Kurzmeldungen aus Iran – 20. Juli 2011

Saeed Mortazavi

Tehran Bureau, 20. Juli 2011 (Auszüge)

1. Gefängnis Kahrizak
Der berüchtigte Ex-Staatsanwalt Saeed Mortazavi ist von seiner Verantwortung für die Ermordung junger Demonstranten in der südlich von Teheran gelegenen Haftanstalt Kahrizak kurz nach der Präsidentschaftswahl von 2009 entlastet worden. In der Haftanstalt waren mindestens vier junge Männer ermordet worden. Mortazavi, die hochrangigste Persönlichkeit, die im Zusammenhang mit den Verbrechen strafrechtlich verfolgt wird, fügt hinzu, dass die Angehörigen der Opfer gegen die Entscheidung des Gerichts protestiert hätten und diese somit noch nicht abgeschlossen sei.

2. Verhaftungen
Dr. Mehdi Khazali, ein Kritiker der Hardliner und Sohn des reaktionären Ayatollah Abolghasem Khazali, ist nach einer Vorladung vom Geheimdienstministerium verhaftet worden. Bei seinem Eintreffen im Geheimdienstministerium wurde ihm ein Haftbefehl präsentiert. Khazali erklärte den Geheimdienstagenten, dass der Haftbefehl bereits 10 Tage alt sei und dass er erst vier Tage zuvor eine Kaution hinterlegt habe. Die Agenten entgegneten ihm, dass sie ihn festnehmen müssten. Als Khazali darauf hinwies, dass eine Verhaftung unter diesen Umständen illegal sei, wurde er von drei der Agenten tätlich angegriffen.

3. Gefangene und ihre Familien
Berichten zufolge soll die Ende Juni verhaftete Filmemacherin und Frauenrechtlerin Mahnaz Mohammadi letzte Woche ins Krankenhaus eingeliefert worden sein, nachdem sich ihr Gesundheitszustand im Gefängnis erheblich verschlechtert hatte.

4. UN-Menschenrechtsberichterstatter
Ramin Mehmanparast, Sprecher des iranischen Außenministeriums, hat erklärt, die Islamische Republik werde den UN-Menschenrechtsberichterstatter nicht ins Land lassen. Er bezeichnete die Ernennung des Sondergesandten als „unlogisch“ und „politisch motiviert“.

5. Iran und die Freiheitsbewegungen in der arabischen Welt
Die wöchentlich erscheinende Publikation der Revolutionsgarden Sobh-e Sadegh hat die Türkei wegen ihrer Syrien-Politik gewarnt. Reza Garmabadri schreibt in einem Leitartikel:

„Wenn die Türkei an ihrem jetzigen Weg festhält, wid dies zu erhöhten Spannungen führen, und Iran wird möglicherweise irgendwann gezwungen sein, sich zwischen der Türkei und Syrien zu entscheiden. Aus logischen und strategische Erwägungen heraus wird Iran sich dann für Syrien entscheiden. Es wäre klug, wenn die Türkei diese Notwendigkeit für Iran erkennt und mit einer weisen und vorausschauenden Politik verhindert, dass Iran an diesen Punkt gelangt.
Zu Beginn der komplexen Verschwörung gegen Syrien verfolgte die Türkei bezüglich (der Demonstrationen in) Syrien eine milde Linie, aber als Zerstörung und Mord in Syrien zunahmen, wurde der Ton der Türkei gegenüber Syrien härter. Dies ging so weit, dass die Türkei sich gegen Syrien stellte und  offenbarte, dass sie in dieser Sache auf der Seite der USA steht.
Die schlechte Behandlung Syriens durch die Türkei beschränkt sich nicht auf negative Positionen gegenüber Syrien. Die Türkei hat zwei Versammlungen der syrischen Opposition beherbergt und hat in der Nähe der gemeinsamen Grenze mit Syrien Lager eingerichtet und vor Beginn der Konfrontationen der Opposition gewissermaßen geholfen.
Syrischen Angaben zufolge hat die Opposition Teile ihrer Waffen über Syrien erhalten
[sic, vermutlich muss es „über die Türkei“ heißen, d. Übers.]. Die einzige Entschuldigung der Türkei für ihre Unterstützung der Opposition ist, dass es sich bei [den Demonstranten] um gewöhnliche Menschen handelt, die nachvollziehbare Forderungen stellen und deren Menschenrechte von der syrischen Regierung geachtet werden müssen.
Türkische Offizielle, die solche Aussagen machen, verkennen die Frage, woher diese ‚gewöhnlichen Menschen‘ (die syrische Opposition) die Waffen haben und wie es möglich ist, dass gewöhnliche Menschen ein Massaker an syrischen Sicherheitskräften begehen können.
Wie sieht die Türkei die Millionen Menschen, die für die syrische Regierung auf die Straße gegangen sind, und wie muss die extensive westliche Propaganda und die Unterstützung der Opposition durch die arabischen Länder bewertet werden, die von Lügen und Täuschungsmanövern begleitet ist?“

