Erklärung 120 iranischer Intellektueller zu möglichen Angriffsplänen gegen Iran

Jaras/Tehran Bureau, 8. November 2011 – 120 iranische Intellektuelle, politische Aktivisten, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten haben in einer gemeinsamen Erklärung sowohl die Unterdrückung der iranischen Bevölkerung durch die iranische Regierung als auch die Möglichkeit eines israelischen Angriffs Israels, der Vereinigten Staaten und anderer Länder auf Iran verurteilt. Der vollständige Wortlaut der Erklärung:

In den letzten Wochen gab es von mehreren Seiten besorgniserregende Anzeichen dafür, dass militärische Angriffe auf Iran einmal mehr möglich erscheinen. Einige Offizielle der USA, Israels, Großbritanniens und anderer Länder, ja sogar einige Gegner der iranischen Regierung, haben durch unbedachte Äußerungen Unterstützung für solche Angriffe signalisiert.
Die wichtigen, als „arabischer Frühling“ bekannten Entwicklungen, vor allem das Schicksal des libyschen Diktators und der Sturz seiner Diktatur, der durch direkte Interventionen und militärische Operationen der NATO möglich wurde, haben bei einigen Menschen den Wunsch ausgelöst, die Befreiung Irans vom repressiven Regime der Velayat-e Faghih [Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten] durch ein ähnliches Szenario zu erreichen. Solche Reden, solches unverantwortliche Auftreten haben Iran und die Iraner in Gefahr gebracht und erfüllen uns mit Sorge.
Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, eine Gruppe von Menschenrechtsschützern und Aktivisten, wollen einen friedlichen Übergang zur Demokratie und wünschen uns für Iran eine Regierung, die aus freien Wahlen hervorgeht, damit die zivilen, politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechte aller Iraner gesichert werden.
Wir hoffen, dass es in Iran bald ein politisches System geben wird, an dem alle Iraner und Iranerinnen aus allen ethnischen Gruppen, aller Sprachen, Religionen und Überzeugungen auf gleichberechtigter Grundlage teilhaben können und in dem sie effektiv präsent sein können. [Wir wollen] ein politisches System, das nicht die Hälfte der Bevölkerung des Landes, nämlich die Frauen, diskriminiert und sie ihrer Grundrechte beraubt. Wir glauben, dass der einzige Weg zu diesem Ziel über die nationale Souveränität, den Schutz der territorialen Integrität Irans und die Wiederherstellung aller Rechte der iranischen Bevölkerung führt.

Das Verhalten der Islamischen Republik Iran war in ihrer gesamten Existenzdauer gegen diese Ziele gerichtet. Eine hastige Abstrafung der Offiziellen des Vorgängerregimes (vor der Revolution von 1979) ohne angemessene Prozesse, Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten, Verstöße gegen internationale Abkommen, Folter und Massenmord an politischen Gefangenen, vorsätzliche Fortführung des zerstörerischen Krieges (mit Irak), systematische Ausmerzung Oppositioneller im In- und Ausland, und die Expansion des staatlich geförderten Terrorismus – alles ideologisch gedeckt von der Diktatur der Velayat-e Faghih – haben dazu geführt, dass es zum Standard geworden ist, Verantwortung (für das Geschehene) mit unaufrichtigen Parolen zu übertünchen und von sich zu weisen. Diese Regierung hat Unterdrückung im Namen der Religion gerechtfertigt und (im Namen der Nation) viele geheime, illegale und unprofitable Handel abgeschlossen.

Die hohlen und leeren Behauptungen der Velayat-e Faghih sind offensichtlicher denn je, und die finanzielle Korruptheit in einigen Bereichen der herrschenden Klasse bereiten selbst innerhalb der systemtreuen Fraktion Vielen große Sorge. Dieses Regime kann mittlerweile nur noch mit Hilfe von Repression, Einschüchterung, Gefängnisstrafen und Folter den Anschein der Macht aufrecht erhalten. Schon bald wird das iranische Volk den Albtraum aus Unterdrückung und Unwissenheit (des Regimes) hinter sich lassen und das Land vereint zu den Höhen führen, die es verdient. Dass dies zeitgleich mit den historischen Entwicklungen in der Region geschehen wird, gibt Anlass zu großer Hoffnung, erfordert aber gleichzeitig auch ein höheres Maß an Bedachtsamkeit.

Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, befürchten, dass die Option der humanitären Intervention und Unterstützung demokratischer Entwicklungen zur Basis für anti-iranische Aktionen und unmenschliche Verbrechen werden könnten. Wir befürchten, dass solch lobenswerte Konzepte und Ideale wie Demokratie, humanitäre Hilfe und Menschenrechte zu einem Deckmantel für eine Macht- und Interessenpolitik derer werden könnten, die Iran und seiner Bevölkerung nochmals schaden und dem Land noch mehr Zerstörung bringen können.

Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, glauben und erklären gemäß unserer menschlichen Verantwortung, dass humanitäre Hilfe und Demokratie nicht aus Gewehrläufen kommen, nicht mit Lenkraketen und nicht durch Bomben oder mit Hilfe unbemannter Drohnen in ein Land gebracht werden dürfen. Wir sprechen uns gegen militärische Angriffe auf unser Land aus, ganz gleich, unter welchem Vorwand diese erfolgen. Dazu gehört auch der Vorwand der Sorge angesichts des unverantwortlichen Hasardeurtums der Regierung in ihren atomaren Aktivitäten. Natürlich ist eine Entwaffnung der Region von allen Massenvernichtungswaffen wünschenswert. Die wohlwollenden Menschen, Anhänger und Aktivisten für Demokratie in Iran im In- wie im Ausland sind die Stimme des Volkes und leiden mit dem Volk, und wir werden niemals mit militärischen Optionen einverstanden sein, denen tausende Menschen zum Opfer fallen können und die die über mehrere Generationen unter großen Opfern aufgebaute Infrastruktur zerstören würden.

Die Stimmen des Protestes gegen die Unterdrückungs- und Repressionspolitik der Islamischen Republik erheben sich überall innerhalb wie außerhalb des Landes. Es ist nicht angezeigt, dass Zusammenschlüsse von Oppositionellen mit Hilfe des Auslands organisiert oder von den Interessen und Zielen ausländischer Mächte gesteuert werden. Es darf keine Aktivitäten hinter verschlossenen Türen geben, die das Volk nicht mitverfolgen kann und an denen die oppositionellen Kräfte, die den Kampf um Demokratie und Menschenrechte in Iran führen, nicht teilhaben können.

Wir, die Unterzeichner dieses Briefes, appellieren an alle, nicht in die doppelte Falle (einer falschen Alternative zwischen) „Velayat-e Faghih oder Akzeptanz des neuen Nahen Ostens“ zu tappen, sondern wachsam zu sein und vor der Repression des Regimes einerseits, aber auch vor der Gefahr militärischer Angriffe des Auslands zu warnen. Mit Blick auf die nationalen Interessen unseres Landes fordern wir, dass die Regierung der Islamischen Republik Schritte unternimmt, um der Internationalen Atomenergiebehörde und internationalen Aufsichtsorganisationen dabei zu helfen, alle Zweideutigkeiten im Atomprogramm Irans auszuräumen und damit alle Vorwände für Kriegs- und Zerstörungsdrohungen zu beseitigen.

Wir fordern alle frei denkenden Menschen und Wissenschaftler der Welt auf, die ungeheure Korruption des Systems der Velayat-e Faghih und die destruktiven Auswirkungen des weltweiten Militarismus offenzulegen.

Übersetzung aus dem Englischen
Quelle: Tehran Bureau
Persisch: http://www.rahesabz.net/story/44750/

2 Antworten zu “Erklärung 120 iranischer Intellektueller zu möglichen Angriffsplänen gegen Iran

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