Archiv der Kategorie: Deutsche Welle

Interview mit Sattar Beheshtis Mutter (Deutsche Welle, 30. November 2012)

Deutsche Welle, 30. November 2012 – Der 35jährige Blogger Sattar Beheshti war am 30. Oktober 2012 in seiner Wohnung in Rabat Karim verhaftet worden. Am 6. November 2012 informierten Beamte seine Familie darüber, dass er in der Haft verstorben sei. Einzelheiten zu seinem Tod nannten sie nicht.

Sattar Beheshtis Mutter Gohar Eshghi sprach mit der Deutschen Welle über die Vorgänge nach dem Tod ihres Sohnes. Weiterlesen

Regime lässt Bürgeraktivistin auspeitschen – Ebadi: „Akt der Schwäche“

Somayeh Tohidlou

Deutsche Welle, 15. September 2011 – Im Teheraner Evin-Gefängnis ist gestern das Urteil gegen die Studentin und Doktorandin der Soziologie Somayeh Tohidlou „symbolisch“ vollstreckt worden. Die Studentin, die sich im Wahlkampf [zur Präsidentschaftswahl 2009] für [den Herausforderer des Amtsinhabers] Mir Hossein Moussavi engagiert hatte, war wegen „Beleidigung des Präsidenten“ zu 50 Peitschenhieben verurteilt worden. Nach Angaben der Webseite Jaras war Somayeh Tohidlou während der Urteilsvollstreckung an Händen und Füßen gefesselt. Weiterlesen

29 Tonnen Opium und die wahrscheinliche Rolle des Geheimdienstes bei der Heroinproduktion

Crack-Labor in Iran

Deutsche Welle, 3. März 2011 – Am Montag des 28. Februar fanden Zollbeamte im Internationalen Flughafen Tehran in einem privaten Flugzeug etwa 29 Tonnen Opium. Das  Flugzeug war aus China gekommen. Nach Angaben der Zeitung Jame-Jam hatte eine iranische Bank für diesen Transport einen Kredit gewährt.

Mohamadreza Shanesaz, Stellvertreter der Abteilung für Arzneimittel im Gesundheitsministerium, erklärte, das entdeckte Opium sei für medizinische Zwecke importiert worden. Welche Organisation das Opium geordert hat, sagte er nicht. Weiterlesen

Behörden drohen Ehemann und Anwältin der inhaftierten Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotoudeh mit Verhaftung

Nasrin Sotoudeh

Deutsche Welle (Persisch), 13. September 2010 – Das Geheimdienstministerium droht Nasrin Sotoudehs Ehemann Reza Khandan und ihrer Anwältin Nasim Ghanavi mit Verhaftung für den Fall, dass sie sich in Medieninterviews zu Wort melden. Weiterlesen

Interview: Die Grüne Bewegung und die Arbeiterklasse

Auf Englisch veröffentlicht bei Tehran Bureau am 12. Juli 2010
Quelle (Englisch): http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/tehranbureau/2010/07/the-green-movement-and-the-working-class.html
Auf Persisch veröffentlicht bei Deutsche Welle

Anmerkung der Übersetzerin Frieda Afary (Persisch-Englisch): Sohrab Behdad ist Koautor von Farhad Nomani für „Class and Labor in Iran: Did the Revolution Matter? (Syracuse University Press, 2006). Es folgt die Übersetzung eines Interviews, das Frau Mahindokht Mesbah vom persischsprachigen Sender der Deutschen Welle am 16. Juni 2010 geführt hat.

Deutsche Welle: In unserem Intervie geht es um den Platz der Arbeiterklasse in der iranischen Protestbewegung, die auch als Grüne Bewegung bekannt ist. Es scheint, als hätten sich die Arbeiter an den Protesten des letzten Jahres nicht beteiligt, zumindest nicht unter ihrer eigenen unabhängigen Fahne. Sie scheinen potenzielle, aber nicht tatsächliche Teilnehmer an der Bewegung zu sein. Stimmen Sie dieser Sichtweise zu?

