RFE/RL, 10. Mai 2013 – Der bekannte iranische Gewerkschaftsführer Mansour Osanlou ist eigenen Angaben zufolge nachTodesdrohungen aus regierungsnahen iranischen Sicherheitskreisen aus Iran geflohen.
Osanlou, der von Einigen auch als „Irans Lech Walesa“ bezeichnet wird, hat telefonisch eines seiner ersten Medieninterviews seit seiner schon vor Monaten erfolgten Ankunft in der Türkei gegeben. Die Atmosphäre in der Islamischen Republik werde „mit jedem Tag repressiver“, sagte er gegenüber RFE/RL.
Der Präsident des Syndikats der Beschäftigten der Busbetriebe von Teheran und Umgebung erklärte weiter, die iranischen Behörden seien angesichts seiner zunehmenden Aktivitäten für die Organisation verärgert gewesen.
„Wir haben versucht, verschiedene Arbeitergruppen zu vereinen, um eine Solidargemeinschaft oder eine Arbeiterföderation zu erreichen. Ich war auf diesem Gebiet seit dem letzten Jahr sehr aktiv, und das blieb (den Behörden) nicht verborgen. Ich erhielt alle möglichen Nachrichten und Drohungen von ihnen“, so Osanlou. „Meinen beiden Bürgen, die im Jahr 2011 durch die Bereitstellung der Kaution meine Freilassung ermöglicht hatten, teilten sie mit, dass ich mich im Büro der Staatsanwaltschaft im Gefängnis einfinden solle. Diese Ereignisse zusammen mit mir zugetragenen Informationen darüber, dass man darüber spreche, wie man mich töten könnte – mit dem Auto überfahren oder etwas in der Art der Kettenmorde – führten dazu, dass Freunde mir rieten, das Land zu verlassen. Ich kam zu dem Schluss (dass ich aus Iran fliehen muss).“
Hadi Ghaemi, Sprecher der in den USA ansässigen Menschenrechtsorganisation „International Campaign for Human Rights in Iran“, glaubt, dass Osanlou auch weiterhin eine entscheidende Rolle für die Aufmerksamkeit zukommen wird, die die Situation iranischer Arbeiter erhält. Diese verschlechtere sich infolge des Missmanagements der Wirtschaft und der im Zusammenhang mit dem umstrittenen iranischen Atomprogramm verhängten internationalen Sanktionen immer mehr.
„Mansour Osanlou ist vielleicht der wichtigste iranische Arbeiteraktivist des letzten Jahrzehnts. Seine Fähigkeit, die Busfahrer in Teheran zu organisieren, aber auch ihre daraus folgenden Aktionen, haben die Arbeiterbewegung neu belebt. Ich denke, er wird den iranischen Arbeitern auch weiterhin eine sehr artikulierte und wichtige Stimme sein“, so Ghaemi.
Für sein gewerkschaftliches Engagement in Iran und seine Führungsrolle bei Protesten für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen hat Osanlou einen hohen Preis gezahlt. Derartige Proteste werden von den iranischen Behörden oft mit harten Maßnahmen beantwortet. Osanlou wurde mehrfach inhaftiert, geschlagen und verbrachte u. a. wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ und „Verbreitung von regierungsfeindlicher Propaganda“ fünf Jahre im Gefängnis.
Internationale Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und die International Transport Workers‘ Federation haben immer wieder seine Freilassung gefordert und seine Behandlung kritisiert.
Die für ihn zuständigen Verhörbeamten hätten ihn physisch und psychisch gefoltert, so Osanlou. Außerdem habe er lange Zeiträume in Einzelhaft verbracht. Durch Verwandte und Mitgefangene habe er von den Kampagnen erfahren, die sich für seine Freilassung einsetzten.
„Familien, die [im Gefängnis] zu Besuch kamen, haben uns oder anderen Gefangenen, die ins Gericht oder ins Krankenhaus gebracht wurden, davon erzählt, und durch sie haben wir später dann davon erfahren“, so Osanlou. „Es war wichtig für die Gefangenen, zu wissen, dass man sie nicht vergessen hat. Solche Dinge haben in Iran eine Wirkung.“
Osanlou will seine Arbeit auch im Exil fortsetzen, auch wenn er damit rechnet, dass es schwierig wird. Auch andere Aktivisten, die Iran verlassen haben, haben sich darum bemüht, weiter eine Rolle zu spielen und gerieten trotzdem schnell in Vergessenheit.
Es scheint eine Strategie Teherans zu sein, Aktivisten ins Exil zu zwingen. In den letzten Jahren und besonders seit der heftig umstrittenen Präsidentschaftswahl von 2009 und der darauf folgenden Repression hat das Regime den Druck auf Menschen, die nach Veränderungen streben, verschärft.
Er sei aber nicht entmutigt, sagt Osanlou: „Es ist nicht entscheidend, ob man innerhalb oder außerhalb Irans ist. Wichtig ist, mit welchen Gegebenheiten du dich auseinandersetzen musst, welche Möglichkeiten du hast und welchen Preis du bereit bist zu zahlen.“
Von Golnaz Esfandiari
Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Radio Free Europe/Radio Liberty
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