Hossein Karroubi: „Mein Vater befindet sich im Gewahrsam des Geheimdienstministeriums“

Hossein Karroubi

Rooz, 14. April 2011 – In einem von Rooz Online geführten E-Mail-Interview sagt Hossein Karroubi,- der Sohn des inhaftierten Führers der Grünen Bewegung Mehdi Karroubi, dass er sich versteckt halte und dass die Situation nicht mehr schlimmer werden könne. Die Regierung könne das Land nicht weiter so regieren wie derzeit und müsse irgendwann den Forderungen der Menschen Beachtung schenken.

Es folgen Auszüge aus dem Interview:

Rooz: Seit mehreren Wochen schon hat man von Herrn Karroubi und seiner Frau Fatemeh nichts mehr gehört. Haben Sie Neuigkeiten, und wurde Ihnen mitgeteilt, wie lange dieser Zustand anhalten wird, abgesehen von Zusammentreffen unter Aufsicht? Wurden Ihnen irgendwelche Bedingungen für eine Änderung der Situation genannt?

Hossein Karroubi: Es wurden uns keine Bedingungen mitgeteilt. Anscheinend befinden meine Eltern sich in den Händen des Geheimdienstministeriums. Aber es obliegt nicht dem Ministerium, irgendwelche Bedingungen festzulegen. Wenn der Justizchef sagt, dass die Beschäftigung mit den Anführern des „Aufruhrs“ (so bezeichnet das iranische Regime die massiven Proteste gegen die Präsidentschaftswahl von 2009) nicht seiner Rechtsprechung unterliegt, heißt das, dass es nicht die Justiz ist, die für das, was meinen Eltern über ihre Inhaftierung hinaus widerfährt, verantwortlich ist, sondern dass es die höheren Stellen (innerhalb des Regimes) sind, die hier die Entscheidungen treffen. Andererseits – gibt es überhaupt so etwas wie Bedingungen, wenn jemand inhaftiert ist? Ich meine damit, dass Bedingungen keinen Sinn ergeben, wenn ungesetzliche und unmenschliche Maßnahmen ergriffen wurden.

Rooz: Manche glauben, dass die Behörden in der Islamischen Republik zu der Überzeugung gelangt sind, dass man mit der Grünen Bewegung fertig wird, indem man alle Verbindungen zwischen Moussavi und Karroubi einerseits und der Bevölkerung andererseits komplett unterbindet. Was denken Sie? Ist die Grüne Bewegung dadurch beschnitten worden?

Karroubi: Ganz im Gegenteil. Keine Verbindung mit Menschen zu haben ist gleichzeitig eine Bedrohung und ein Segen für sie. Es ist eine Chance für die Bewegung und eine Bedrohung für das Regime. Sowohl Moussavi als auch Karroubi haben immer wieder gesagt, dass die Menschen ihren Weg gefunden haben und sich energisch für ihre Forderungen einsetzen und dabei jeden Tag entschlossener werden.
Am anderen Ende des Spektrums ist es dem Regime lediglich gelungen, das Land noch stärker zu kontrollieren, während es gleichzeitig so unfähig wurde, dass so einfache Dinge wie eine Gedenkzeremonie für einen ehemaligen Parlamentsabgeordneten oder die Beerdigung einer Mutter mit Verbindungen zu dieser Bewegung ihr Angst machen – ganz zu schweigen von Moussavis Vater, der vor Kurzem verstorben ist.
Mein Vater hat uns erzählt, dass es für Ayatollah Saeedi, als er unter dem Schah im Gefängnis gestorben war, eine große Gedenkfeier gab und dass das Regime keinerlei Versuche unternahm, dies zu verhindern. Das zeigt, dass das Schah-Regime Vertrauen zu sich selbst hatte, was auf die Herrschaften (dieser Regierung) nicht zutrifft.
Andererseits existierten für die [Grüne] Bewegung infolge der Gegenwart Karroubis und Moussavis besondere Bedingungen. Das hat sich jetzt geändert, und es wird noch weitere Veränderungen geben.

Rooz: Wie wird die Bewegung Ihrer Meinung nach weitergehen?

Karroubi: Was die Menschen wollen, ist sehr klar. Je gewalttätiger das Regime handelt, desto umfassender werden die Forderungen der Menschen werden. Diese Forderungen zu handhaben ist eine Kunst. Ich habe die Unterschiede in Moral und Haltung der beiden im Juni 2009 und im Februar 2010 persönlich miterlebt. Sie wollten die Bewegung auf der Basis der unterschiedlichen Forderungen der einzelnen Gruppen und Personen in der Gesellschaft führen. Wer immer diese Bewegung anführt, darf also weder zu extremistisch eingestellt sein, noch darf er zu ängstlich sein. Jede Schwäche bei der Verkündung der Positionen der Öffentlichkeit kann zu ihrer Unterdrückung führen. Dies ist so, weil die Bewegung nicht zu einer bestimmten Partei oder Gruppe gehört, sondern allen Menschen.

Rooz: Wie hat Herr Karroubi die Zukunft der Grünen Bewegung gesehen? War er optimistisch, was das Ergebnis angeht?

Karroubi: Einen Tag, bevor er vollständig inhaftiert wurde, hat Herr Karroubi eine kurze Videobotschaft aus seinem Haus herausgeschmuggelt, in der er explizit den Sieg verspricht. Auch davor schon hat er uns immer wieder gesagt, dass die Regierungsmethoden des Regimes keinen Bestand haben können und dass das Regime irgendwann keine andere Wahl mehr haben wird, als den Forderungen der Bevölkerung nachzugeben, denn es ist mit einem Gegner konfrontiert, der viel größer ist als das Regime selbst – einem Volk nämlich, das ernsthafte Zweifel an der Legitimität des Regimes hegt.
Es überrascht nicht, dass die Machthaber versuchen, ihre verlorene Legitimität jeden Tag mit neuen Geschichten zu erneuern. An einem Tag führen sie die neue Subventionspolitik auf den verschwundenen Imam zurück, am nächsten Tag bringen sie eine billige CD über die bevorstehende Wiederkehr des Verborgenen Imams (Imam Mahdi, 12. schiitischer Imam) in Umlauf. Damit wollen sie erreichen, dass man sie mit allem Möglichem in Verbindung bringt (z. B. mit glaubwürdigen Quellen) und für glaubwürdiger hält. Ich denke allerdings, dass solche Methoden und ihre Spielereien mit dem Glauben der Menschen sie immens schädigen wird.

Rooz: Hat Herr Karroubi vor seinem Hausarrest so etwas kommen sehen? Wenn ja – was hat er für die Führung der Bewegung im Sinn gehabt?

Karroubi: Zunächst einmal sind diese Vier [Karroubi, Moussavi und ihre Frauen] nicht unter Hausarrest. Sie befinden sich in Haft. Ja, Herr Karroubi hat sich auf alle Möglichkeiten vorbereitet und vorhergesagt, dass eine solche Situation eintreten wird. Er wusste, dass die Zukunft harte Zeiten bereit hält und glaubte, dass die Bewegung in die Hände von Menschen gehört, die Initiative haben und bereit sind, jeden Preis für die Ziele der Bewegung zu zahlen. Individuen, die sich nach den Interessen und Bedürfnissen der Menschen richten, aber trotzdem standhaft bleiben, damit die Bewegung nicht in die Hände schwacher oder opportunistischer Leute gerät.

Rooz: Letzte Frage: Wie ist die Situation für Karroubis Kinder?

Karroubi: Als der Kontakt zu unseren Eltern abbrach, wurde mein Bruder Ali unter dem lustigen Vorwand verhaftet, er sei als Spion für Länder des Persischen Golfes tätig. Einige Wochen später wurde er gegen Kaution freigelassen. Abgesehen davon, dass sie meinen beiden Brüdern verboten haben, das Land zu verlassen, haben sie keine weiteren Probleme bereitet. Aber ich halte mich versteckt, um mir darüber klar zu werden, was ich jetzt tun werde und was Gott für uns bereit hält.

Veröffentlicht bei Rooz Online am 14. April 2011
Quelle (Englisch): http://www.roozonline.com/english/news3/newsitem/archive/2011/april/14/article/my-father-apparently-in-ministry-of-intelligence-custody.html
Artikel auf Persisch: http://www.roozonline.com/persian/news/newsitem/archive/2011/april/13/article/-26238612c5.html

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