Sohrab Behdad: Bis zu einem gewissen Grad. Man muss sich allerdings die Frage stellen, wie die Arbeiter in den Reihen der Protestierenden erkannt werden können. Die angewandten Unterscheidungsmerkmale scheinen veraltet zu sein. Wir müssen erkennen, dass das Bild der iranischen Arbeiterklasse nicht mehr mit dem traditionellen Bild übereinstimmt. Viele [Arbeiter] sind gebildet und jung. Ihr Erscheinungsbild und ihr Auftreten ist nicht anders als das der Mittelklasse. Traditionell wird mit einem Arbeiter jemand assoziiert, der dreckverschmierte Kleidung trägt und ausgemergelte Gesichtszüge hat.

Ein anderes Thema sind die fehlenden Arbeiterparolen in der Grünen Bewegung. Der Grund dafür ist, dass sich die Proteste um Themen wie Wahlrecht, Wahlen, Menschenrechte und Freiheit drehten. Es stimmt nicht, dass an diesen spontanen Bewegungen keine Arbeiter teilgenommen haben.

Ein weiteres Problem ist, dass es nicht möglich ist, die Forderungen der Arbeiterklasse direkt in der Gesellschaft zu manifestieren. Einerseits hat die momentane politische Situation dazu geführt, dass die Arbeiter infolge der Unterdrückung ihrer Organisationen stark eingeschränkt wurden. Andererseits haben die Führer der Grünen Bewegung bisher noch kein großes Interesse daran gezeigt, die Probleme der Arbeiter zu thematisieren.

Allein die Tatsache, dass diese Frage aufkommt und von Ihnen gestellt wird, zeigt, dass die Arbeiter in der Bewegung präsent sind. Es stimmt nicht, dass es per se keine Teilnahme von Arbeitern gegeben hat. Deutlich ist allerdings, dass die Probleme der Arbeiter in den Parolen der Grünen Bewegung keinen organischen Ausdruck gefunden haben.

Viele sagen, dass die Arbeiterbewegung im Iran immer schon säkular war und dass sie sich der Grünen Bewegung nur deshalb nicht angeschlossen hat, weil die Führungspersonen der Grünen Bewegung die Grenze zwischen Religion und Säkularismus überbrücken.

Das stimmt nicht. Die Grüne Bewegung ist im Grunde säkular. Das Problem ist, dass die iranische Gesellschaft auf der Suche nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit ist. Die Bewegung ist bisher aber noch nicht aus dem Stadium der Suche nach Demokratie herausgekommen. Ihre Führung hat sich weniger der Frage der sozialen Gerechtigkeit gewidmet.

Glauben Sie, dass ein Fortbestehen der Grünen Bewegung diese in die Lage versetzen wird, die Belange der Arbeiter zu repräsentieren, nachdem sie die momentanen politischen Forderungen durchlaufen hat?

Das ist unvermeidlich. Die Grüne Bewegung kann keinen Erfolg haben, wenn sie Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit nicht anspricht. Die Forderungen der Arbeiter sind dabei zentral. In der Ära Khatami sind die Reformer gescheitert, weil sie die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit nicht ernst genommen und keine Anstrengungen unternommen haben, soziale Kräfte zu organisieren. Als es in Islamshahr (einer Arbeiterstadt in der Nähe von Teheran) Unruhen gab, haben reformorientierte Zeitungen diesen keine Beachtung geschenkt. Die Reformer tun gut daran, aus diesen Erfahrungen zu lernen.

Sie sprechen von der Reformära. Viele Arbeitervertreter sagen, dass die Enttäuschung der Arbeiter über die acht Reformjahre sie gegenüber dem Kommen und Gehen dieses oder jenes (Führers) gleichgültig gemacht hat, und dass die Arbeiter keinen hohen Preis zahlen wollen, ohne dafür Ergebnisse zu bekommen.

