Tagesarchiv: 15. Dezember 2009

Muharram für Anfänger

Veröffentlicht auf Enduring America.com/ am 15.12.2009
Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2009/12/15/iran-a-beginners-guide-to-muharram/

Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben

Der EA-Korrespondent Herr Azadi gibt EA-Lesern […] eine Einführung in den religiösen Monat Muharram, der wahrscheinlich von Protesten der Opposition geprägt sein wird.

Muharram und die Botschaft von Karbala
Ein wichtiges Ereignis für den schiitischen Islam ist der erste Monat des islamischen Kalenders, Muharram, mit seinen Bedeutungen und Ritualen. Es war an Ashura, dem 10. Tag von Muharram, als Hussain, der dritte Imam der Schiiten, in Kerbala im heutigen Irak getötet wurde.

Historischer Hintergrund
Die Ermordung von Hussain bei Karbala ereignete sich im Muharram des Jahres 61 nach dem islamischen Kalender (680 nach Christus) und ist eines der wegweisenden Ereignisse in der Entwicklung des schiitischen Islam.

Hussain hatte sich geweigert, ein Bündnis mit dem Kalifen Yazid einzugehen, und erklärt, dass die Regierung Yazids nicht rechtmäßig sei, da sie nicht dem Weg und der Art und Weise des Propheten Muhammad folge.
Da Hussain der einzige lebende Enkel des Propheten war, konnte seine Verweigerung der Gefolgschaft Yazids Position gefährden. Der Kalif setzte Hussain ein Ultimatum: Entweder akzeptierte er seine Vormachtstellung, oder er musste sterben.

Hussain hatte erklärt, er habe nicht die Absicht, einen Krieg zu beginnen, aber Yazid ließ ihm keine andere Wahl. Hussain, seine Familie und seine Gefährten standen in Karbala über 5000 Mann der Armee Yazids gegenüber. Hussains 72 Gefährten und seine Familie wurden getötet.

Die Hussain-Ideologie
Hussains Haltung und sein Märtyrertum haben einen ideologischen Rahmen für Freiheitsbewegungen geschaffen, die das Ereignis von Karbala als Positionierung gegen die Ungerechtigkeit ansehen. Dieser ideologische Rahmen schließt auch die Weigerung ein, eine unrechtmäßige Regierung zu akzeptieren, sowie Enthüllung von und Protest gegen Ungerechtigkeit. Es ist nicht wichtig, wie klein eine Protestbewegung ist, denn sie muss gegen Tyrannei und Ungerechtigkeit aufstehen, selbst dann, wenn nicht sofort ein Ergebnis erzielt wird.

Schiiten glauben, dass Hussains Weg lebendig ist und dass man diesem Weg folgen muss, so lange es Ungerechtigkeit in der Welt gibt: “Jeder Tag ist Ashura, und jedes Land ist Karbala“ – dieser Satz verdeutlicht die Hussain-Ideologie sehr klar.

Wie Hussain wieder zum Leben erweckt wird
Der Schiismus hat in seiner Geschichte versucht, die Ideologie und die Botschaft von Karbala auf verschiedene Art wieder zu beleben. Die wichtigste davon ist das Trauerritual. Das Gedenken an Hussain, an seine Worte und seine Botschaft, seine Ansichten und seine Ideologie, seinen Tod und die damit verbundenen Ereignisse sind die Hauptbestandteile dieser Rituale, die sowohl grüblerische [„speculative“, d. Übers.] als auch emotionale Aspekte haben.

Im Muharram versammeln sich die Menschen in Moscheen und anderen Plätzen, um sich in Vorträgen und Reden von Geistlichen die Botschaft von Karbala, Hussains Taten und seinem Tod erklären zu lassen. Bei diesen heiligen Zermonien verwenden Schiiten auch Symbole für die wichtigsten Aspekte von Karbala. Es gibt Fahnen in drei Farben: Rot (für Blut und für das Sterben für Überzeugungen), Grün (für die Familie des Propheten) und Schwarz (für Trauer und Traurigkeit).