Den Warnungen von Sobh-e Sadegh waren Anschuldigungen führender türkischer Zeitungen vorausgegangen, in denen Iran vorgeworfen wird, sich für die Position der Türkei gegenüber Syrien mit einer Unterstützung der bewaffneten kurdischen PKK zu rächen, die die Türkei seit Jahrzehnten bekämpft. (Mehr zu den jüngsten Zusammenstößen zwischen militanten kurdischen Gruppen und den iranischen Revolutionsgarden hier.)

6. Internationales
Hossein Shariatmadari, der erzkonservative Herausgeber der Zeitung Kayhan, schreibt in einem Leitartikel, die europäischen Länder müssten für ihre Weigerung, iranische Passagierflugzeuge zu betanken, mit Vergeltungsakten rechnen: „Angriffe auf die Büros europäischer und amerikanischer Airlines werden für diese eine unvergessliche Lehre sein.“ Shariatmadari zufolge habe die Resolution 1929 des UN-Sicherheitsrates einzig und allein zum Ziel, die „Aufrührer“ – die offizielle Bezeichnung der Islamischen Republik für die Grüne Bewegung – zu unterstützen. Der Konflikt der Islamischen Republik mit den Vereinigten Staaten und Israel sei der Grund dafür, dass iranische Flugzeuge in vielen Ländern keinen Treibstoff mehr erhalten, so Shariatmadari.

Mitglieder des „Kooperationsrates (Persischer) Golf“ („Gulf Cooperation Council/GCC“) hat die „falschen“ und „provizierenden“ Äußerungen des erzkonservativen Geistlichen Ahmad Jannati beim Freitagsgebet am 15. Juli vollständig zurückgewiesen. Der GCC rügt Jannati für seine unerwünschte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Bahrains und die Souveränität und Unabhängigkeit des Golfstaates.
Bei einem Treffen in Riyadh überreichte GCC-Generalsekretär Abdul Latif al-Zayani dem iranischen Botschafter in Bahrain Seyyed Mohammad Javad Rasouli eine Notiz, in der Iran aufgefordert wird, seine „Hetzreden“ bezüglich des Königreichs Bahrain und seiner Bevölkerung einzustellen und die regionalen Interessen zu wahren, die die Golfstaaten mit der Islamischen Republik verbinden.

Deutschland hat 2006 zwei mit AIP-Antrieb ausgestattete Dolphin-U-Boote an Israel verkauft. Die Gesamtkosten betrugen 1,27 Milliarden Dollar, wovon die deutsche Regierung ein Drittel zahlte. Jetzt wurde der Verkauf eines weiteren U-Bootes bestätigt. Die U-Boote können mit nuklearen Gefechtsköpfen ausgestattet werden, und die meisten Militäranalysten halten es für möglich, dass sie in einem möglichen Krieg zwischen Israel und Iran eine wichtige Rolle spielen können.

