Shirin Ebadi: Irans Opposition ist nicht geschwächt, sie hat sich entwickelt

Veröffentlicht bei Radio Free Europe/Radio Liberty am 16. Juni 2010
Quelle (Englisch): http://www.rferl.org/content/Ebadi_Says_Iran_Opposition_Has_Evolved_Not_Weakened/2072999.html
Anmerkungen in eckigen Klammern stammen von der Übersetzerin

Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi

Wien (Reuters) – Die iranische Oppositionsbewegung hat sich an die verschärften Bedingungen angepasst und ist nach wie vor lebendig und stark, so Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Sie forderte eine stärkere Konzentration auf die, wie sie sagte, „extensiven“ Menschenrechtsverletzungen

Bei den von den Behörden unterdrückten Straßenprotesten nach der Wahl von 2009 waren Tausende verhaftet und mindestens 30 Menschen getötet worden. Der Opposition zufolge waren die offiziellen Wahlergebnisse, die Präsident Mahmoud Ahmadinejad einen Erdrutschsieg verschafften, gefälscht.

Die Behörden bezeichneten den Urnengang als die gesündeste Wahl seit Jahrzehnten.

„Fälle von Gewaltanwendung (gegen die Öffentlichkeit) haben zugenommen, jeder, der auf die Straße geht, wird verhaftet. Darum haben die Demonstrationen eine andere Form angenommen“, sagte Ebadi bei einer Podiumsdiskussion in Wien.

„Dass weniger Menschen auf die Straße gehen bedeutet nicht, dass die Bewegung geschwächt ist. Die Kritik hat lediglich andere Formen angenommen“, sagte sie durch einen Übersetzer.

Die iranische Aktivistin führte das Beispiel der Mütter inhaftierter Demonstranten an, die sich [öffentlich] treffen, Schwarz tragen und die Fotos ihrer Kinder zeigen.

Oppositionsanhänger hätten sich stärker auf das Internet zurückgezogen, wo sie mit der Veröffentlichung von Videos und Fotos auf andere Weise ihre Position nach außen tragen, so Ebadi.

„Je mehr Gewalt gegen die Menschen angewandt wird, umso zorniger werden sie, und die Regierung wird [am Ende] geschwächt“, sagte Ebadi, die das Land vor den Wahlen verlassen hatte und von Einschüchterungs- und Drohaktionen der Regierung gegen sie berichtet.

Am 15. Juni war Iran vom UN-Menschenrechtsrat für die Niederschlagung [der Proteste] nach der Präsidentschaftswahl gerügt worden.

Dass die Regierung aus Furcht vor oppositionellen Demonstrationen Familien daran hindert, Begräbnisse für ermordete Demonstranten abzuhalten, zeige die Schwäche der Regierung, so Ebadi weiter.

„Eine Regierung, die sich vor einer Leiche fürchtet, ist eine schwache Regierung“, sagte sie.

Die Oppositionsbewegung sei in ihrer Kritik zudem differenzierter geworden. Habe es anfangs noch geheißen „Wo ist meine Stimme?“, stelle [die Bewegung] mittlerweile die gesamte Regierung in Frage, so Ebadi.

Ebadi, die im Jahre 2003 den Friedensnobelpreis gewann, kritisierte die westlichen Länder und die Medien dafür, dass sie ihr Hauptaugenmerk auf das umstrittene iranische Nuklearprogramm richten und nicht auf die Menschenrechtsverletzungen.

„Die Atomenergie überschattet die Menschenrechtsverletzungen“, sagte sie und fügte hinzu, dies sei einer der Gründe, warum sich die Situation verschlechtert hat. Wenn Länder mit dem Iran in Verhandlungen treten, müssten sie die Menschenrechtsthematik ansprechen, so Ebadi.

„Fragen Sie danach, warum [die iranische Regierung] Minderjährige hängen lässt, warum es Steinigungen gibt, warum so viele Journalisten im Gefängnis sind“, sagte sie.

Vergangene Woche hatte der UN-Sicherheitsrat eine vierte Sanktionsrunde gegen Irans Nuklearprogramm verhängt, von dem der Westen annimmt, dass es auf die Herstellung von Atomwaffen zielt.

Ebadi sagte, sie unterstütze politische Sanktionen, aber keine militärischen oder wirtschaftlichen Maßnahmen, die die Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehen können.

Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link angeben

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