Muharram und die Islamische Revolution in Iran
Die Islamische Revolution in Iran im Jahre 1979 basierte auf Hussains Ideologie. Imam Khomeini erklärte, dass Muharram die Bewegung am Leben erhalten und sie mit der Erhebung gegen die Tyrannei und Ungerechtigkeit des Schahs, dem Yazid des 20. Jahrhunderts, identifiziert habe. Geistliche und Sprecher verwandelten Muharram von einem Trauermonat in eine politische Plattform für die Reformierung des iranischen Systems. Iranische Anhänger, schwarz geschmückt und von Trauer singend, demonstrierten während des ganzen Monats gegen den Schah, insbesondere am 9. und 10. Tag, Tasua und Ashura.

Die Bedeutung von Muharram und Ashura wurde verstärkt durch den „aufgezwungenen Krieg“ (1980-1988) mit Irak. Nach der Hussain-Ideologie war es wertvoller, sein Leben für seine Überzeugungen zu opfern, als unter Tyrannei zu leben. Die Iraner identifizierten in ihren Zeremonien und in ihrer Literatur ihre Märtyrer mit den Märtyrern von Karbala.

Muharram und die Grüne Bewegung
Auf der Grundlage von Hussains Ziel, „die islamische Gesellschaft zu reformieren und sie mit Gerechtigkeit und islamischen Werten wieder aufzubauen“, bezieht sich die Grüne Bewegung auf die Ideologie von Hussain, um ihre Ziele zu erreichen. Damit bietet Muharram der Bewegung die großartige Möglichkeit, sich durch die Symbole und die Ideen von Karbala zu regenerieren.

Was ist die erste Botschaft? Bleibt nicht stumm, egal wie viele (oder wenige) ihr seid oder wie stark eure Gegner sind. Die zweite Lehre? Es wird vielleicht nicht sofort ein Ergebnis erreicht, aber der wahre Sieg besteht darin, die Stimme gegen Unrecht zu erheben – eine Haltung, die in die Geschichte eingehen wird.

Doch.

Veröffentlicht auf Persian Umpires Blog am 15. Dezember 2009
Quelle (Englisch): http://www.persianumpire.com/2009/12/15/it-will/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben

Es ist lange her, und ich würde die Gründe dafür gern ignorieren und lieber direkt mit einem verspäteten Posting über den 16. Azar weitermachen.

Gegen 16 Uhr starteten wir auf der Suche nach Action zu einem Streifzug um die Teheran-Universität, aber die Demonstrationen waren auf den Campus der Universitäten beschränkt. Die Atmosphäre war angespannt, als ob der Staub nach einem Kampf sich gerade erst gelegt hätte, und wir wussten, dass es in der Gegend hier und da einige Geplänkel gegeben hatte. Offenbar war es uns gelungen, sie alle zu verpassen. Letztlich blieb unsere Rolle darauf beschränkt, zum Verkehrsstau beizutragen und sehr, sehr lange bewegungslos im Auto zu sitzen, zu rauchen, zu hupen, zu fluchen und gelegentlich Basijis auf Motorrädern den Weg zu versperren. Von Zeit zu Zeit sahen wir Busse auf der Enghelab Avenue vorbeifahren, vollgepackt mit Menschen, die Parolen schrieen und in der Dunkelheit verschwanden.

Die Leute waren nicht so zahlreich gekommen wie bei anderen Demonstrationen, was hauptsächlich daran lag, dass der 16. Azar als „Studentensache“ angesehen wurde und dass die meisten, die gekommen waren, so wie wir in ihren Autos festsaßen. Wir hatten keine andere Wahl. An jeder Kreuzung in der Gegend um die Teheran-Universität gab es unzählige Sicherheitsleute, die neben ihren Transportern und Bussen standen.

Aber ihr wisst das alles schon. Ihr wisst auch, dass die Demonstrationen am 16. Azar innerhalb der Universitäten intensiv waren, und ihr wisst auch, dass sie noch nicht richtig vorbei sind. Also lasst mich euch von dem bisschen Action erzählen, in dessen Genuss wir schließlich kamen: Ein Wortgefecht in einer Bäckerei.