Nach Angaben des Abgeordneten und Mitglieds der Kommission für nationale Sicherheit und Außenpolitik, Seyyed Ali Aghazadeh Dafsari, hat die Luftverteidigung der Revolutionsgarden eine US-Drone abgeschossen, die über der Nuklearanlage Fordow bei Qom unterwegs war. Die Drone sei vermutlich auf einer Spionage-Mission gewesen.

7. Wirtschaft/Sanktionen
Die indische Firma „Mangalore Refinery and Petrochemicals Ltd“ verhandelt mit Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten über eine Erhöhung ihrer Ölimporte. Die Firma plant außerdem verstärkte Importe aus anderen Ländern, um weniger abhängig von iranischem Öl zu sein.
MRPL – mit 150.000 Barrel pro Tag der größte indische Käufer iranischen Öls – hat bereits mit der Diversifizierung seines Rohöl-Warenkorbes begonnen. MRPL ist eine von fünf indischen Firmen, die infolge der globalen Sanktionen und eines seit langem anstehenden Clearing House-Mechanismus der indischen Zentralbank im vergangenen Dezember zunehmend Schwierigkeiten haben, Ölimporte aus Iran zu finanzieren. Iran hat angekündigt, ab dem 1. August alle Ölexporte nach Indien einzustellen, wenn der finanzielle Disput über die Bezahlung nicht gelöst wird. Indien ist nach China der größte Abnehmer für iranisches Öl, während Iran umgekehrt Indiens zweitgrößter Öllieferant nach Saudi Arabien ist. Indische Firmen schulden Iran im Moment mehr als 5 Milliarden Dollar für Ölkäufe.

8. Atomprogramm
Die Ankündigung Irans, man werde die Urananreicherungsanlage in Fordow bei Qom mit verbesserten Zentrifugen bestücken, hat in den westlichen Ländern zu Verstimmungen geführt. Iran gibt zu, dass die Installation der neuen Zentrifugen das iranische Atomprogramm beschleunigen wird. „Die Installation der neuen Zentrifungen mit besserer Qualität und Geschwindigkeit ist im Gange“, erklärte Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast gegenüber Reportern bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz. „Wir haben diese Installation angemeldet, und die IAEA hat vollständige Aufsicht darüber. Sie sind vollständig darüber im Bilde, dass die friedliche nukleare Aktivität in Iran weiter voranschreitet. Damit wird das erfolgreiche nukleare Bestreben der Islamischen Republik ein weiteres Mal bestätigt.“

Nach Auffassung Frankreichs bestätigt dieser Schritt Befürchtungen, dass die „zivile Nutzung“ des iranischen Atomprogramms nicht „glaubwürdig“ sei. In einer Erklärung lässt das französische Außenministerium wissen: „Iran hat sich mit der Bekanntgabe der bevorstehenden Installation einer neuen Generation von Zentrifugen eine neuerliche Provokation geleistet. Dies ist eine weiterer Verstoß gegen sechs Resolutionen des Sicherheitsrates und zehn Resolutionen des Rates der Internationalen Atomenergiebehörde.“
Das britische Außenministerium erklärte, Irans Ankündigung „unterminiert Irans Behauptung, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient und zeigt deutlich, dass der Druck auf Iran erhöht werden muss… Iran muss verstehen, dass wir uns von den Ereignissen in der Region nicht ablenken lassen werden, und sollte keinen Zweifel an unserer Entschlossenheit haben.“

Übersetzung aus dem Englischen (in Auszügen)
Quelle: Tehran Bureau, 20. Juli 2011

Eine Antwort zu “Kurzmeldungen aus Iran – 20. Juli 2011

  1. Die Dummheit und Unverantwortlichkeit der Islamischen Republik kann man sehr einfach feststellen, indem man

    Hossein Shariatmadaris Kayhan liest.

    Seine Zeitung gilt im Iran und Ausland als die unoffizielle Meinung Khameneis und die der IR! Auch wenn diese nichts mit der Politik Irans zu tun haben/hätten; Welche Folgen kann es für das System und leider gleichzeitig für das Land haben?

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