Iran – das Land, in dem man für eine Wasserschlacht ins Gefängnis kommen kann

Straßenszene - Teheran, vergangene Woche

RFE/RL, 3. August 2011– Und wieder wurden junge Leute in der iranischen Hauptstadt verhaftet.
Ihr Verbrechen: Teilnahme an einer Wasserschlacht.
Beweisstücke: Wasserpistolen und Flaschen.
Was ihnen vorgeworfen wird: Verstoß gegen islamische Prinzipien und Normen.

Es klingt absurd, ist aber in der Islamischen Republik Iran, wo man unter Anderem auch für ein bisschen Vergnügen ins Gefängnis kommen kann, leider Realität.

Junge Frauen und Männer hatten sich vergangene Woche in einem Teheraner Park – der ironischerweise „Garten des Feuers und des Wassers“ heißt – zusammengefunden und einander mit Wasser bespritzt. Die auf Facebook geplante und organisierte Aktion hatte etwa 800 Menschen auf den Plan gerufen. Auf Fotos sieht man bis auf die Haut durchnässte glückliche junge Leute mit bunten Wasserpistolen.

Sie riefen keine oppositionellen Parolen und protestierten auch nicht gegen die Regierung. Aber sie zeigten öffentlich ihre Ausgelassenheit, was als Herausforderung an die staatlich vorgeschriebenen Verhaltensregeln interpretiert werden kann. Die Fotos wurden auf Webseiten, Blogs und in sozialen Netzwerken verbreitet.

Ihre Kreativität und die Organisation der Aktion und die Tatsache, dass es ihnen gelungen war, sich zu amüsieren und eine gute Zeit zu haben – was in Iran nicht immer einfach ist – ernteten viel Lob.

Aber nicht alle waren darüber glücklich. Konservative Webseiten benutzten die „belastenden“ Fotos, um den jungen Leuten Unmoral und Verderbtheit vorzuwerfen. Am 31. Juli erklärte der Teheraner Polizeichef Hossein Sajedinia, eine Gruppe junger Leute aus Teheran seien verhaftet worden, weil sie einander mit Wasser bespritzt hatten. Sajedinia warnte, die Polizei würde auch gegen andere vorgehen, die „die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden“. Über die Anzahl der Festnahmen sagte er nichts.

Der Parlamentarier Mousa Ghazanfarabadi erklärte, die Organisatoren der Aktion wollten die Jugend von islamsichen Prinzipien und den Werten der Islamischen Republik abbringen. Der Abgeordnete Hossein Ebrahim rief die Justiz dazu auf, gegen ähnliche Aktionen vorzugehen.

Die Wasserschlacht ist eine von mehreren derartigen Aktionen in Teheran in den letzten Monaten. Vergangene Woche hatten sich verkleidete junge Leute in einem anderen Teheraner Park getroffen. Im Januar hatten junge Menschen mit Locken ihre Haarpracht in einem weiteren Park gefeiert (Fotos und Video). Es hatte auch Paintball-, Drachen- und Seifenblasentreffen gegeben – alle Events sollen auf Facebook organisiert worden sein. Warum die Wasserschlacht empfindlicher aufgenommen wurde als all diese Aktionen, ist nicht klar.

Ein Grund könnten die im Internet verbreiteten Fotos sein, auf denen glücklich aussehende junge Männer und Frauen gemeinsam zu sehen sind. Das Ereignis zog offenbar weitaus mehr Menschen an als die vorangegangenen, wodurch sich die Behörden zum Einschreiten veranlasst gesehen haben könnten.

Natürlich macht jede Form einer Versammlung die Offiziellen nervös, vor allem, wenn junge Leute beteiligt sind. Man fürchtet, dass sich selbst bei offenkundig unpolitischen Anlässen regimekritische Untertöne einschleichen könnten.

Möglich ist auch, dass die wasserliebenden jungen Leute Opfer der politischen Rivalitäten zwischen den verschiedenen Fraktionen des islamischen Establishments geworden sind.

Die erzkonservative und regierungtreue Webseite Rajanews griff den Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf scharf an und warf seinem Team vor, hinter der Wasserschlacht zu stecken. Die Webseite der Teheraner Stadtverwaltung Hamshahri dementierte dies und beschuldigte Raja News der Lüge. Beide Seiten scheinen sich immerhin darin einig zu sein, dass die jungen Leute gegen islamische Gesetze gehandelt haben.

Diese weisen das jedoch von sich: „Alles, was wir wollen, ist ein bisschen Freude“, schreibt ein Teilnehmer auf Facebook. Sarkastisch schlägt ein anderer bei Facebook vor: „Frauen auf diese Seite, Männer auf die andere – dann wird der Islami nicht gefährdet“.

Die jungen Leute scheinen sich von den Warnungen und den Berichten über Verhaftungen nicht abschrecken zu lassen. Einige schreiben auf Facebook, dass es in den kommenden Wochen weitere Aktionen geben wird. „Im schlimmsten Fall laufen wir weg, wenn die Polizei kommt“, schreibt ein junger Mann auf der Facebook-Seite Water Gun Wars in Tehran.

Der Zwischenfall wirft ein Schlaglicht auf die Kluft zwischen dem Establishment und der Bevölkerung, die zu 65 % aus Menschen unter 35 besteht. Er zeigt auch die sinkende Toleranz des Establishments und den Mut der jungen Leute auf, die sich allen Restriktionen zum Trotz Möglichkeiten schaffen, frei zu atmen und glücklich zu sein. „Lachen und Freude werden selten, weil die Menschen in diesem Land mit so vielen Problemen zu kämpfen haben“, erklärte ein Beobachter aus Teheran, der anonym bleiben will, gegenüber „Persian Letters“.

Golnaz Esfandiari

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Radio Free Europe/Radio Liberty, 3. August 2011

3 Antworten zu “Iran – das Land, in dem man für eine Wasserschlacht ins Gefängnis kommen kann

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