Gegen 18 Uhr sahen wir in einer Seitengasse abseits der Enghelab Avenue eine Sangak-Bäckerei (Sangak = ein bestimmtes Brot, das auf heißen Steinen gebacken wird, d. Übers.) und fanden, es wäre doch schön, etwas heißes Sangak zu bekommen. Als wir in der Schlange standen, fragte mein Freund, der sich über die ausgebliebene Großdemonstration mehr ärgerte als ich, den Bäcker:

“Also, wieviel kostet ein Sangak heutzutage?“
“Fünfhundert Toman (ca. 50 Cent).”
“Ahh… so ist das. Dann müssen wir noch ein bisschen warten.”
“Worauf?”
“Darauf, dass Brot zweitausend Toman kostet. Darauf, dass das Messer auf den Knochen trifft (ein Ausdruck für extreme Not). Dann werden wieder alle auf die Straße gehen, nicht nur die Studenten.“

Eine Frau hinter uns lief rot and und fing an zu schreien:
“Was meinst du? Das Messer hat schon den Knochen getroffen. Fünfhundert ist eine Menge Geld für Brot! Mancherorts muss man schon eintausend dafür bezahlen.“
“Es kommen aber nicht genug Leute zu den Demonstrationen. Heute sind nur Studenten da.“
“Ich bin gekommen. Ich wollte demonstrieren. Habt ihr gesehen, wieviele Sicherheitskräfte da draußen waren?”

Hier schaltete sich ein Mann Anfang sechzig mit akkuratem Spitzbart ein, der weiter hinten in der Schlange stand:
„Ihr verschwendet eure Zeit. Nichts wird sich ändern.“
“Warum nicht?”
“So ist das in diesem Land. Sie werden an der Macht bleiben, und das Volk kann nichts machen.”
“Genau wie Sie sagen. Sehen Sie sich dieses Land an. Alle dreißig, vierzig Jahre gibt es große Veränderungen. Oder nicht?“
“Nicht bevor jemand da draußen Veränderungen will. Nur dann kommen Veränderungen. Ihr könnt nach Hause gehen und eure Energie aufsparen.“
“Was meinen Sie?”
“Solange Amerika und Großbritannien hier nichts verändern wollen, wird nichts passieren.“
“Ach kommen Sie… das ist lächerlich.”
“Nein, ist es nicht. Man muss sich nur die Geschichte ansehen.”
“Also gut, dann bleiben Sie abseits stehen und vergessen Sie es. Aber sagen Sie nicht, es wird sich nichts ändern.“
“Es wird sich nichts ändern.”

Etliche ähnliche Erklärungen dieses Herren später wurde die Auseinandersetzung heftiger, die Stimmen wurden lauter. Jemand rief, dass der Herr zu der Generation gehöre, die uns in diese Situation gebracht hat, und dass er diesen Standpunkt aus Scham vertrete. Ich weiß nicht, wer danach was zu dem Herrn sagte, aber es ging so weiter:

“Sie können ja nicht einmal vernünftig urteilen, Sie sagen nur die ganze Zeit, ‚wenn der und der es will‘.“
“Man muss nicht vernünftig urteilen. Es ist so. Es wird sich nichts ändern.“
“Doch, wird es.”
“Nein, wird es nicht”
“Es wird.”
“Wird es nicht.”
“Es wird.”

Eine Stimme aus einer anderen Richtung sagte
“Wenn ihr lange genug wartet, kommt vielleicht Imam Zaman (der Zwölfte Imam) und richtet es für euch.“
Alle lachten.
“Wird er nicht.”
“Wird er doch.”
“Nein”
“Doch.”

Plötzlich schaltete sich der Bäcker ein:
“Hört auf zu streiten. Ich habe gestern mit Emam Zaman zu Abend gegessen, und er hat mir gesagt, doch. Ende der Diskussion.”

Wir kauften dann im Laden nebenan etwas Käse und saßen zwei weitere Stunden im höllischen Verkehr.

Das neueste aus Iran/Majid Tavakolis Bruder spricht

Quelle (Persisch): Radio Deutsche Welle Farsi Service
Englische Übersetzung: Reza Eshteraki für Persian2English
Quelle (Englisch): http://persian2english.wordpress.com/2009/12/15/latest-news-from-iran-plus-majid-tavakoli%E2%80%99s-brother-they-told-him-we-will-deal-with-you/
Veröffentlicht auf Persian2English am 15. Dezember 2009
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben

Majid Tavakoli


Majid Tavakoli’s Brother: “They told him, we will deal with you”
Iranian Universities in Tension and Turbulence

Von Mahindokht Mesbah für Radio Deutsche Welle Farsi Service

Die Repression gegen Studenten durch Basij und Zivilpolizei am 7. Dezember hat neue Proteste nach sich gezogen. Lehrveranstaltungen in den Universitäten Teheran, Sharif, Elm-o Sanat und Khaje Nasir fielen aus, Studenten fordern die Freilassung ihrer Freunde.

