern anonyme Opfer
Es gibt ernsthaften Grund zur Sorge, dass in Iran heimliche Hinrichtungen stattfinden. Die Webseite Iran Human Rights berichtet von zwei Fällen heimlicher Hinrichtungen in den Gefängnissen Rajai Shahr (westlich von Teheran) und Vakilabad in Mashhad. Berichten zufolge soll es in Vakilabad jeweils Mittwochs bzw. Sonntags heimliche Hinrichtungen gegeben haben, zuweilen sogar drei Mal wöchentlich. In diesem Gefängnis könnten in den letzten vier bis fünf Monaten mindestens 400 Gefangene hingerichtet worden sein.

Im Gefängnis Rajai Shahr ist die Situation ähnlich: Täglich werden Gefangene aus ihren Zellen geholt, und die Hinrichtung einiger von ihnen, darunter Masoud Alimoradi und Mahmoud Nezami, ist bestätigt. Quellen zufolge werden Todeskandidaten üblicherweise an Dienstagen ins Evin-Gefängnis überführt. In den letzten zwei Monaten hätten jedoch auch in einer neu errichteten Halle in Rajai Shahr Hinrichtungen stattgefunden.

Im vergangenen Jahr hatte die Webseite International Campaign for Human Rights in Iran einen Bericht über die heimlichen Hinrichtungen veröffentlicht.

In Iran gibt es sowohl öffentliche wie auch geheime Hinrichtungen. Es ist fast unmöglich zu sagen, was von beiden schlimmer ist.

Moussavis Töchter und Karroubis Sohn verhaftet
Zwei Jahre ist es her, dass die beiden Präsidentschaftskandidaten von 2009, Mehdi Karroubi und Mir Hossein Moussavi zusammen mit dessen Ehefrau Zahra Rahnavard unter Hausarrest gestellt wurden. Zum Jahrestag des Beginns des Hausarrests wurden Moussavis Töchter Narges und Zahra verhaftet (BBC News). Oppositionellen Quellen zufolge durchsuchten Agenten mehrere Stunden lang die Wohnungen der beiden Frauen und nahmen sie anschließend fest. Ihre Kinder blieben in der Obhut von Verwandten.

Fast gleichzeitig berichtete die Webseite Saham News von der Festnahme des ältesten Sohnes von Mehdi Karroubi. Auch seine Wohnung wurde von Sicherheitsagenten durchsucht. Mohammad Hossein Karoubi wurde festgenommen und zum Verhör in das Büro der Staatsanwaltschaft des Evin-Gefängnisses gebracht.

Die klare Botschaft an die Familien Moussavis und Karroubis: Seid still, oder ihr müsst leiden.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen forderten diese Woche ein Ende des Hausarrests. Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi erklärte:

„Hätten die Behörden Beweise dafür, dass diese Oppositionellen sich wirklich strafbar gemacht haben, hätten sie sie schon längst anklagen und einem fairen und transparenten Gerichtsverfahren unterziehen müssen. Die Tatsache, dass dies zwei Jahre lang nicht erfolgt ist, zeigt deutlich, dass derartige Beweise nicht vorhanden sind und dass der anhaltende Hausarrest politisch motiviert ist.“

Die Kriminalisierung der Wahlen
Schon vor längerere Zeit ist in Iran eine Arbeitsgruppe für kriminelle Inhalte am Werk, die illegale Inhalte im Internet aufspüren soll. Die Webseite der Gruppe besteht aus mehreren Sektionen. In einer davon können illegale Inhalte von Nutzern gemeldet und Gegenmaßnahmen der Behörden erbeten werden. Wie die Nachrichtenagentur Fars News Agency berichtet, hat die Arbeitsgruppe unter Leitung des iranischen Generalstaatsanwalts aus den als kriminell angesehenen Inhalten diejenigen definiert, die sich auf die Präsidentschaftswahl beziehen. Solche Informationen und Inhalte im Internet zu veröffentlichen ist illegal und wird strafrechtlich verfolgt.

Während einige dieser als kriminell eingestuften Aktionen die Wähler und den [Wahl-]Prozess schützen – wie z. B. Protest gegen Wahlbetrug oder Bedrohung von Wählern – sind die übrigen Inhalte so vage definiert, dass damit praktisch jede Form von Kritik zu einer Straftat umgedeutet werden kann. Die Inhalten sind in 16 Kategorien unterteilt, darunter so mehrdeutige wie

  • Verursachung von Konflikten in der Gesellschaft
  • Werbung für einen Boykott
  • Veröffentlichung von Inhalten, die die Wahlen oder die Kandidaten beleidigen
  • Veröffentlichung von Inhalten, die sich gegen das Regime, die Regierung, die Justiz, die Legislative oder Regierungsorganisationen richten
  • Veröffentlichung „falscher“ Informationen über die Wahlergebnisse
  • Veröffentlichung von Inhalten, die in den Wahlprozess eingreifen, unter Nutzung einer falschen Identität

Eine vollständige Liste in englischer Sprache befindet sich hier.

„Neujahrsgeschenk“ oder „Neujahrsinflation“?
Arsalan Fathipour, Vorsitzender des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses, hat angekündigt, dass mehr als 73 Millionen Iraner anlässlich des Neuen Jahres einen Neujahrsbonus in Höhe von 700.000 bis 900.000 Rial erhalten werden. Dies berichtet die Nachrichtenagentur ISNA. Fathipour:

„Das Gesamtbudget für Nowrooz beträgt etwa 2,7 Millionen Dollar und wird aus dem Nationalen Entwicklungsfonds finanziert.“

Mit den Bonuszahlungen soll die Liquidität im Land erhöht werden. Angesichts der Tatsache, dass gerade erst eine neue Sanktionsrunde begonnen hat, ist es allerdings wahrscheinlicher, dass das Land zu Beginn des neuen Jahres eine nochmals steigende Inflation erleben wird. Die Obrigkeit weiß sehr gut, welche Not die Bevölkerung leidet, doch alles, was sie anzubieten hat, ist ein kleines Pflaster auf der großen Wunde.

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Arseh Sevom

2 Antworten zu “Nachrichten aus der iranischen Zivilgesellschaft – 14. Februar 2013

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