Veröffentlicht auf Enduring America.com/ am 15.12.2009
Quelle (Englisch): http://enduringamerica.com/2009/12/15/iran-a-beginners-guide-to-muharram/
Deutsche Übersetzung: Julia, bei Weiterveröffentlichung bitte Link zu diesem Post angeben
Der EA-Korrespondent Herr Azadi gibt EA-Lesern […] eine Einführung in den religiösen Monat Muharram, der wahrscheinlich von Protesten der Opposition geprägt sein wird.
Muharram und die Botschaft von Karbala
Ein wichtiges Ereignis für den schiitischen Islam ist der erste Monat des islamischen Kalenders, Muharram, mit seinen Bedeutungen und Ritualen. Es war an Ashura, dem 10. Tag von Muharram, als Hussain, der dritte Imam der Schiiten, in Kerbala im heutigen Irak getötet wurde.
Historischer Hintergrund
Die Ermordung von Hussain bei Karbala ereignete sich im Muharram des Jahres 61 nach dem islamischen Kalender (680 nach Christus) und ist eines der wegweisenden Ereignisse in der Entwicklung des schiitischen Islam.
Hussain hatte sich geweigert, ein Bündnis mit dem Kalifen Yazid einzugehen, und erklärt, dass die Regierung Yazids nicht rechtmäßig sei, da sie nicht dem Weg und der Art und Weise des Propheten Muhammad folge.
Da Hussain der einzige lebende Enkel des Propheten war, konnte seine Verweigerung der Gefolgschaft Yazids Position gefährden. Der Kalif setzte Hussain ein Ultimatum: Entweder akzeptierte er seine Vormachtstellung, oder er musste sterben.
Hussain hatte erklärt, er habe nicht die Absicht, einen Krieg zu beginnen, aber Yazid ließ ihm keine andere Wahl. Hussain, seine Familie und seine Gefährten standen in Karbala über 5000 Mann der Armee Yazids gegenüber. Hussains 72 Gefährten und seine Familie wurden getötet.
Die Hussain-Ideologie
Hussains Haltung und sein Märtyrertum haben einen ideologischen Rahmen für Freiheitsbewegungen geschaffen, die das Ereignis von Karbala als Positionierung gegen die Ungerechtigkeit ansehen. Dieser ideologische Rahmen schließt auch die Weigerung ein, eine unrechtmäßige Regierung zu akzeptieren, sowie Enthüllung von und Protest gegen Ungerechtigkeit. Es ist nicht wichtig, wie klein eine Protestbewegung ist, denn sie muss gegen Tyrannei und Ungerechtigkeit aufstehen, selbst dann, wenn nicht sofort ein Ergebnis erzielt wird.
Schiiten glauben, dass Hussains Weg lebendig ist und dass man diesem Weg folgen muss, so lange es Ungerechtigkeit in der Welt gibt: “Jeder Tag ist Ashura, und jedes Land ist Karbala“ – dieser Satz verdeutlicht die Hussain-Ideologie sehr klar.
Wie Hussain wieder zum Leben erweckt wird
Der Schiismus hat in seiner Geschichte versucht, die Ideologie und die Botschaft von Karbala auf verschiedene Art wieder zu beleben. Die wichtigste davon ist das Trauerritual. Das Gedenken an Hussain, an seine Worte und seine Botschaft, seine Ansichten und seine Ideologie, seinen Tod und die damit verbundenen Ereignisse sind die Hauptbestandteile dieser Rituale, die sowohl grüblerische [„speculative“, d. Übers.] als auch emotionale Aspekte haben.
Im Muharram versammeln sich die Menschen in Moscheen und anderen Plätzen, um sich in Vorträgen und Reden von Geistlichen die Botschaft von Karbala, Hussains Taten und seinem Tod erklären zu lassen. Bei diesen heiligen Zermonien verwenden Schiiten auch Symbole für die wichtigsten Aspekte von Karbala. Es gibt Fahnen in drei Farben: Rot (für Blut und für das Sterben für Überzeugungen), Grün (für die Familie des Propheten) und Schwarz (für Trauer und Traurigkeit).
Muharram und die Islamische Revolution in Iran
Die Islamische Revolution in Iran im Jahre 1979 basierte auf Hussains Ideologie. Imam Khomeini erklärte, dass Muharram die Bewegung am Leben erhalten und sie mit der Erhebung gegen die Tyrannei und Ungerechtigkeit des Schahs, dem Yazid des 20. Jahrhunderts, identifiziert habe. Geistliche und Sprecher verwandelten Muharram von einem Trauermonat in eine politische Plattform für die Reformierung des iranischen Systems. Iranische Anhänger, schwarz geschmückt und von Trauer singend, demonstrierten während des ganzen Monats gegen den Schah, insbesondere am 9. und 10. Tag, Tasua und Ashura.
Die Bedeutung von Muharram und Ashura wurde verstärkt durch den „aufgezwungenen Krieg“ (1980-1988) mit Irak. Nach der Hussain-Ideologie war es wertvoller, sein Leben für seine Überzeugungen zu opfern, als unter Tyrannei zu leben. Die Iraner identifizierten in ihren Zeremonien und in ihrer Literatur ihre Märtyrer mit den Märtyrern von Karbala.
Muharram und die Grüne Bewegung
Auf der Grundlage von Hussains Ziel, „die islamische Gesellschaft zu reformieren und sie mit Gerechtigkeit und islamischen Werten wieder aufzubauen“, bezieht sich die Grüne Bewegung auf die Ideologie von Hussain, um ihre Ziele zu erreichen. Damit bietet Muharram der Bewegung die großartige Möglichkeit, sich durch die Symbole und die Ideen von Karbala zu regenerieren.
Was ist die erste Botschaft? Bleibt nicht stumm, egal wie viele (oder wenige) ihr seid oder wie stark eure Gegner sind. Die zweite Lehre? Es wird vielleicht nicht sofort ein Ergebnis erreicht, aber der wahre Sieg besteht darin, die Stimme gegen Unrecht zu erheben – eine Haltung, die in die Geschichte eingehen wird.