Seit dem 7. Dezember ist die Teheran-Universität Schauplatz täglicher Auseinandersetzungen und Proteste. Am Sonntag, dem 13. Dezember fielen sämtliche Lehrveranstaltungen an der Technischen Fakultät aus, vor dem Gebäude der Fakultät fand von 11 – 12:30 Uhr eine stille Versammlung im Beisein von ca. 1000 Menschen statt. Bevor das Schweigen einsetzte, riefen die Studenten „Tod dem Diktator“ und forderten den Rücktritt von Dr. Kamareyi, dem Leiter der Technischen Fakultät. Ein Student sagte der Deutschen Welle gegenüber: „Der Grund, warum wir seinen Rücktritt fordern ist, dass er am Studententag einen Haufen Schläger und Pseudostudenten hier hereingelassen hat, die die echten Studenten verprügeln sollten.“

Die Eingangstore der Teheran-Universität werden seit letzter Woche von Sicherheitskräften streng kontrolliert.
Am Sonntag, dem 13. Dezember überwachten und kontrollierten Polizisten die Straßen in der Nähe der Universität und des Enghelab Square. Ein Augenzeuge berichtete der Deutschen Welle: „In den Straßen, die zur Universität führen, gibt es sehr viele Buchhandlungen, und viele Menschen müssen hierher kommen, um einzukaufen und andere Dinge zu erledigen. Im Moment muss jeder, der in Nähe der Universität vorbeikommt, einen Studentenausweis vorzeigen.“

Auch die Sharif-Universität ist Schauplatz täglicher Protestversammlungen. Die Studenen der Universität hatten erklärt, dass sie die Lehrveranstaltungen so lange boykottieren würden, bis ihre Freunde freigelassen sind und die Universität von der zur Zeit dort herrschenden militärischen Atmosphäre befreit ist. Sie versammeln sich jeden Tag um 12:20 Uhr vor der Cafeteria der Universität.

Proteste gab es auch am Sonntag an den Universitäten Khajenasir, Elm-o Sanat, Teheran und Zanjan, Kerman, Kashan und Shiraz.

Regierungsanhänger versammelten sich in der Moschee der Teheran-Universität
Iranische Nachrichtenagenturen berichten vom Beginn einer am Sonntag beginnenden dreitägigen Versammlung in der Moschee der Teheran-Universität. Anlass ist die Verbrennung von Ayatollah Khomeinis Foto. Einige Parlamentsmitglieder und Persönlichkeiten des rechten Hardliner-Flügels sollen dort sprechen.
Die Parlamentsmitglieder Mehdi Koochakzade und Alireza Zakani, das ehemalige Mitglied der Ansar Hezbullah Masood Dehnamaki und Yahya Rahim Safavi (ehemaliger Befehlshaber der Revolutionsgarden) werden unter den Rednern sein. Bei den genannten Personen handelt es sich um die ultra-Hardliner unter den Gegnern der Protestbewegung in Iran. Regierungskritische Studenten glauben, dass das Video, dass das Bild von Ayatollah Khomeini am Studententag zeigt, von der nationalen Fernseh- und Rundfunkanstalt IRIB gefälscht wurde.

Im Amir Kabir-Newsletter heißt es, dass sich eine Gruppe Basijis am Sonntag, dem 13. Dezember aus Protest gegen das ausgestrahlte Video in der Shahid Beheshti-Universität versammelt haben. Dies sei der Grund, warum die Angriffe von Basijis auf regierungskritische Studenten von Zusammenstößen begleitet waren.

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Situation von Majid Tavakoli ungeklärt
Sechs Tage sind seit der Verhaftung von Majid Tavakoli vergangen, und noch immer wissen weder seine Familie, noch seine Freunde, wo er festgehalten wird und wie es ihm geht.

Mehdi Arabshahi vom Zentralkomitee des Büros zur Konsolidierung der Einheit (Daftare Tahkim Vahdat) fordert die Freilassung des inhaftierten Studenten und betont, es sei wichtig, die Situation von Tavakoli aufmerksam zu verfolgen. Er sagte: „Diese Verhaftung ist eine sehr spezielle und persönliche Angelegenheit. Die Presse muss ausführlich darüber berichten, so dass Menschen innerhalb wie außerhalb Irans darauf aufmerksam werden und die Möglichkeit, dass Majid Tavakoli Schaden nimmt, geringer wird.“

Ali Tavakoli, Majid Tavakolis Bruder, erklärte, dass sich bisher keine Institution für die Verhaftung und den Fall seines Bruders verantwortlich gezeigt habe. Der Deutschen Welle gegenüber sagte er: „Sie hatten ihm schon vorher gesagt, dass sie ihm eine Lehre erteilen und sich ernsthaft mit ihm beschäftigen würden. Ich glaube jedoch, dass Majid nach diesem Vorfall noch bekannter und größer geworden ist. Nun wissen noch mehr Menschen, was Majid für Freiheit und zivile Rechte tut.“

Majid Tavakoli, der an der Amir Kabir-Universität Schiffbau studiert, hatte am 7. Dezember in der Universität eine Rede bei einem „Free Mic event“ gahalten und kurz darauf zusammen mit dreien seiner Freunde verhaftet worden.

Augenzeugen berichten, dass er von Männern verhaftet wurde, die aus einem Transporter bzw. einem Peugeot 405 ohne Kennzeichen gestiegen waren. Die Verhaftung ging ohne Gewalt vor sich, sagen Augenzeugen. Regierungsnahe Quellen veröffentlichten einen Tag später ein Bild von Tavakoli, das ihn in Tschador und Schleier zeigte und behaupteten, er sei bei einem Fluchtversuch in Frauenkleidern verhaftet worden.

Oberster Führer ordnet Intensivierung der Unterdrückung an

Quelle (Persisch): Rahe Sabz
Englische Übersetzung: Reza Eshteraki für Persian2English
Quelle (Englisch): http://persian2english.wordpress.com/2009/12/15/warnings-on-irregular-measures-confirmed-supreme-leader-ordered-intensification-of-oppressions/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben

Veröffentlicht auf Persian2English am 15. Dezember 2009

Warnungen vor außerordentlichen Maßnahmen bestätigt – Oberster Führer ordnet Intensivierung der Unterdrückung an

Von Sepeher Saadat

Jaras (Netzwerk Green Path Movement): Genau sechs Monate nach der Präsidentschaftswahl hat Ayatollah Khamenei in nervösem und besorgtem Ton versprochen, die Gegner des Regimes zu zerstören, und ihnen noch härtere Bestrafung angedroht.

Seine Rede wurde begleitet von Parolen Dutzender seiner Anhänger. Gleichzeitig haben die Medienkanäle der grünen Bewegung die Drohungen des obersten Führers der Islamischen Republik als wirkungslos bezeichnet. Sie betonten die Fortsetzung der Protestaktionen und [die Notwendigkeit?], angesichts der Maßnahmen der Regierung klug zu handeln.

Ayatollah Khamenei beschuldigte in einer seiner heftigsten Attacken gegen die Führungsfiguren der grünen Bewegung diese, gegen das Gesetz zu handeln und sagte: „Diese Leute reden von Unterstützung für Imam Khomeini, aber was sie tun, hat im Ergebnis zu dieser großen Versündigung gegen den Imam geführt, und die Feinde sind froh über diese Grundlage für ihre Analysen und treffen Entscheidungen gegen die nationalen Interessen Irans.“

Mit diesen Äußerungen unterstützte Khamenei letztlich die nationale Fernseh- und Rundfunkgesellschaft IRIB, die Bilder davon gesendet hatte, auf denen zu sehen war, wie ein Foto des Gründers der Islamischen Republik Khomeini bei den Protestkundgebungen am 7. Dezember abgerissen wurde. Er macht die Führung der grünen Bewegung für diese Aktion verantwortlich.

In einem der provozierendsten Teile seiner Rede behauptete der Oberste Führer implizit, dass einige der Weggefährten Ayatollah Khomeinis sich von seinen Zielen entfernt hätten. Er verteidigte seine politischen Prinzipien mit den Worten: „Ich glaube daran, die Mehrheit an sich zu binden und sich von der Minderheit zu lösen, aber es scheint, als wollten manche Leute sich unbedingt vom Regime entfernen.”