Ich stelle die Identität dieser Vertreter und die Gültigkeit ihrer Aussagen in Frage. Am 1. Mai dieses Jahres haben zehn Arbeiterorganisationen ein Statement herausgegeben. Neben arbeiterspezifischen Forderungen stellten sie auch die Forderung nach Abschaffung der Todesstrafe und der frauendiskriminierenden Gesetze auf. Das sind Parolen der Grünen Bewegung.

Ich bin froh, dass Sie Parolen genannt haben, die die Klassengrenzen überschreiten. Viele sagen, die Grüne Bewegung habe ihren Ursprung nicht in einer Klasse, weshalb es falsch sei, wenn sie Forderungen der einen oder der anderen Klasse zur Sprache bringt.

Diese Aussage kann gleichzeitig korrekt und demagogisch sein. Wenn man davon spricht, über Klassengrenzen hinauszugehen, ist das so, als ob man sagt „hameh ba ham“ („alle zusammen – eine Parole Ayatollah Rouhollah Khomeinis). Es bedeutet, die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit abzuschaffen. Es verletzt die soziale Gerechtigkeit.

Ein weiterer Standpunkt ist, dass die Einkommenslücke und die Kluft beim wirtschaftlichen und sozialen Status zwischen Mittelklasse und Arbeitern sich täglich verringert und dass in dieser (Mittel-)Klasse eine Art Proletarisierung stattfindet.

Genau! Dies passiert in der iranischen Gesellschaft seit 30 Jahren. Eben dieses Problem zeigt, dass soziale Gerechtigkeit auch für die Mittelklasse sehr wichtig ist. Iranische Büroangestellte sind eigentlich Arbeiter, die zu „white collars“ geworden sind. Die Frage der sozialen Gerechtigkeit ist auch für sie sehr wichtig. Darum muss sie angesprochen werden.

Wenn die Grüne Bewegung sagt, dass sie gegen Korruption ist, wird das nicht zur Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit führen. Überall auf der Welt gibt es Korruption, genauso wie es Strafen dafür gibt. Die Bewegung muss auch spezifische Forderungen stellen, die für Veränderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter relevant sind.

Viele sagen auch, dass die Bewegung vollständig sein wird, wenn die Arbeiter dazustoßen und es zu einem Generalstreik kommt. Wie objektiv ist diese Sichtweise, die sich am Beispiel der letzten Monate des Pahlavi-Regimes orientiert? Existieren nach 30 Jahren Unterdrückung und Gewalt der richtige Kontext und die richtigen Mittel für einen Generalstreik der Arbeiter in unserer Gesellschaft überhaupt noch?

Ein großer Teil der iranischen Arbeiter arbeitet für die Regierung, die Pasdaran (Islamische Revolutionsgarden) und die Stiftungen. In den Worten von Herrn Karroubi: Wir können in einer Gesellschaft, in der die Arbeitgeber die Pasdaran sind, nicht von Freiheit für die Arbeiter sprechen. Wir müssen uns so ausdrücken, dass es der existierenden Realität im Iran gerecht wird. Im Moment gibt es für die Arbeiterklasse weder die Möglichkeit noch den Kontext (für einen Generalstreik).

Wir müssen uns klarmachen, dass die Kaufkraft von Millionen Menschen abnehmen wird, wenn die momentane wirtschaftliche Situation sich verschlechtert und der „Plan für gezielte finanzielle Subventionen“ umgesetzt wird. Das wird Auswirkungen haben.

Kann man voraussagen, was geschehen wird? Wird es größere Proteste mit einer stärkeren Botschaft der Menschen geben, wenn die Situation sich verschlechtert?

Die soziale Dynamik ist nicht einfach vorherzusagen. In den oben genannten Fällen werden die Proteste sicherlich zunehmen. Es wird mehr Unzufriedenheit geben. Aber es wird nicht notwendigerweise zu Gewalt und Aufständen kommen. Wir können die Form nicht vorhersagen, die die Unzufriedenheit und die Proteste annehmen werden. Die Form sozialer Proteste hängt vom Wesen der Organisationen, der konzertierten Aktionen und der Reife der Führer und Vertreter der sozialen Strömungen ab.

Übersetzung aus dem Englischen: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben