Interview mit einem Basiji: „Ich habe die Hure Hashemi beschimpft…“

Rooz, 28. April 2011 – Auf einem Video, das diesen Monat in Iran weite Kreise zog, ist zu sehen, wie der Basiji Saeed Tajik Hashemi Rafsanjanis Angehörige beleidigt, insbesondere dessen Tochter Faezeh, die er als Hure beschimpft. Die Reaktionen auf das Video waren heftig – viele verurteilten die Beleidigungen, und der Generalstaatsanwalt teilte schließlich sogar mit, er habe Tajik verhaften lassen.

Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Im Gespräch mit Rooz dementierte Tajik – der nach Angaben des Generalstaatsanwalts wegen seiner verbalen Ausfälle gegen Faezeh Hashemi in seinem Büro verhaftet wurde (er leitet die Basij-Einheiten der Teheraner Ölraffinerie) – seine Verhaftung. „Ich habe dem Generalstaatsanwalt gesagt, dass wir jetzt seit 20 Monaten Unruhen erleben. Sie wissen, dass diese Hure jedes Mal, wenn sie verhaftet wurde, sagte,  dass sie [nur] ein Sandwich gegessen hat. Was ist das für ein Sandwich? Sie haben alle roten Linien überschritten. Sie haben Gott, den Propheten, den Imam, unseren Imam (Ayatollah Khomeini) beleidigt. Keiner von Ihnen hat sich bewegt oder irgendwas unternommen. Die meisten Offiziellen, vor allem die in den religiösen Seminaren, haben sich aufs Schweigen verlegt. Wer steht höher – Rafsanjani oder der Verborgene Imam? Rafsanjani oder der oberste Führer? Sie haben all unsere heiligen Werte beleidigt. Aber als ich diese Hure ein Miststück [„an ass“] nannte, fühlten sich alle auf den Schlips getreten“, so Tajik.

Ich habe mit Tajik über den Vorfall und seine Sicht der Dinge gesprochen. Er sprach mich mit „Schwester“ und der respektvollen religiösen Anrede „haj khanoom“ an, und ich nannte ihn im Gegenzug „haj agha“ – eine respektvolle Anrede für Männer, die ihre heilige Pflicht der Pilgerreise an die heiligen Stätten des Islam vollzogen haben. Im Übrigen war die Sprache, die Herr Tajik in seinen Interviews benutzte, extrem respektlos und beleidigend, nicht nur gegenüber der Familie Hashemi.

Es folgen Auszüge aus dem Interview.

Rooz: Ich rufe von Rooz an und möchte mit Ihnen über Ihre Verhaftung sprechen. Stimmt es, dass Sie verhaftet wurden?

Saeed Tajik: Nein. Das stimmt nicht. Natürlich weiß ich, wer hier Böses im Schilde führt.

Rooz: Wer denn?

Tajik: Das kann ich am Telefon nicht sagen. Es wird abgehört. Wir werden das selbst mit denen regeln.

Rooz: Sie wurden also nicht verhaftet?

Tajik: Ich bin gerade in meinem Büro.

Rooz: Wir waren auch überrascht, als wir es hörten, aber das ist, was der Generalstaatsanwalt gesagt hat, und alle Nachrichtenseiten haben darüber berichtet.

Tajik: Nein. Ich wurde vor dem 21. März [iranisches Neujahr] verhaftet und war 8 Tage in Evin. Ich war drei Tage lang im Hungerstreik.

Rooz: Warum?

Tajik: Die Behörden dachten, dass nichts passieren würde (wenn sie mich verhaften). Aber vorher haben mich alle Universitäten kontaktiert und mir gesagt, sie würden im Fall meiner Verhaftung massenhaft bei der Justiz auflaufen. Die Behörden haben all das mitgehört. Sie hören auch dieses Gespräch mit. Aber das ist in Ordnung, sollen ruhig Dritte all das hier hören und sich besser fühlen. Ich war also sieben oder acht Tage in Evin, und danach behandelten sie mich gut.

Rooz: Sie wurden gut behandelt?

Tajik: Ja, es gab keine Schläge.

Rooz: Haben Sie wirklich gesagt, was wir auf dem Video gehört haben (sexuelle Beleidigungen gegen Hashemis Tochter)?

Tajik: Ich habe gesagt, dass ich sie zerreißen und ihr wehtun werde, ja. Ich habe das gesagt, weil die Justiz untätig war und nicht gegen sie vorgegangen ist. Der Vulkan in mir ist ausgebrochen. Sie sollten mit dem Schlimmsten rechnen. Aber da der Führer gesagt hat, dass wir keine Beleidigungen benutzen sollen, werden wir das respektieren.

Rooz: Aber wer hat das Video ins Internet gestellt? Das wirkt verdächtig.

Tajik: Ich glaube, dass es Teil meines Lebens ist, diese Leute zu bekämpfen. Ich habe sogar dem Staatsanwalt gesagt, dass ich Hashemis Ruf zerstören werde, wenn ich aus dem Gefängnis komme. Wenn sie nicht gegen [die Hashemis] vorgehen, müssen die Leute das eben mit Gewalt tun, habe ich gesagt. Selbst der Führer hat gesagt, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen können, wenn die Behörden nicht auf unsere Forderungen hören. Also – wir wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen.

Rooz: Aber der Justizchef wird von Herrn Khamenei ernannt – worin besteht dann das Problem? Warum tut er nichts?

Tajik: Die Justiz hat alles vermasselt. All unsere Beschwerden richten sich gegen die Justiz. Sie haben nicht richtig gehandelt. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Larijani auch einer von ihnen ist.

Rooz: Wen meinen Sie?

Tajik: Diese Leute gehören alle zu Hashemis Lager. Ich kann das nicht am Telefon sagen, weil wir abgehört werden. Ich fürchte niemanden außer Gott.

Rooz: Wie kommt das?

Tajik: Ich habe mit meinem Leben schon abgeschlossen. Meine Freunde flogen vor meinen Augen in die Luft. Ich habe sie eigenhändig aufgesammelt (die Rede ist vom Iran-Irak-Krieg in den 1980er Jahren). Ich werde nicht den Mund halten, genauso wenig wie andere. Wir werden uns den Ungläubigen entgegenstellen. Imam Khomeini hat gesagt, dieser Krieg hat keine geografischen Grenzen. Wir werden existieren, so lange die Ungläubigen existieren, und das Gleiche gilt für unseren Kampf.

Rooz: Ihre Anklage lautete aber, dass Sie das Gesetz im islamischen Land gebrochen haben.

Tajik: Sie liegen falsch. Das sind ihre Klischees. Ich hatte es mit einer Hure zu tun. Sie haben den Koran angezündet, die Moschee, und so weiter.

Rooz: Ich verstehe. Es verletzt Sie, was die Leute mit der Religion machen. Aber warum schweigen Sie, wenn Mashaei oder Ahmadinejad so etwas tun [die Religion verletzen]?

Tajik: Mashaei ist nichts weiter als Schmutz und Dreck. Glauben Sie nicht, dass ich nicht auch gegen andere Dinge protestiere.

Rooz: Aber Ahmadinejad steht hinter ihm.

Tajik: Ahmadinejad liegt falsch. Ich diene jedem, der auf der Linie des Führers ist, und jeder, der diese Linie verlässt, wird mein Blutfeind. Das sagt der Koran, und das sagt auch der Prophet.

Rooz: Glauben Sie, dass die beiden aneinander geraten werden?

Tajik: Sie wissen, wie die Hisbollah-Jungs reagieren werden. Wenn sie das tun wollen (d. h. sich gegen den obersten Führer stellen), lass sie es ruhig versuchen. Als sie uns letztes Mal ins Gefängnis gebracht haben, haben sie niemandem etwas davon gesagt. Es war vorgesehen, dass die Hisbollah-Jungs und die Zivilagenten alle dorthin kommen. Sie sind bereit dafür. Ich habe ihnen Telefonnummern gegeben und ihnen gesagt, was sie tun müssen, wenn ich verhaftet werde. Die Hisbollah-Jungs sind keine Waisenknaben!

Rooz: Aber sie handeln auf Befehl, anderenfalls werden sie verhaftet. Was werden sie dann tun? Wie viele sind es?

Tajik: Sie sollen mich verhaften, dann wird man sehen, wie viele es sind!

Rooz: Es ist nicht schwer, sie alle zu fassen [„It is not difficult to round them up“].

Tajik: Nein?! Wie kann man die alle fassen? Als sie die Demonstranten angriffen und die Hölle losbrach, gab es da irgendwelche Befehle? Das sind spontane Aktionen.

Rooz: Spontan?

Tajik: Ja. Zum Beispiel bei einem Freitagsgebet. Als es hieß, dass jemand verhaftet wurde, sind die Jungs hingegangen. Wenn ein Basij sieht, dass der Weg des Imam (Khomeini) in Gefahr ist, wenn er sieht, dass das Blut der Märtyrer [Wort fehlt] oder eine verdorbene Gruppe eine schmutzige und politisierte Aktion plant, gehen diese Jungs spontan hin und verhindern es.

Rooz: Eigenständig?

Tajik: Ja, eigenständig.

Rooz: Wie denken Sie über die gewaltsamen Übergriffe auf die Öffentlichkeit in den letzten 20 Monaten?

Tajik: Schauen Sie. Wenn jemand sich jemand der Religion in den Weg stellt, muss man etwas dagegen machen – wie der Imam (Khomeini) gesagt hat. Wenn jemand zum Freitagsgebet kommt und dabei die Hand seiner Freundin hält, ein Eis isst und zum Beten seine Schuhe nicht auszieht, werde ich ihm den Mund zerreißen. Solche Leute sind nicht das Volk, und sie müssen hingerichtet werden. Lesen Sie den Koran. Dort steht, dass jedem Hände und Füße abgeschnitten werden müssen, der sich Gottes Prophet, der Religion und Gott in den Weg stellt. Das ist Gottes Befehl. Jeder, der dem Islamischen Regime im Weg setht und dessen Werte mit Füßen treten will, muss in Stücke gerissen werden.

Ahmadinejad ist nicht göttlich. Er wird Ahmadinejad bleiben, so lange er den Weg des Velayat (des religiösen Führers) befolgt. Wenn er diesen Weg verlässt, werden die Basijis ihn verfluchen. Die Nation wird ihn verfluchen. Wenn er aber auf dem Weg bleibt, werde ich ihm dienen.

Rooz: Glauben Sie, man wird Sie verhaften?

Tajik: Ich habe keine Angst.

Rooz: Ich weiß. Aber ist es möglich, dass man Sie verhaftet?

Tajik: Schauen Sie, Schwester. Ich habe kein Verbrechen begangen. Ich habe mich mit Hashemis Tochter und seinem Sohn angelegt. Wenn mein Verbrechen bewiesen wird, dann werde ich höchstens ein Jahr Gefängnis dafür kriegen. Wenn Herr Khamenei von mir fordert, dass ich sterbe, dann werde ich sterben.

Rooz: Es gibt auf einigen Webseiten Bilder, auf denen Zivilagenten und Basijis bei Demonstrationen zu sehen sind, die mit Messern bewaffnet sind und Identifikationsnummern tragen. Haben Sie die gesehen?

Tajik: Ja. Lassen Sie mich eins sagen: Der Imam hat gesagt, dass wir sicher sein können, das Richtige zu tun, solange ausländische Radiosender etwas gegen uns sagen. Wir haben erst dann ein Problem, wenn sie uns loben.

Rooz: Diese Fotos wurden veröffentlicht, und man sieht darauf, wie [Basijis] Leute verprügeln und Messer in den Händen haben.

Tajik: Woher wissen Sie, dass das Basijis sind? Ist jeder, der einen Bart trägt und sein Hemd zuknöpft, ein Basiji? Man kann mit dem Computer und im Internet tausend Tricks anwenden. Sogar hier fasst man falsche Polizisten, die hingehen und Leute erpressen. Können wir von denen sagen, dass sie echte Polizisten sind?

Rooz: Aber sie waren bei den Demonstrationen. Sie haben Leute verprügelt. Und Sie sagen, die waren alle nicht echt?

Tajik: Im Fernsehen werden jeden Tag viele solche Leute gezeigt. Die Bilder wurden manipuliert.

Rooz: Sie meinen, die Leute, die Demonstranten verprügelt haben, hatten keine Messer bei sich. Was hatten sie denn bei sich?

Tajik: Wenn Sie zur Azadi-Straße gekommen wären…

Rooz: Ich bin nicht hingegangen. Ich hatte Angst. Alle wurden zusammengeschlagen.

Tajik: Wir haben einen Schlägertrupp auf der Azadi-Straße gesehen, drei- oder viertausend. Wissen Sie, wie viele dort waren?

Rooz: Wie viele?

Tajik: Gott weiße es – bloß ungefähr hundert.

Rooz: Und das waren die Motorradfahrer?

Tajik: Sie haben uns mit Schwertern angegriffen und uns verprügelt. Aber die Jungs (die Basijis) kamen und retteten uns.

Rooz: Dann haben Sie sie verprügelt.

Tajik: Ja. Sehen Sie? Wir haben acht oder neun Märtyrer verloren, der wichtigste von ihnen war Hossein Gholam Kabiri in der Stadt Rey.

Rooz: War Sane Jaleh auch ein Basiji?

Tajik: [schweigt] Ich weiß es nicht. Sie haben gesagt, dass er einen Basij-Mitgliedsausweis bei sich hatte. Aber ich weiß es nicht. Ich kenne ihn nicht.

Das Interview führte Nooshabeh Amiri

Veröffentlicht bei Rooz Online am 28. April 2011
Quelle (Englisch): http://www.roozonline.com/english/news3/newsitem/archive/2011/april/28/article/i-called-the-hashemi-bitch-an-ass-and-there-was-an-uproar.html

Eine Antwort zu “Interview mit einem Basiji: „Ich habe die Hure Hashemi beschimpft…“

  1. Das Gruseligste an diesem Tajik finde ich nicht etwa seinen Hang zur schrankenlosen Gewalt, sondern dass er keine eigene Moral besitzt.
    Der Führer sagt, der Imam sagt, der Koran sagt…. Er merkt nicht einmal, dass sich seine Aussagen komplett widersprechen.
    Seine Selbstsicherheit spricht dafür, dass er und seinesgleichen kräftig ermutigt und mit allen Mitteln unterstützt werden.

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