Er kritisierte die Führungspersonen der grünen Bewegung dafür, von Frankreich, England, den USA, korrupten Persönlichkeiten, der (kommunistischen) Tudeh-Partei und den Monarchisten unterstützt zu werden. Er forderte sie auf, ihre Augen zu öffnen und sich öffentlich zu distanzieren.
Analysten sind der Meinung, dass er mit dieser Rede den Boden für härteres Vorgehen gegen die grüne Bewegung bereitet hat. Die Mir Hossein Moussavi nahestehende Nachrichtenagenur Kalameh veröffentlichte eine Warnung und forderte alle auf, im Falle einer außergewöhnlichen Maßnahme Klugheit an den Tag zu legen. Kalameh warnte vor möglichen Angriffen auf Nachrichtenkanäle der Grünen Bewegung und bat diese um Verbreitung der Nachrichten über alternative Kanäle. Diese Voraussage der Webseite von Moussavi erwies sich als richtig – am folgenden Tag wurde die Seite von einer Gruppe mit dem Namen „Prophet Green Movement“ gehackt.

Führer der Grünen sollen verhaftet werden
Mir Hossein Moussavi nahestehende Quellen haben am Sonntag von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit seiner Verhaftung berichte und einem Jaras-Korrespondenten gegenüber gesagt, dass die Sicherheitsorgane die Situation für seine Verhaftung überprüfen. Eine kenntnisreiche Quelle berichtete Jaras, dass man auf der Grundlage der verfügbaren Nachrichten davon ausgehen könne, dass die Sicherheitsinstitutionen vollständig darauf bedacht seien, Moussavi zu verhaften, und die vermehrte Repression der vergangenen Tage diene dazu, die Bedingungen nach seiner Verhaftung zu kontrollieren.

Wie es heißt, werden Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi mit separaten Veröffentlichungen auf die Ereignisse der letzten Tage reagieren. Sie hatten zuvor Behauptungen seitens IRIB zurückgewiesen, dass ein Foto des Begründers der Islamischen Republik Khomeini von Anhängern der Grünen Bewegung abgerissen worden sei. Sie bezeichneten den Vorfall als suspekt und als Taktik der Regierung zum Zweck der Verstärkung der Repression.

Vermutlich werden die Statements der Führungspersonen der Grünen Bewegung nach der Rede von Ayatollah Khamenei zu einer erhöhten politischen Polarisierung in Iran führen.

Unterdessen hat der Oberste Führer offen neue Repressionen gefordert und die Kritiker des Status Quo als Feinde des Regimes bezeichnet. Er sagte: „Die, die Unsicherheit und Aufruhr schaffen wollen, konfrontieren sich mit dem Volk“ und „die legalen Institutionen haben Pflichten, nach denen sie handeln müssen.“

Der Oberste Führer verglich die Kritiker der Regierung mit „Schaum auf dem Wasser“ und versprach, sie zu zerstören.

Angst vor Ausweitung der Proteste zu Muharram
Analysten meinen, die Absicht der Regierung, die Repressionen zu verstärken, sei mit ihrem Versagen bei der Unterdrückung der Protestwelle nach den Wahlen begründet.

Viele Sicherheitsoffizielle hatten vor dem Studententag versichert, dass es keine Versammlungen von Anhängern der Grünen Bewegung geben würde, was jedoch von den Demonstrationen zehntausender Studenten am 7. Dezember widerlegt worden war.

Zum jetzigen Zeitpunkt könnte die Verstärkung der Repressionen ein Versuch der Sicherheitsorgane sein, den zunehmenden öffentlichen Protesten zu begegnen. Veröffentlichte Berichte deuten darauf hin, dass angesichts des bevorstehenden schiitischen Trauermonats Muharram die Grüne Bewegung plane, diesen Anlass für Proteste gegen die Regierung zu nutzen.
Sicherheitsorgane wollen eine Atmosphäre aus öffentlicher Einschüchterung und Terror herstellen [Anm. d. Übers.: Satz im Original heißt „Security intuitions want to dominate an atmosphere of public intimidation and terror“] Anhänger und Führer der Grünen Bewegung sagen hingegen, dass eine Verstärkung der Repressionen fruchtlos sei und nur dazu führen werde, dass die Gegner des Status Quo noch mehr Gründe haben würden, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.